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Dämme gegen die Tobinsteuer brechen

ExpertInnen: Devisenmärkte sind "ineffizient" und "müssen reguliert werden"

Der Rektor der Universität Linz, Rudolf Ardelt, war sichtlich beeindruckt: Waren zu den ersten öffentlichen Campus-Gesprächen "kaum mehr Zuhörer als Veranstalter" gekommen, so lockte das Thema Globalisierung und Tobin-Steuer gestern Abend 150 Interessierte in die Johannes Kepler Universität.

Cornelia Staritz von ATTAC Österreich bezeichnete die Devisenmärkte als "ineffizient". Gerade fünf Prozent der grenzüberschreitenden Geldtransaktionen würden für realwirtschaftliche Zwecke wie Handel oder Direktinvestitionen verwendet, der Rest sei reine Spekulation. "Die Finanzmärkte haben ihre eigentliche Funktion, die der Finanzierung, weitgehend verloren." Stephan Schulmeister sekundierte, dass das durchschnittliche Devisengeschäft gerade noch 20 Minuten dauerte. Der manisch "manisch-depressive" Charakter der Finanzmärkte führe zu hohen Kursausschlägen und Krisen, die wiederum Unbeteiligte beträfen. Rainer Bartel, Professor für Volkswirtschaft an der Universität Linz, meinte, dass Volkswirtschaften, die von Währungskrisen heimgesucht werden, zwar nach wenigen Jahren wieder zum Wachstum zurückfänden, dass aber Arbeitslosigkeit und Armut in der Regel weit länger andauerten.

Staritz listete die Vorteile der Tobinsteuer, die sie "nicht als Allheilmittel, sondern als Baustein in einer globalen Finanzarchitektur verstanden wissen wollte, auf. Zum einen würde sie die Devisenmärkte stabilisieren. Zum anderen könnte die Tobinsteuer den Nationalstaaten etwas von ihrer verlorenen Autonomie zurückgeben, etwa in der Zinspolitik. Wilhelm Kohler, Vorstand des Instituts für Volkswirtschaft an der Universität Linz, erklärte dies an einem Beispiel: Eine Tobinsteuer von 0,5 Prozent würde bei einer dreimonatigen Anleihe einen Zinsunterschied zwischen zwei Ländern von 4 Prozent egalisieren und somit die Kapitalabwanderung verhindern. Der Effekt: Nationalstaaten könnten ihr Zinsniveau senken, um die Wirtschaft anzukurbeln, ohne fürchten zu müssen, dass sich das Kapital in Hochzinsländer verlagert.

Schließlich käme als "sehr wichtiger Nebeneffekt" Einnahmen in der Größenordnung von 50 bis 300 Milliarden Dollar zustande, womit brennende globale Armuts- und Umweltprobleme bekämpft werden könnten. Staritz: "Einerseits wächst die Schere zwischen Arm und Reich enorm an, andererseits geht die öffentliche Entwicklungshilfe sogar in absoluten Zahlen zurück, im Vorjahr von 56 auf 53 Milliarden Dollar."

Kohler lastete der Tobinsteuer an, dass sie die Spekulationsblase an der Wall-Street nicht verhindern hätte können. Den darauf gebrachten Einwand von ATTAC, die Tobinsteuer mit "nationalen" Börsenumsatzsteuern zu koppeln, bezeichnetet er als "konsistent". Dennoch wünschte er sich lieber gleich eine Weltwährung, dann bräuchte es keine Tobinsteuer. Der Wirtschaftsforscher Stephan Schulmeister meinte daraufhin, dass es für den "Globo" zu früh sei, weil man unterschiedlich entwickelte Volkswirtschaften wie "Zaire und die USA" nicht in ein Währungsgemeinschaft packen könne. Die Erfahrungen von Thailand, der Türkei und Argentinien würden dies bestätigen. Hingegen plädierte Schulmeister für ein gemeinsames Vorgehen der Notenbanken Japans, der EU und er USA, um für´s erste die Wechselkurse zwischen Euro, Dollar und Yen zu stabilisieren. Staritz wies darauf hin, dass dies ebenfalls eine ATTAC-Forderung sei, die sich bestens mit der Tobinsteuer kombinieren ließe. Den Notenbanken würde sogar noch Arbeit abgenommen, weil die Tobinsteuer gerade die "gemütliche" Spekulation zwischen den Weltwährungen effizient absorbieren könnte und somit den Interventionsaufwand der Zentralbanken verringern würde.

Während an der technischen Durchführbarkeit kaum Zweifel bestanden, rückte die Frage ins Zentrum, ob alle Staaten mitmachen müssten, um die Verlagerung des Devisenhandels in Steuerparadiese zu verhindern. Staritz meinte, dass die EU für den Anfang ausreiche und dass sie die Verlagerung von Spekulationen mit dem Euro in Nicht-Euro-Länder durch eine "Euro-Ausfuhrsteuer" in der Höhe der Tobinsteuer effizient vermeiden könne.

Rainer Bartel beleuchtete die Einnahmenseite der Tobinsteuer und meinte, dass sie selbst dann ein Erfolg wäre, wenn sie fast alle spekulativen Transaktionen verhindern und somit fast kein Steueraufkommen zeitigen würde, weil dann die Stabilität der Weltwirtschaft zunehmen und das Steueraufkommen aus dem regulären Wirtschaftsleben höher und stabiler wäre.

Friedrich Schneider, Vizerektor der Universität Linz, resümierte: "Dass die Finanzmärkte reguliert werden müssen, ist unbestritten." Seine Hauptsorge war die Institution, die für die Einhebung der Tobinsteuer zuständig sein könnte. Staritz erwiderte, dass sowohl die Einhebung durch die Nationalstaaten möglich sei als auch die Schaffung einer Weltsteuerbehörde im Rahmen des UN-Systems. "Die Tobinsteuer öffnet das Kapitel der internationalen Besteuerung, deshalb ist die politisch auch so wichtig." Als nächster Schritt könne eine höhere Besteuerung des Faktors Kapital in Angriff genommen werden, der sich durch die Globalisierung einer angemessenen Besteuerung entziehe und dadurch Nationalstaaten in Finanzierungsnöte bringe. Auch hier sei die Tobinsteuer "ein erster Schritt ", so Staritz.

Von Staritz direkt gefragt, meinte Schneider: "Ich habe nichts gegen die Tobinsteuer." Und: "Die Universitäten haben den Auftrag, diese Ideen aufzugreifen, um ihre Umsetzung zu ermöglichen."