Der EU-Hauptausschuss des Parlaments hat gestern die Bundesregierung dazu verpflichtet auf europäischer Ebene für Steuertransparenz für Konzerne (public Country-by-Country-Reporting) zu stimmen und „eine weitere Verzögerung des Verfahrens zu verhindern“. (1) Der mit den Stimmen von SPÖ, Grünen und FPÖ angenommene Antrag ist für die aktuelle und folgende Regierung bindend.
Für Attac, das VIDC und die KOO ist der Beschluss ein großer Erfolg und das Ergebnis des jahrelangen Einsatzes der Zivilgesellschaft auf nationaler und internationaler Ebene. „Damit endet die jahrelange Blockadehaltung der österreichischen Regierungen, die verhinderte, dass Steuertricks multinationaler Konzerne ans Licht kommen“, erklären die Organisationen.
Lösung nun zum Greifen nah
Eine europäische Lösung für mehr Steuertransparenz für Konzerne ist nun zum Greifen nah. Denn erst am 28. November 2019 verfehlte ein entsprechender Beschluss im EU-Wettbewerbsrat nur um eine Stimme die erforderliche qualifizierte Mehrheit unter den EU-Staaten. Mehrere Regierungen hatten zuletzt auch mit formalen Gründen versucht, eine Lösung auf EU-Ebene zu blockieren. (2) Mit einer jetzt - durch die veränderte Position Österreichs - möglichen Mehrheit im EU-Rat wird der Weg für die finalen Verhandlungen zwischen Regierungen, Kommission und EU-Parlament frei.
Hintergrund:
Durch Steuerhinterziehung multinationaler Konzerne verlieren die Staaten weltweit jährlich rund 500 Milliarden Euro. Seit vielen Jahren fordern zivilgesellschaftliche Organisationen die Regierungen auf, für Transparenz in der Steuerpraxis internationaler Konzerne wie Apple, Google und Co zu sorgen. Entscheidend dafür sind öffentliche länderweise Konzernberichte („public country by coutry reporting“). Darin müssten Konzerne unter anderem veröffentlichen, wie viel Gewinn sie in welchem Land deklarieren und wie viel Steuern sie dafür bezahlen.
Öffentliche Konzernberichte liefern nicht nur wichtige Informationen - sie dämmen Steuervermeidung sogar unmittelbar ein. Eine Studie zeigt, dass sich der Steuerbeitrag von zu mehr Transparenz verpflichteten Banken erhöht, vor allem dann, wenn sie in Steuersümpfen aktiv sind. Auch Entwicklungsländer, die am Austausch der Steuerbehörden nicht teilnehmen, würden von mehr Transparenz profitieren. Investor*innen würden zudem einen Einblick in die Steuerstrategien und finanziellen Risiken von Konzernen bekommen. Deshalb hat erst im September die „Global Reporting Initiative“ (einer der weltweit wichtigsten Standards für Nachhaltigkeitsberichte) Standards zur Steuertransparenz aufgenommen.
Auf EU-Ebene liegt ein entsprechender Gesetzesvorschlag der Kommission bereits seit 2016 vor – er ist allerdings noch stark verbesserungswürdig. Entgegen des EU-Parlaments und entgegen der existierenden Regelung bei Rohstoffkonzernen und Banken will die Kommission die öffentliche Berichtspflicht auf Konzerntöchter in EU-Staaten und auf gelistete „Steueroasen“ beschränken. Steuer- und Gewinndaten aus allen anderen Staaten sollen hingegen zu einer Zahl zusammengefasst werden können. Somit bliebe weiter unklar, ob und in welche Länder Gewinne steuerschonend verschoben werden.
---
(1) Im Antrag heißt es: „Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert, jegliche Maßnahmen zur Steuergerechtigkeit auf europäischer Ebene zu forcieren und bei der nächsten Abstimmung im Rat dem Dossier für die transparente (veröffentlichte) länderspezifische Berichterstattung (public Country-by-Country-Reporting) ihre Zustimmung zu erteilen und damit eine weitere Verzögerung des Verfahrens zu verhindern“.
(2) Mehrere Staaten, darunter Österreich, Zypern, die Tschechische Republik, Estland, Ungarn, Irland, Lettland, Luxemburg, Malta, Slowenien und Schweden argumentierten dabei, dass ein entsprechender Beschluss unter geänderter Rechtgrundlage als Steuermaterie zu treffen sei und dementsprechend Einstimmigkeit erfordere. Dies ignoriert jedoch bestehende Berichtspflichten für Banken die bereits seit 2013 im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens ohne Bedenken hinsichtlich der Rechtsgrundlage eingeführt wurden