TTIP und Klimaschutz

Die Freihandelspolitik und die Ausweitung der Investorenrechte stellen die Rechte der Investoren  über den Klimaschutz und die Demokratie. Die Ausrichtung der Wirtschaft auf Exporte und internationale Wettbewerbsfähigkeit macht unsere Wirtschaft und Gesellschaft noch abhängiger vom Import und Export von fossilen Brennstoffen und verhindert wichtige Fortschritte in Richtung Energiewende.

Abkommen wie TTIP und CETA führen nicht zu lebenswerteren Gesellschaften. Der Kampf gegen TTIP und CETA ist deshalb auch ein Kampf gegen die Klimaerwärmung, weil TTIP und CETA den Klimaschutz und eine ökologische wie soziale Verbesserungen unmöglich machen.

TTIP und CETA führen zu einer Liberalisierung des Energiemarkts

Unter dem Vorwand, eine Energiesicherung erreichen zu wollen, strebt die EU eine Liberalisierung des transatlantischen Handels mit Energieressourcen und Rohstoffen an. Das Verhandlungsmandat, welches die Mitgliedsstaaten der Europäischen Kommission übertragen haben und die klimapolitischen Herausforderungen unerwähnt lässt, ist in diesem Punkt unmissverständlich: Die Kommission wird angehalten, offenen, transparenten und berechenbaren Handel mit Energieressourcen möglich zu machen und vollen und vor allem andauernden Zugang zu Rohstoffen zu sichern.

Der ehemalige EU-Handelskommissar, Karel De Gucht, hat dies bestätigt, indem er europäischen Konzernen den Import von Rohstoffen und Energieressourcen aus den USA erlauben wollte. Die geheimen Dokumente, die im Mai und Juli 2014 in US-Medien öffentlich gemacht wurden, lassen daran keine Zweifel: Die EU möchte die bisherigen Restriktionen für den Handel mit Erdgas- und Erdölexporten aufheben. Einige Bestimmungen planen, Investments zu erleichtern und CO2-Emissionslizenzen für ausländische Firmen von beiden Seiten des Atlantik erhältlich machen.

TTIP und CETA steigern den Bedarf an Schiefergas und -öl und Teersanden

Frankreich und Deutschland haben diesen Zugang mit dem Argument der diplomatischen Schwierigkeiten mit Moskau ausdrücklich unterstützt. Die Gasimporte aus Russland zu ersetzen, sei notwendig, auch wenn Frankreich und Deutschland beteuerten, dass diese Unternehmung nicht einen Anstieg an Gasimporten bedeuten würde. Sollten die Forderungen der EU bedient werden, würde die nordamerikanische Öl- und Gasindustrie Ölbohrungen in Teersanden im Nordosten verstärken und vermehrt Fracking zur Gewinnung von Schieferöl betreiben. Bohrungen in Teersanden sowie Fracking stellen zwei der umweltschädlichsten Formen der Energiegewinnung dar. Außerdem würde der transatlantische Transport ein hohes Maß an Investments benötigen, um Pipelines, Raffinerien, Verflüssigungs- und Regasifizierungswerke an beiden Seiten des Atlantiks zu errichten.

Schiefergas ebnet nicht den Weg in eine CO2-arme Zukunft

Oftmals argumentieren europäische wie US-amerikanische PolitikerInnen, dass Schiefergas weniger Treibhausgase produziere als etwa Erdöl oder Kohle. Es könne deswegen als Ersatz für Kohle verwendet werden.

Diese Behauptung kann mit drei Gegenargumenten widerlegt werden: Erstens: Studien zeigen, dass der volle Produktionszyklus von Schiefergas – von Bohrungen bis zur Verbrennung – möglicherweise mehr CO2-Emission mit sich bringt als jener von Kohle. Vor allem Schiefergas, das für den Export bestimmt ist, produziert aufgrund der Verflüssigung und Regasifizierung ein erhebliches Maß an CO2. Zweitens rühmt sich die EU damit, dass sie sich den „climate requirements“, die der Weltklimarat (IPCC) festgelegt hat, verschrieben hat. Das Ersetzen eines fossilen Brennstoffs gegen einen anderen widerspricht den Anweisungen des Weltklimarats. Stattdessen wäre es notwendig, den Verbrauch aller fossilen Brennstoffe zu senken. Drittens könnten die enormen Investitionen in die Schiefergasproduktion besser für Strategien für eine Energiewende verwendet werden.

