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Neuer Bericht: UNCTAD rechnet mit neoliberaler Globalisierung ab

Welthandelsorganisation propagiert langjährige Attac-Forderungen

Die Welthandelsorganisation UNCTAD wird heute beim Treffen von Weltbank und IWF in Washington DC einen neuen Bericht vorstellen (1). Dieser rechnet schonungslos mit der gegenwärtigen neoliberalen Globalisierung ab: Die Macht globaler Banken, internationaler Konzerne und ihrer Verbündeten in den Regierungen haben eine neoliberale Weltordnung geschaffen, die für Finanzkrisen, steigende Ungleichheit und die Klimakrise verantwortlich ist.

Attac fasst die wichtigsten Punkte zusammen:

Kritik an Sonderklagerechten für Konzerne

WTO, IWF und der Weltbank sowie eine Vielzahl von Handels- und Investitionsverträgen haben es dem Finanzsektor und Konzernen ermöglicht, ihre Profitinteressen grenzenlos auch auf ehemals öffentliche Bereiche auszuweiten. Gleichzeitig schränken sie die Möglichkeit von Regierungen ein, Handel und Kapitalströme im Allgemeininteresse zu regulieren. Sonderklagerechte für Konzerne (ISDS) geben ausländischen Investoren zusätzlich ein unangemessen hohes Maß an Einfluss in Fragen staatlicher Regulierung.

WTO-Regeln für geistiges Eigentums fördern riesige Konzernmonopole und verhindern dringend benötigte öffentliche Güter in Entwicklungsländern. Public-Private-Partnerships sind eine "Plünderung der Gemeinschaftsgüter", verteuern öffentliche Dienstleistungen und schaffen vorrangig Profitquellen für private Investoren.

Schrankenloses Kapital führt zu groteskem Ausmaß an Ungleichheit

Auf Druck der WTO und des Finanzsektors wurden immer mehr globale Regeln im Interesse von Banken und großer Konzerne geschaffen. Das weltweite Finanzvermögen entsprach 1980 etwa der Weltwirtschaftsleistung, 2016 ist es auf das Vierfache explodiert und hat sich völlig von der Realwirtschaft entkoppelt. Dieses enorm konzentrierte Finanzvermögen kann durch die Abschaffung von Kapitalverkehrskontrollen global nahezu unreguliert fließen. Die Folgen:

• Die Verhandlungsmacht des Kapitals gegenüber arbeitenden Menschen ist stark gestiegen. Konzerne können Löhne und Arbeitsbedingungen weltweit unter Druck setzen. „Extreme Ungleichheiten innerhalb und zwischen vielen Ländern haben dadurch ein groteskes Ausmaß erreicht“, so der Bericht.

• Der starke Zu- und plötzliche Abfluss von Kapitalströmen führt zu Finanzkrisen und verschärft die Ungleichheit: Schrankenlose Kapitalströme haben nicht vorrangig Investitionen, Produktivitätsgewinne oder Arbeitsplätze zum Ziel, sondern kurzfristige Profite durch toxische Finanzprodukte, Schneeballsysteme oder Spekulation.

• Die Regierenden haben nach der Krise Billionen Dollar in das globale Finanzsystem gepumpt ohne es dabei effektiv zu regulieren.

Der Neoliberalismus bietet keine Lösung für die Klimakatastrophe

Noch mehr als die Finanzkrise ist die Klimakrise der größte Fall von „Marktversagen“ der Geschichte. Selbst WTO-Untersuchungen zeigen, dass Handels- und Investitionsabkommen zu mehr CO2-Ausstoß führen und damit die Klimakrise verschärfen. Der CO2-Anstieg ist zu einem großen Teil auf Emissionen der reichsten 10 Prozent der Welt zurückzuführen. Doch unter zunehmendem Artenverlust, Bodenerosion, Meeresverschmutzung oder extremen Wetterereignissen leiden die ärmsten Bevölkerungsgruppen in vielen Entwicklungsländern am stärksten. Die sozialen Folgen werden zu mehr Migration führen.

