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Stoppt das Töten im Nahen Osten!

Wer das Leid des anderen leugnet, wird am Frieden scheitern

Erklärung Attac Österreich, 19. Oktober 2023

Wir sind erschüttert über die unfassbare Eskalation der Gewalt sowie die Tötung und das Leid tausender Menschen im Nahen Osten. Unser Mitgefühl gilt allen Opfern auf israelischer und palästinensischer Seite.

Die von der Hamas am 7. Oktober verübten Massaker an israelischen Zivilist*innen und die folgenden Geiselnahmen sind ein unfassbares Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Sie sind durch nichts zu relativieren, durch nichts zu rechtfertigen und aufs Schärfste zu verurteilen. Die darauf folgenden und anhaltenden Bombardierungen der Bevölkerung von Gaza mit tausenden Todesopfern, die Blockade lebenswichtiger Güter wie Lebensmittel, Wasser, Strom und Medikamenten, der Einsatz von weißem Phosphor gegen Zivilist*innen und die Vertreibung Hunderttausender aus dem Norden Gazas ist durch nichts zu relativieren, durch nichts zu rechtfertigen und aufs Schärfste zu verurteilen.

Den Verbrechen auf beiden Seiten kann nur mit dem Beharren auf völkerrechtlichen Grundsätzen und universellem Humanismus begegnet werden. Niemals dürfen Menschen kollektiv für die Verbrechen anderer bestraft werden. Jedes Menschenleben zählt gleich viel. Kein Verbrechen rechtfertigt das andere.

Doch wir erleben derzeit das Gegenteil: Die Spirale der Gewalt und die Dehumaniserung von Palästinenser*innen oder Israelis, Jüdinnen und Juden oder Muslim*innen schreitet voran. Der israelische Historiker und Genozid-Forscher Raz Segal beschreibt das aktuelle Vorgehen der israelischen Regierung im Gaza-Streifen als „Lehrbuchfall für Völkermord“.

Sofortiger Waffenstillstand und Verhandlungen

Diese Gewaltspirale muss durch internationalen Druck sofort gestoppt und ein Flächenbrand im Nahen Osten verhindert werden. Wir schließen uns der Forderung der UNO und zahlreichen internationalen Menschenrechts-, Friedens- und Hilfsorganisationen an, das Töten sofort durch einen Waffenstillstand zu beenden und humanitäre Hilfe zu ermöglichen. Wir fordern sowohl die Freilassung von israelischen Geiseln der Hamas als auch von Palästinenser*innen, die von Israel willkürlich festgehalten werden.

Es wird keinen dauerhaften Frieden ohne eine gerechte politische Lösung geben. „Jedes Kind, das heute in Gaza aus den Trümmern gezogen wird, wird in Zukunft nach noch radikaleren Mitteln rufen“, schreibt der Journalist Karim El Gawhary.

Österreich hat eine besondere Verantwortung

Österreich hat aufgrund seiner Schuld am Holocaust und der Verfolgung und Vertreibung der jüdischen Bevölkerung während des Nationalsozialismus eine besondere Verantwortung – denn die Gründung Israels ist auch eine Folge unserer Geschichte. Die Verpflichtung des „Nie wieder“ muss universell gelten: für den Schutz von Jüdinnen und Juden genauso wie für den Schutz von Palästinenser*innen. Wir verurteilen Antisemitismus unter dem Deckmantel der Israel-Kritik genauso wie die Unterstützung der Kriegsverbrechen Israels. Die österreichische Regierung muss daher sowohl die Kriegsverbrechen der Hamas an israelischen Zivilist*innen als auch die Kriegsverbrechen der israelischen Regierung verurteilen.

Wer das Leid des anderen leugnet, wird am Frieden scheitern

Selbstverständlich darf der historische und politische Kontext des jahrzehntelangen Konflikts nicht ausgeklammert werden. „Kontext ist nicht gleich Rechtfertigung oder Verharmlosung, sondern die Grundlage jeder ernstzunehmenden moralisch-politischen Bewertung“, schreibt der deutsche Journalist Hanno Hauenstein. Verstehen ist nicht gleich Verständnis.

Doch der Diskurs über den historischen und politischen Kontext ist umkämpft. Und beide Seiten pochen auf ihre Sicht. Es ist ein Faktum, dass die Palästinenser*innen jahrzehntelanger Vertreibung, Gewalt und Unterdrückung ausgesetzt sind. Dazu zählt auch die Politik, die völkerrechtlich illegale Siedlungen im Westjordanland militärisch absichert und die Palästinenser*innen dort unterdrückt und rechtlich diskriminiert. Die UNO sowie Friedens- und Menschenrechtsorganisationen weisen zudem seit vielen Jahren auf die Illegalität der Blockade Gazas hin. Genauso ist ein Faktum, dass jüdische Israelis ihre eigene Existenz und die ihres Staates seit Jahrzehnten durch zahllose extremistische Angriffe, Selbstmordattentate, Raketenbeschuss und Vernichtungsdrohungen arabischer Staaten gefährdet sehen. Diese Aufzählung ließe sich lange fortführen.

Abseits davon gilt für beide Seiten EINE Wahrheit: Dass der mörderische Konflikt im Nahen Osten grauenhaft und unerträglich ist. 

Wer das unermessliche Leid und die Realität des anderen leugnet, wird am Frieden scheitern. Jegliche Radikalisierung muss deutlich verurteilt werden. Kräfte, die zu Versöhnung und Empathie aufrufen, gibt es sie auf beiden Seiten. Diese Kräfte müssen durch Vermittlung und Druck der internationalen Gemeinschaft gestärkt werden. Diesen Kräften für den Frieden gilt unsere ganze Solidarität!