TTIP und CETA sabotieren jetzt schon den Kampf gegen die Klimaerwärmung

Regelungen für den Import und Export und Verbrauch von fossilen Brennstoffen würden mit TTIP und CETA gelockert werden. Diese notwendigen Regelungen werden als Hindernisse wahrgenommen. Im September 2014 verkündete die EU-Kommission zusammen mit Kanada den Abschluss der Verhandlungen über CETA. Ein paar Tage später entregulierte die EU den Import von Ölen, die in Teersanden gewonnen wurden. Dies war kein Zufall, im Gegenteil: Um diese Entregulierung zu erreichen, hatten Steven Harper, der damalige kanadische Premierminister, sowie transnationale Ölkonzerne vermehrt diplomatischen Druck auf europäische Entscheidungsträger ausgeübt. In der Folge stellten sie sicher, dass die Europäische Direktive für Brennstoffqualität keine spezifischen Strafen für Firmen, die an der Produktion, dem Verkauf und/oder dem Verbrauch von Schiefergas verdienen, vorsieht.

Am 2. November, am Tag der Präsentation des neuen Reports des Weltklimarats, besuchte der französische Präsident Francois Hollande die Provinz Alberta, um sich über Möglichkeiten für französische Investments in Teersandbohrungen zu informieren. Die EU und Frankreich bestärken also Kanada beim klimaschädlichen Vorgehen in der Energiepolitik: Ottawa hatte bereits den Austritt aus dem Kyoto-Protokoll verkündet und erklärte, dass es seine Emissionsreduktionsziele nicht erreichen würde. Vor kurzem haben sich die USA unverbindlich dazu bekannt, dass sie bis 2025 eine 26-28 prozentige Reduktion der CO2-Emissionen vom Niveau aus dem Jahr 2005 anstreben. Bedenkt man den Stand der CO2-Emission aus dem Jahr 1990 - -0,43 Prozent -, erscheinen diese halbherzigen Bemühungen noch kläglicher.

TTIP bringt einen Anstieg der Treibhausgase

Eine Auswirkungsstudie, die von der Europäischen Kommission in Auftrag gegeben wurde, bestätigt, dass eine weitere Liberalisierung des transatlantischen Handels einen Anstieg der Treibhausgase – zwischen 4 und 11 Millionen Tonnen pro Jahr, proportional zur Liberalisierungs-Intensität – bedeuten würde. Dieser enorme Anstieg widerspricht klar den „climate requirements“. Aber anstatt Programme zu fördern, die den sorgsamen Umgang mit und die Effektivität der Energiegewinnung weiterentwickeln, stärkt TTIP die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen in Europa.

Die EU erwartet sich, dass sie durch TTIP und CETA Teil eines großen, ökonomischen Projektes werden kann, in dem vermehrt Freihandelsabkommen der neuen Generation geschlossen werden, die die 28 Mitgliedsstaaten in führende Exporteure verwandeln.

Investorenschutz vor Klimaschutz

Indem man das Handelsrecht über die ökologischen Anforderungen stellt und entgegen dem Wunsch der breiten Bevölkerung Investorenrechte ausweitet, verhindert man die Entwicklung und Implementierung politischer Entscheidungen, die eine sozialökologische Transformation vorantreiben. Der kontroverse ISDS-Mechanismus lockert eine Reihe von existierenden Umweltregulierungen der EU und wird negative Effekte auf zukünftige politische Entscheidungen haben.

Diese Bestimmungen, die in TTIP wie in CETA enthalten sind, erlauben Firmen wie etwa der Lone Pine Resources Canada das Moratorium für Fracking, das von der Provinz Quebec beschlossen wurde, nicht einzuhalten. Durch solche Bestimmungen, die auch in anderen bilateralen Abkommen zu finden sind, wird es Firmen wie der kanadischen Gabriel Resources möglich gemacht, Rumänien zu verklagen, da sich das Land auf Drängen der rumänischen Bevölkerung gegen eine angedachte Goldmine sträubte. Dagegen ist es keinem Staat oder keiner öffentlichen Körperschaft erlaubt, eine private Firma zu verklagen, die gegen Umweltschutzrechte verstößt. Transnationale Konzerne sind die Einzigen, die in den Genuss der Vorteile kommen, die vom internationalen Investmentregime, das in CETA – und möglicherweise auch TTIP – kodifiziert wurde, festgelegt wurden.

Um Umweltschäden effektiv durch die Gesetzgebung in Zukunft zu verhindern, darf das internationale Handelsrecht also nicht über den Umweltschutz und auch die Menschenrechte gestellt werden.

Handelsrecht versus Energiewende

Um die Energiewende voranzutreiben, braucht es eine vermehrte Verwendung erneuerbare Energien in allen Gebieten unter Mitwirkung der lokalen Gemeinden, KonsumentInnen und Klein- und Mittelunternehmen oder Kooperativen. Die Freihandelsabkommen werden die Möglichkeiten der Staaten und lokalen Gemeinden signifikant reduzieren, Veränderungen in diese Richtung zu unterstützen.