Die Lösung dafür sind nicht mehr Globalisierung oder marktbasierte Anreize. Auch Steueranreize bei CO2-Preisen sind kein Allheilmittel. Jegliche Lösung braucht starke staatliche Regulierungen und eine langfristige Diversifizierung der Investitionen.

UNCTAD propagiert langjährige Attac-Forderungen

Der Bericht kommt zum Schluss, dass die Regeln des multilateralen Handels-, Investitions- und Währungssystems grundlegend reformiert werden müssen. „Viele der Vorschläge des Berichts decken sich mit Forderungen, die Attac bereits seit 20 Jahren erhebt“, erklärt Elisabeth Klatzer von Attac Österreich. Dazu zählen:

-    die Regulierung des Finanzsektors sowie der privaten Finanzströme
-    neue Handels- und Investitionsregeln die dafür den größtmöglichen Spielraum bieten sowie lokale Innovations-,  Industrie- und Sozialpolitik ermöglichen
-    die Kündigung von Freihandelsabkommen und bilateralen Investitionsverträgen, die demokratische Handlungsspielräume einschränken
-    eine progressive Besteuerung von Vermögen, Unternehmen und Kapitaleinkommen
-    das Ende der neoliberalen Kürzungspolitik und verstärkte öffentliche Investitionen in soziale Infrastruktur und in saubere Verkehrs- und Energiesysteme
-    höhere Löhne (im Gleichschritt mit den Produktivitätszuwächsen) sowie sichere Arbeitsverhältnisse

WTO & Co. für Attac nicht reformierbar

Die UNCTAD propagiert in ihrem Bericht einen erneuerten – auf Kooperation basierenden – Multilateralismus. „So sehr wir der Analyse des Berichts und der Forderung nach internationaler Kooperation zustimmen, so wenig erscheint uns dabei eine Reform bestehender Institutionen wie der Weltbank, des IWF oder der WTO möglich. Diese Institutionen agieren seit Jahrzehnten als Anwälte der Konzerninteressen der Industrieländer und sind nicht reformierbar. Sie müssen Kompetenzen verlieren, um lokale demokratische Handlungsspielräume im Interesse der Mehrheit zurückzugewinnen. Es ist dringend nötig die politische Macht und den Einfluss der Konzerne zu brechen. Daneben braucht es eine starke globale Institution, in denen alle Staaten gleichberechtigt teilhaben können und die Handel und Konzerne wirksam regulieren“, erklärt Klatzer.

(1) New GDP Center/UNCTAD Report:  A New Multilateralism for Shared Prosperity: www.bu.edu/gdp/a-new-multilateralism-for-shared-prosperity/



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Weitere Schlaglichter des Berichts:

- Das Top 1 Prozent hat seit 1980 27 Prozent des Gesamtwachstums bei Einkommen verbuchen können, die unteren 50 Prozent hingegen nur 12 Prozent.

- Der Rückgang extremer Armut beschränkt sich hauptsächlich auf China und Teile Ostasiens, also auf Länder die sich dem neoliberalen Modell widersetzen. Abseits Chinas ist die Weltwirtschaft durch geringes Wachstum im Norden, unsicheres Wachstum im Süden und eine zunehmende weltweite Ungleichheit gekennzeichnet.

- Der IWF hat verschuldete Staaten mit seinen neoliberalen Kürzungsauflagen trotz katastrophaler Ergebnisse in den 80er (Lateinamerika) und 90er Jahren (Ostasien, Afrika) ab 2010 auch in Griechenland wiederholt.

- Die Ausbreitung globaler Wertschöpfungsketten hat in Industriestaaten zu einer Deindustrialisierung und einer schrumpfenden Mittelschicht beigetragen. Die Lohnabhängigen im Süden haben durch einen verstärkten Wettbewerb um Arbeitsplätze in Ballungsräumen geringer profitiert als möglich.