In der aktuellen Debatte um steigende Energiepreise präsentiert Attac ein Modell mit progressiven Tarifen. Der „Energie-Grundanspruch“ unterscheidet sich von bisherigen Vorschlägen – etwa des WIFO – in drei wesentlichen Punkten:
- Attac schlägt vor, den Energie-Arbeitspreis bis zu 50 Prozent des Normverbrauchs je Haushaltsgröße (1) durch Zuschüsse zu deckeln. Für Haushalte, die mehr als der Durchschnitt verbrauchen, sollte als Normverbrauch jedoch nicht der Vorjahresverbrauch, sondern der Durchschnittsverbrauch gelten. Das erhöht den Anreiz Energie zu sparen und ist sozial gerecht: Verbrauchsdaten zeigen, dass die einkommensstärksten Haushalte rund doppelt so viel Gas und 70 Prozent mehr Strom verbrauchen wie die einkommensschwächsten Haushalte.
- Der Verbrauch über dem Normverbrauch sollte nicht nach Marktpreisen, sondern mit progressiven Tarifstufen verrechnet werden. Diese können durch Zuschläge bei der Elektrizitäts- bzw. Erdgasabgabe erreicht werden. Das würde verschwenderischen Luxusverbrauch enorm verteuern und den Energieverbrauch weiter senken.
- Der Energie-Grundanspruch gilt nicht nur für Strom, sondern auch für Gas (und Fernwärme) – und zwar dauerhaft. Die bisherigen WIFO-Vorschläge sind zeitlich und auf Strom begrenzt, was völlig unzureichend ist.
Die Tarifstufen des Energie-Grundanspruchs:
Tarifstufen des Energie-Grundanspruchs, Strom
Tarifstufen des Energie-Grundanspruchs, Gas
Die hier vorgestellten Preismodelle sind als Debattenbeitrag zu verstehen. Die Kosten für einen durchschnittlichen Haushaltsverbrauch sollten etwas über dem Vorjahresniveau stabilisiert, Mehrverbrauch sollte deutlich teurer werden. Beispiele für die konkrete Auswirkung des Attac-Modells auf einen 4-Personen-Haushalt finden Sie hier.
Unterstützung bei unvermeidbarem Mehrverbrauch
Energiearme Haushalte mit unvermeidbarem Mehrverbrauch (etwa für alte ineffiziente Stromheizungen oder elektrische Warmwasserbereitung) müssen gezielt unterstützt werden. Erstens durch eine Energieberatung und Förderungen für den Umstieg auf effiziente Systeme und notfalls kurzfristig durch staatliche Transferleistungen.
Abrechnung durch Energieversorger, Kompensation mit Auflagen
Zur Umsetzung des Modells könnten die Energieversorger die Zuschüsse für den Grundanspruch direkt mit den Mehreinnahmen der progressiven Elektrizitätsabgabe gegenrechnen. Für etwaige Verluste können sie bis zu einer gewissen Höhe durch die öffentliche Hand kompensiert werden. Voraussetzung dafür sollte die Offenlegung der internen Kostenstruktur und das Verbot von Dividenden-Ausschüttungen sowie Auszahlungen von Manager-Boni sein. Übergewinne sollten zusätzlich besteuert werden.
Internationale Vorbilder für progressive Tarife
In Japan, Südkorea, Italien und Kalifornien existieren bereits progressive Tarifmodelle für Elektrizität. In Italien etwa werden die Stromversorger dazu verpflichtet, eine progressive Preiskomponente im Gesamtstrompreis anzubieten. Eine internationale Studie belegt, dass progressive Energietarife den gesamtgesellschaftlichen Energieverbrauch senken. Zusätzlich gibt es derzeit in vielen Ländern Vorbilder für die Deckelung der Energiepreise.
Mittelfristig öffentliche Kontrolle über die Energieproduktion notwendig
„Angesichts der Klimakrise ist es unabdingbar, dass wir als Gesellschaft unseren Energieverbrauch senken. Ein einfacher Preisdeckel leistet dazu keinen Beitrag. Unser Preismodell stellt den Grundbedarf an Energie für alle sicher und verringert verschwenderischen Luxusverbrauch", erklärt Iris Frey von Attac Österreich. "Als Einzelforderung kann das Modell alleine nicht alle Probleme unseres Energiesystems lösen. Die aktuelle Krise zeigt, dass mittelfristig eine öffentliche und demokratische Kontrolle über die Energieproduktion notwendig ist."
Zur Langfassung des Energie-Grundanspruchs mit weiteren Erklärungen und Quellen:
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(1) Durchschnittliche Energieverbräuche, Elektrizität, Einfamilienhaus und Mehrfamilienhaus:
Haushaltsgröße | Durchschnittlicher Energieverbrauch Strom (ohne Warmwasser/mit Warmwasser) |
1-Personen Haushalt (40 m²) | 1.500 kWh/2.000 kWh |
2-Personen Haushalt (70 m²) | 2.400 kWh/3.100 kWh |
3-Personen Haushalt (90 m²) | 2.900 kWh/4.000 kWh |
4-Personen Haushalt (100 m²) | 3.200 kWh/4.800 kWh |
5-Personen Haushalt (130 m²) | 3.800 kWh/6.000 kWh |
6-Personen Haushalt (150 m²) | 4.400 kWh/7.200 kWh |
Durchschnittliche Energieverbräuche, Gas, Mehrfamilienhaus
Haushaltsgröße | Durchschnittlicher Gasverbrauch Mehrfamilienhaus |
1-Personen Haushalt (40 m²) | 5.500 kWh |
2-Personen Haushalt (70 m²) | 10.700 kWh |
3-Personen Haushalt (90 m²) | 14.000 kWh |
4-Personen Haushalt (100 m²) | 16.000 kWh |
5-Personen Haushalt (130 m²) | 20.000 kWh |
6-Personen Haushalt (150 m²) | 22.000 kWh |
Durchschnittlicher Gasverbrauch Ein-/Zweifamilienhaus
Haushaltsgröße | Durchschnittlicher Gasverbrauch Ein-/Zweifamilienhaus | |
1- und 2-Personen Haushalt (100 m²) | 18.000 kWh | |
3- und 4 Personen Haushalt (130 m²) | 24.500 kWh | |
5 und mehr Personen (200 m²) | 38.500 kWh | |
Quellen: Durchblicker, 2020; E-Control Austria, 2004; Klima Aktiv, 2021