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EU-Kommission verliert gegen Amazon: Steuersystem grundlegend reformbedürftig

Attac und VIDC: Wettbewerbsrechtlichen Verfahren gegen einzelne Konzerne sind zu wenig

Das Europäische Gericht hat heute eine Anordnung der EU-Kommission aus dem Jahr 2017 gekippt, wonach Luxemburg von Amazon rund 250 Millionen Euro Steuern aufgrund unerlaubter Steuervorteile nachfordern muss.

Für Attac und das VIDC zeigt dieses Urteil, dass das System internationaler Konzernbesteuerung grundlegend reformbedürftig ist. Denn unabhängig vom heutigen Urteil ist es Amazon bereits gelungen, eine neue kreative Steuerstruktur in Luxemburg zu schaffen, die es ermöglicht trotz steigender Umsätze keine Steuern in Europa zu zahlen. Das europäische Beihilfenrecht hat sich überdies wieder einmal als schwaches Instrument erwiesen, den europäischen Steuersümpfen Paroli zu bieten.

Erster Schritt: Transparenz

„Um Steuertricks und fragwürdigen Deals mit Steuerverwaltungen besser auf die Schliche kommen zu können, braucht es zunächst mehr Transparenz. Deshalb müssen Konzerne verpflichtet werden öffentlich zu machen, wieviel Gewinn sie weltweit in jedem Land machen und wieviel Steuern sie dort zahlen“, fordert Martina Neuwirth vom VIDC.

OECD will System weiter verkomplizieren

Zusätzlich ist eine grundlegende Reform der internationalen Konzernbesteuerung nötig. Tochterfirmen multinationaler Konzerne gelten derzeit steuerrechtlich als eigenständige Unternehmen, die untereinander zu „marktüblichen Verrechnungspreisen“ handeln. Dieses missbrauchsanfällige System ermöglicht es Konzernen, Gewinne mittels verschiedener Techniken, wie Krediten, Lizenz- und Zinszahlungen oder anderen konzerninternen Zahlungen, Gewinne zu verschieben und minimieren.  

„Leider will die OECD mit ihren aktuellen Reformplänen das Verrechnungspreissystem nicht reparieren sondern weiterführen und verkomplizieren“, kritisiert David Walch von Attac Österreich.

Multinationale Konzerne sollte stattdessen steuerrechtlich als Einheit gesehen und ihr Gewinn je nach Wertschöpfung auf jene Länder aufgeteilt werden, in denen ein Konzern aktiv ist. Diese „Gesamtkonzernsteuer“ wird von immer mehr internationalen Expert*innen und Organisationen gefordert.

Hintergrund:

Die Europäische Kommission (EK) ist 2017 zu dem Schluss gekommen, dass Luxemburg Amazon ungerechtfertigte Steuervorteile in Höhe von rund 250 Millionen Euro gewährt hat, wogegen Luxemburg und Amazon Berufung beim Gericht des EuGH eingelegt haben.

Der Fall bezieht sich auf einen Steuerbescheid, den Luxemburg Amazon im Jahr 2003 gewährt und 2011 erneuert hat. Dieser Bescheid bestätigte Amazons Verrechnungspreise, wonach alle europäischen Verkäufe von Amazon von einer Gesellschaft in Luxemburg erfasst wurden und diese Gesellschaft sehr hohe Lizenzgebühren an eine andere Amazon-Gesellschaft in Luxemburg zahlte.

Bei dieser zweiten Gesellschaft handelte es sich um eine Holdinggesellschaft ohne Personal und Aktivitäten in Luxemburg, die nicht der Körperschaftssteuer unterlag. Die operative Gesellschaft zahlte an die Holdinggesellschaft für das Recht an Amazons geistigem Eigentum, und diese jährlichen Zahlungen entsprachen im Durchschnitt 90 % des Betriebsgewinns der operativen Gesellschaft.

Ende 2017 stellte die EK nach einer dreijährigen Untersuchung fest, dass Luxemburg Amazon einen unlauteren Vorteil gewährt hatte, weil es bei der Verrechnungspreisgestaltung eine unangemessene Gewinnaufteilungsmethode verwendet hatte. Laut der EK wurden die steuerpflichtigen Gewinne der Betreibergesellschaft auf 25 % dessen reduziert, was sie in Wirklichkeit waren; was bedeutet, dass 75 % der Gewinne von Amazon unversteuert blieben, wodurch Amazon weniger Steuern als andere Unternehmen zahlen konnte. Die Kommission schätzte, dass Amazon dadurch etwa 250 Millionen Euro gespart hat und forderte Luxemburg auf, diese Summe zurückzufordern.

Das Gericht widerrief die Entscheidung der EK. Gleichzeitig entschied der Gerichtshof zugunsten der Kommission in einer anderen Beihilfesache, die die steuerliche Behandlung von ENGIE durch Luxemburg betrifft. Es ist sehr wahrscheinlich, dass gegen die heutigen Gerichtsurteile Berufung eingelegt wird - so wie es bereits bei mehreren früheren Urteilen zu steuerbezogenen Beihilfefällen der Fall war.