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Versprechen gebrochen: Barroso lobbyierte für Goldman Sachs

Ein Anruf genügte / Allianz ALTER-EU: Regelungen zur Karenzzeit für Kommissare müssen verschärft werden

Im Oktober 2016 gab das Ethik-Komitee der EU-Kommission grünes Licht für den Seitenwechsel von Ex-EU-Kommissionspräsident Barroso zur globalen Investmentbank Goldman Sachs. Ausschlaggebend für die umstrittene Entscheidung war Barrosos Zusage, keine Lobbyarbeit für die Investmentbank zu betreiben. Doch genau dabei wurde er nun ertappt. Ein Skandal, der Folgen haben muss, fordert die europäische Allianz ALTER-EU*, der auch Attac Österreich angehört. Barrosos Lobbyarbeit für Goldman Sachs ist inakzeptabel und zeigt, dass die Regelungen zur Karenzzeit für Kommissare verschärft werden müssen.

Lobbytreffen im Hotel: Barroso trifft Kommissar Katainen

In einem Brief vom 31. Jänner 2018 hat EU-Kommissar Jyrki Katainen der Brüsseler NGO Corporate Europe Observatory (CEO) bestätigt, dass es am 25. Oktober 2017 ein Lobbytreffen zwischen ihm und Barroso gab. Katainens Ressort für Beschäftigung, Wachstum, Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit dürfte für die Investmentbank Goldman Sachs von großem Interesse sein. Ein einfacher Anruf Barrosos genügte jedenfalls, um ein Lobbytreffen mit dem amtierenden EU-Kommissar zu erhalten. Damit ist klar: Barroso nutzte seine privilegierte Stellung, um die EU im Namen von Goldman Sachs zu beeinflussen. Niemand außerhalb der Institution verfügt über mehr Insider-Know-how, Kontakte und anhaltenden Einfluss als ein ehemaliger Kommissionspräsident. Nur ein echter Insider ist in der Lage, ein derartiges Lobbytreffen auf die Beine zu stellen.

"Der Fall ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie sich Seitenwechsel von PolitikerInnen für Konzerne lohnen", erklärt Nina Katzemich von der ALTER-EU Mitgliedsorganisation Lobbycontrol Deutschland. "Barroso und Katainen trafen sich in einem Hotel, nur unter vier Augen, es gab keine Protokolle, keinen E-Mailverkehr – und wären sie nicht gesehen worden, kann man spekulieren, ob das Treffen jemals im EU-Lobbyregister aufgetaucht wäre."

ALTER-EU reicht Beschwerde bei EU-Kommission ein

ALTER-EU reicht daher heute eine Beschwerde bei der EU-Kommission ein. Darin fordern die Organisationen die EU-Kommission dazu auf, den Fall zum Anlass zu nehmen,

1. den Fall Barroso erneut zu überprüfen. Ex-Kommissionspräsident Barroso hat sein für die Genehmigung des Seitenwechsels zentrales Versprechen gebrochen. Damit ist das Urteil des Ethik-Komitees der EU-Kommission hinfällig.

2. den frisch verabschiedeten Verhaltenskodex für EU-Kommissare erneut zu überarbeiten. Er enthält unbestritten ein paar Fortschritte, wie längere Abkühlphasen, sogenannte Karenzzeiten, oder mehr Transparenz über Finanzen und Reisekosten. Das Ethik-Komitee, das Seitenwechsel überprüfen soll, bleibt jedoch ein zentraler Schwachpunkt des Kodex. Zwei der drei Mitglieder stehen aktuell oder standen selbst im Dienst der EU-Kommission. Dies steht im Widerspruch zur nötigen Unabhängigkeit eines solchen Gremiums. Obendrein ist nicht einzusehen, dass die EU-Kommission selbst und nicht das Ethik-Gremium die finale Entscheidung über einen Seitenwechsel trifft. Das Ethik-Komitee kann bislang nur Empfehlungen abgeben, die nicht bindend sind für die Entscheidung der Kommission sind.

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*Die Alliance for Lobbying Transparency and Ethics Reform (ALTER-EU) ist eine Koalition von mehr als 200 europäischen NGOs und Gewerkschaften.

www.alter-eu.org



Lobbycontrol Deutschland: www.lobbycontrol.de