Die Globalisierung muss neu gestaltet werden

Ein gutes Leben für alle braucht eine andere Globalisierung

von Werner Raza

Neoliberale Globalisierung – Ziele und Motive

Die neoliberale Globalisierung der letzten 30 Jahre beruhte auf einem Projekt tiefer Integration, das heißt, Ziel war und ist die Herstellung eines möglichst einheitlichen globalen ordnungspolitischen Rahmens für eine zunehmend transnational organisierte Ökonomie.

Das erforderte insbesondere einen Doppelschritt zur Deregulierung historisch gewachsener, aber aus Sicht des transnationalen Kapitals handelshemmender nationaler Wirtschaftsordnungen und ihrer teilweisen Re-Regulierung durch einheitliche globale Standards. Daher ging es nicht bloß um die Durchsetzung des Freihandels durch Beseitigung von Zöllen, sondern vor allem um die Liberalisierung von Kapitalflüssen, von Dienstleistungen und partiell auch um Arbeitnehmerfreizügigkeit.

Nicht zufällig liegt der Schwerpunkt der Handelspolitik à la TTIP und CETA auf Themen wie der Vereinheitlichung von technischen Standards, von behördlichen Prüf- und Genehmigungsverfahren, oder von Sektorregulierungen z. B. im Finanzsektor oder bei Infrastrukturleistungen. Darüber hinaus zentral sind auch die Öffnung nationaler öffentlicher Beschaffungssysteme und die Durchsetzung einheitlicher und hoher Schutzstandards bei geistigen Eigentumsrechten (Patente, Copyrights), beides besondere Anliegen transnationaler Konzerne.

Die spezifische politische Intention des Projekts bestand in der Einschränkung politischer Handlungsspielräume mit dem Ziel der Etablierung einer rechtlichen Absicherung des globalen ordnungspolitischen Rahmens durch internationale Verträge, insbesondere auf Ebene der Welthandelsorganisation WTO.

Effekte neoliberaler Globalisierung

Diese Form der Globalisierung blieb für Gesellschaft, Ökonomie und Natur nicht folgenlos, sondern zeitigte eine Reihe von Effekten:

Erstens kam es zu starken sektoralen und räumlichen Verschiebungen der Produktion. Die starke räumliche Fragmentierung von Produktionsprozessen führte zum Entstehen globaler Produktionsnetzwerke, innerhalb derer einzelne Produktionsschritte in unterschiedliche Länder ausgelagert wurden. Während wertschöpfungsintensive Bereiche und die Kontrolle über die Produktionskette in den Industrieländern verblieben, wurden arbeitsintensive Schritte in Billiglohnländer ausgelagert. Das führte zu Kosteneinsparungen, die zum Teil die Unternehmensprofite erhöhten, zum Teil über geringere Warenpreise den KonsumentInnen zugutekamen, allerdings häufig unter brutaler Ausbeutung von ArbeiterInnen und Natur in den Schwellen- und Entwicklungsländern. In geopolitischer Hinsicht ermöglichte die neue internationale Arbeitsteilung aber auch die wirtschaftlichen Aufholprozesse der Schwellenländer, insbesondere von China, Indien, Indonesien oder der Türkei.

Zweitens muss eine solche Restrukturierung starke Verteilungseffekte auf Einkommen und Vermögen zeitigen. Einerseits ist es zu einer deutlichen Abnahme der globalen Einkommensunterschiede gekommen. Dafür verantwortlich ist der wirtschaftliche Aufholprozess in den Schwellenländern, wo vor allem in China und Indien eine neue Mittelklasse entstanden ist. Andererseits stagnieren die Einkommen der Mittelschicht in den Industrieländern, während das oberste Perzentil der globalen Einkommensverteilung, d. h. die globalen Superreichen, einen starken Einkommenszuwachs verbuchen konnte. Die Einkommensunterschiede zwischen Arm und Reich innerhalb der einzelnen Staaten sind daher gestiegen. Fazit: Es gibt zwei Gewinnergruppen der Globalisierung – die globalen Reichen/Superreichen und die Mittelklasse in den Schwellenländern, und eine Verliererin – die Mittelklasse in den Industrieländern. Das bietet den aktuellen Nährboden für RechtspopulistInnenà la Strache, Orban, Le Pen, Trump etc.

