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Von den Anfängen des Neoliberalismus zur 5. WTO-Ministerkonferenz

2. ATTAC-Sommerakademie startet mit über 200 TeilnehmerInnen - Gastgemeinde St. Johann im Pongau ist GATS-frei

Schon am ersten Tag der 2. Sommerakademie von ATTAC Österreich kamen mehr als 200 Menschen aus ganz Österreich nach St. Johann im Pongau (Salzburg). Insgesamt haben sich 300 Personen aus ganz Österreich angemeldet. In über 80 Workshops und öffentlichen Podiumsdiskussionen wird die gesamte Themenpalette der Globalisierung behandelt. Zum Auftakt fragte ein prominentes Podium, ob der Neoliberalismus in der Krise stecke. Stargast war Alejandro Villamar, mexikanischer Biologe und einer der Koordinatoren der Proteste gegen die 5. WTO-Ministerkonferenz in Cancún.+++

Gabriele Michalitsch, Ökonomie-Lehrbeauftragte an den Universitäten Istanbul, Wien, Linz und Klagenfurt, unterschied den klassischen Liberalismus vom Neoliberalismus. Während der klassische politische Liberalismus die Grund- und Freiheitsrechte des Einzelnen gegenüber dem Staat in der Verfassung verankerte, den Staat aber nicht in Frage stellte, wollte der Neoliberalismus etwas ganz anderes: Er geht davon aus, dass der Markt dem Staat grundsätzlich überlegen sei, weshalb der Staat grundsätzlich in Frage gestellt und zurückgedrängt werde. Das Projekt Neoliberalismus sei ab 1947 ausgehend von der Mont Pellerin-Society, ein Kreis konservativer Ökonomen, weltweit durchgesetzt worden.

Werner Binnenstein-Bachstein, Sozialexperte bei der Caritas, betonte, dass er in der täglichen Arbeit immer öfter die Grund- und Menschenrechte zitieren müsse, weil der Staat an Liberalität verliere und an Autorität gewänne. In den Programmen der Regierung sei permanent vom "Missbrauch" im Sozialbereich die Rede, nie aber in der Wirtschaft. "Aus dieser Einseitigkeit ist deutlich der Neoliberalismus herauszulesen", so Bachstein-Binnenstein.

Am Abend war Alejandro Villamar von der mexikanischen Plattform gegen den Freihandel zu Gast. Villamar koordiniert mit dem Netzwerk REMOLC die Proteste gegen die 5. WTO-Ministerkonferenz von 10. - 14. September in Cancún. Während die Polizei Horrorszenarien über die Medien verbreite, arbeiteten Gewerkschaften, Bauern, Indigene, Umweltschützer, Freihandelsgegner, Studenten und Wissenschaftler an der Organisation der friedlichen Proteste und Alternativprogramme. Villamar erwartet sich Dutzende Tausend TeilnehmerInnen und große Medienaufmerksamkeit. Schon jetzt seien 5.000 Journalisten akkreditiert.

Auch in Cancún werde es eine rote Zone geben, die exklusiv für die Regierenden reserviert sei. "In Mexiko versteht man unter 'roter Zone' allerdings Prostituiertenviertel. Das beschreibt das Verhalten der Politiker, die den Freihandel im Interesse der globalen Konzerne durchsetzen, sehr treffend", so Villamar.

Villamar brachte zahlreiche Beispiele, wie Mexiko durch den Freihandel verliert. Zwar seien die Exporte gestiegen, aber sie würden nur von 300 Firmen abgewickelt. Gleichzeitig seien Tausende Kleinunternehmen bankrott gegangen und zwei Millionen Menschen arbeitslos geworden. "Mit den Exporten steigt die Armut", so Villamar. Mexikos Maisbauern produzieren Mais um 140 Dollar pro Tonne. US-Mais werde zu 130 Dollar pro Tonne produziert, aber infolge von Exportsubventionen um 26 Dollar pro Tonne in Mexiko verkauft. "Das ruiniert unsere Bauern", so Villamar. Drittes Beispiel: Vor kurzem wurde die Trinkwasserversorgung in Cancún an ein Konsortium aus Enron und Suez privatisiert. Daraufhin stiegen die Preise, die Wasserqualität nahm ab. Die Hotels zahlen für das Wasser weniger als die 500.000 Einwohner von Cancún. "Mit dieser Erfahrung wollen wir die Leute gegen das GATS mobilisieren", so Villamar. Damit sprach er dem Bürgermeister von St. Johann, der die Sommerakademie eröffnete, aus der Seele. Die Salzburger Bezirkshauptstadt ist eine der 240 österreichischen Gemeinden, die die Resolution zum Stopp der GATS-Verhandlungen verabschiedet haben.