Laut dem Schlusstext von CETA, das einen Prototyp für TTIP darstellt, können Staaten, Regionen, Gemeinden oder auch die EU keine Regulierungen implementieren oder beibehalten, die mit den Interessen der investierenden Konzernen nicht einhergehen. Außerdem ist es diesen nicht erlaubt, diese Konzerne zur Kooperation mit lokalen oder nationalen Wirtschaftstreibenden zu zwingen und Konzernexpertise und Immaterialgüterrechte, die angewandte Technologie oder den Prozess betreffen, lokal zu verbreiten.

Zudem wird es unmöglich, lokale Wirtschaftsakteure, deren Unternehmen von Exporten abhängen, bevorzugt staatlich zu fördern. Denn solche politischen Eingriffe werden vom internationalen Handelsrecht als störend für den freien Handel und die freie Entscheidung der ausländischen Investoren angesehen. Präzedenzfälle haben bereits die Risiken für öffentliche Behörden aufgezeigt, da die erwähnten Maßnahmen in einigen Fällen schon gesetzt wurden. Das Entwicklungsprogramm für erneuerbare Energien in Ontario wurde aufgrund von Druck aus Japan und der EU aufgegeben. Die USA verklagten Indien vor dem Schiedsgericht der WTO, da die indische Regierung ein Programm zur Förderung der Solarindustrie unterstützte, welches von internationalen Konzernen verlangte, Solarzellen für ihre Standorte in Indien zu erwerben.

Die rechtliche Autorität lokaler Behörden ist ein unverzichtbares Mittel, um erneuerbare Energien auf der lokalen Ebene einzuführen, und darf deswegen nicht beschnitten werden.

Welthandel macht CO2-Emissionen unsichtbar

Durch den internationalen Freihandel können CO2-Emissionen, die bei gehandelten Gütern und Dienstleistungen entstehen, unbemerkt von einem Land zum anderen verschoben werden. Diese Emissionen ergeben sich aus der Produktion dieser Güter und Dienstleistungen sowie der Produktionsmittel, welche sie benötigen, und machen laut Studien 28 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen aus, während 1990 dieser Anteil erst 18 Prozent war.

Emissionen, die beim Güterhandel entstehen, steigen schneller an als die gesamten Emissionen: +4,3 Prozent pro Jahr (ein Mittelwert aus den Jahren 2000 bis 2008) zu +3,4 Prozent. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass der Welthandel stärker anwächst als die nationalen Bruttoinlandsprodukte.

Ähnlich wie im generellen Welthandel, wo es Länder gibt, die mehr exportieren als importieren und vice versa, kann bei den globalen CO2-Ausstößen auch festgestellt werden, dass manche Länder ihre Emissionen exportieren und andere importieren. China etwa ist ein großer „Nettoexporteur“ von Emissionen, 27 Prozent aller chinesischen Emissionen werden exportiert. Der Handel mit Emissionszertifikaten verändert die Emissionsentwicklung in einigen Ländern. In Frankreich sind nach offizieller Berechnung die Emissionen um 7 Prozent im Zeitraum von 2000 bis 2010 zurückgegangen, EU-weit haben sich die Ausstöße um 6 Prozent reduziert. Richtet man sich nach den Emissionen, die bei Import und Export von Gütern entstehen, so stiegen sie in dieser Periode um 15 Prozent an, EU-weit 9 Prozent.

Das bedeutet, dass durch den Welthandel der ökologische Fußabdruck einzelner Länder unsichtbar gemacht und anderen Ländern zugeschrieben wird. Letztere sind meistens ärmer und deswegen Emissionsimporteure. KonsumentInnen in reicheren Ländern beeinflussen also durch ihre Kaufentscheidung die internationalen Emissionsstände.

Conclusio

TTIP und CETA oder weiter gefasst alle Freihandels- und Investmentabkommen werden den internationalen Handel mit fossilen Brennstoffen anregen und verstärken. Die Abhängigkeit der Mitgliedsstaaten der EU von fossilen Brennstoffen wird noch stärker werden und die Nutzung von nicht-konventionellem Erdgas wird auf beiden Seiten des Atlantiks vermehrt auftreten.

Ist diese Aussicht vereinbar mit dem Ziel der Bundesregierung , eine Reduktion der Emissionen von mindestens 40 Prozent bis 2020 und 80 bis 95 Prozent bis 2050 gegenüber 1990 zu erreichen.

(Quelle: Attac Frankreich, Übersetzung Attac Deutschland)