Drittens, führt die Globalisierung zu einer intensivierten Ausbeutung von natürlichen Ressourcen und ist mitverantwortlich für den Klimawandel. Der internationale Handel, insbesondere im Rahmen von globalen Produktionsnetzwerken ist der zentrale Treiber für die Zunahme des Transports. So kam es zu einer Verdoppelung des Energieeinsatzes im globalen Transportwesen in den letzten 30 Jahren. Die höchsten Steigerungsraten entfielen dabei auf den internationalen Flug- und Schiffsverkehr. Der Anteil des Verkehrs an den globalen Emissionen steigt stark, so sind diese in der EU zwischen 1990 und 2014 von 15 % auf 23 % gestiegen.

Viertens, brachte die Globalisierung einen Verlust demokratischer Handlungsspielräume auf nationaler Ebene, aber kaum einen Zugewinn solcher auf supra- bzw. internationaler Ebene. Dafür ausschlaggebend ist insbesondere die Erosion des gesellschaftlichen Kräfteverhältnisses im keynesianischen Wohlfahrtsstaat als Folge der Aufwertung der internationalen Ebene im Zuge der Globalisierung. Dies begünstigte jene Akteure, die über größere räumliche Mobilitäts- und Vernetzungspotenziale verfügen, also vor allem transnationale Unternehmen und Banken/Finanzakteure. Diese konnten ihren Einfluss auf die Politikgestaltung in internationalen Foren bzw. Organi-sationen wie auch auf der nationalen Ebene zulasten von stärker räumlich gebundenen Akteuren wie Gewerkschaften oder sozialen Bewegungen ausbauen.

Schritte zur Globalisierung 4.0

Der bekannte Ökonom Dani Rodrik hat das „politische Trilemma der Weltwirtschaft“ als heuristisches Werkzeug zur Analyse der politischen Optionen im Zeitalter der Globalisierung vorgeschlagen. Das Trilemma verdeutlicht die Beziehungen zwischen den drei Polen (1) nationale Souveränität, (2) Hyperglobalisierung, d. h. eine tiefgehende ökonomische Integration der Weltwirtschaft, und (3) demokratischer Politik. Es postuliert, dass nur jeweils zwei, nicht aber alle drei Pole miteinander vereinbar sind.

Geht man davon aus, dass Nationalstaaten bis auf weiteres die dominante Form politischer Organisation bleiben und ein substanzieller Machttransfer auf die internationale Ebene im Sinne einer demokratischen Global Governance daher nicht realistisch ist und vertritt man zudem die Meinung, dass eine auf die Durchsetzung nationaler Souveränität ausgerichtete und dafür zu autoritären Mitteln greifende Politik kombiniert mit einer vertieften Hyperglobalisierung nicht wünschenswert ist, wird man zu der Schlussfolgerung gelangen, dass jedes emanzipatorische Projekt zwischen Hyperglobalisierung und Demokratie abwägen muss.

VerfechterInnen des guten Lebens für alle sollte diese Wahl leicht fallen. Die Globalisierung muss daher neu gestaltet werden. Während dies bei bestimmten Themen, wie z. B. in der Steuerpolitik oder der Umweltpolitik, eine stärkere internationale Zusammenarbeit erfordert, bedeutet es in anderen Bereichen, wie etwa dem Finanzsektor, der Landwirtschaft oder den öffentlichen Diensten, eine Rücknahme von Liberalisierung und Deregulierung sowie die Förderung regionaler wirtschaftlicher Kreisläufe.

Anders als die Rezepte des Rechtspopulismus würde dieses Projekt konsequent für eine Ausweitung demokratischer Räume auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene eintreten und auf dieser Basis den Primat der Politik über die Wirtschaft wiederherstellen wollen. Globalisierung 4.0 heißt daher primär Rückgewinnung der demokratischen Gestaltungsmacht über eine räumlich und sozial entgrenzte Wirtschaft.