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Attac-Stellungnahme zur Wahl des Bundespräsidenten

In wenigen Tagen wählt Österreich einen neuen Bundespräsidenten. Attac ist zwar überparteilich, dennoch ist uns folgende grundsätzliche Stellungnahme wichtig:

Viele Menschen in Österreich sind verunsichert und fühlen sich ohnmächtig. Die Angst den eigenen Arbeitsplatz zu verlieren, mit dem eigenen Lohn nicht mehr über die Runden zu kommen oder soziale Leistungen zu verlieren, geht einher mit einer enormen Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich. Abstiegsängste und Sorge um die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung in Österreich erfassen immer mehr Menschen der sozialen Mitte.

Diese Ängste treffen auf ein gesellschaftliches Klima, in dem die politische und mediale Hetze gegen „Fremde“ seit Jahren zunimmt. Menschen, die vor Krieg, Vertreibung und Not flüchten, werden dabei zur größten Gefahr für sozialen Frieden und persönliche Sicherheit erklärt. Forderungen, ihre politischen und sozialen Grundrechte wie das Recht auf Asyl und den Zugang zum Sozialsystem einzuschränken, sind für breite Teile der Gesellschaft anschlussfähig geworden.
 
Diese Aushöhlung von Menschenrechten wird unter anderem durch eine Wirtschaftsideologie legitimiert, welche die Konkurrenz zwischen „Wirtschaftsstandorten“, Staaten, Unternehmen und Menschen als unausweichlich darstellt. Solidarität wird durch Egoismus ersetzt, gesellschaftliche Verantwortung durch privaten Profit. Und so applaudieren auch selbsternannte "LeistungsträgerInnen" einer Politik der sozialen Ausgrenzung, da ihnen ein solidarischer Sozialstaat schon lange ein Dorn im Auge ist.

Im Neoliberalismus wie auch im Rechtsextremismus gilt: Jeder ist sich selbst der Nächste. Die daraus folgende Sündenbockpolitik interessiert sich nur für jene Verteilungsfragen, die Menschen mit den geringsten Einkommen und Chancen gegeneinander aufhetzen. Dies zeigt auch das Abstimmungsverhalten der Fraktion eines der Bundespräsidentschaftskandidaten (1):

Die FPÖ stimmte in den letzten Jahren:
Gegen eine Schule mit mehr Aufstiegschancen, gegen höhere Leistungen für Kinder in Armut, gegen ein Gratis-Kindergartenjahr, gegen eine Erhöhung der Mittel zur Unterstützung für den Wiedereinstieg älterer arbeitsuchender Menschen, gegen die Umsetzung der „Europäischen Sozialcharta" (in der unter anderem das Recht auf gerechte Arbeitsbedingungen, das Recht auf soziale Sicherheit, das Recht auf ein gerechtes Arbeitsentgelt und das Recht der Kinder und Jugendlichen auf sozialen, gesetzlichen und wirtschaftlichen Schutz geregelt sind) und für die Kürzung der Mindestsicherung. Sie stimmte gegen die Streichung von Steuerprivilegien für Konzerne (Gruppenbesteuerung), die unter der schwarz-blauen Regierung eingeführt wurden und die laut Rechnungshof jährlich zu rund 450 Millionen Euro an Steuerausfällen führt, gegen die Streichung von Steuerprivilegien für Managergehälter über 500.000 Euro und gegen den Solidaritätsbeitrag von Menschen mit besonders hohem Einkommen. Obwohl die FPÖ das Milliardengrab der Hypo Alpe Adria zu verantworten hat, stimmte sie gegen die Erhöhung der Bankenabgabe. Die Kritik der FPÖ an TTIP argumentiert vor allem anti-amerikanisch und entwickelt - im Gegensatz zu sozialen Bewegungen - auch keine Vision eines gerechten globalen Welthandelssystems.
 
Krieg und Flucht, Armut und Ausgrenzung sowie die Zerstörung von Lebensgrundlagen von Millionen Menschen sind untrennbar mit der verschärften Konkurrenz auf den Weltmärkten verbunden. Weder soziale und politische Ausgrenzung noch Standortwettbewerb lösen diese Probleme – im Gegenteil: sie verschärfen sie. Jene, die Flüchtende und MigrantInnen zur Ursache aller Probleme machen, wollen weder bestehende Ungerechtigkeiten noch das ihnen zugrundeliegende Wirtschaftsmodell verändern.

Wenn wir also eine Gesellschaft wollen, die allen Menschen ein gutes Leben in Freiheit und Sicherheit garantiert, müssen wir nicht nur der neoliberalen Ideologie, sondern auch jenen politischen Kräften entschieden entgegentreten, die Menschen allein aufgrund ihrer Herkunft abwerten und ausgrenzen. Dafür setzt sich Attac auch angesichts der Wahl am 22. Mai ein.

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(1) Siehe auch Recherche Martin Schenk in Augustin 10/2015