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Journalist*innen, Wissenschaft und NGOs fordern einfachen Zugang zu Eigentümerregistern

Offener Brief an EU-Kommission zur Reform der EU-Geldwäscherichtlinie

Rund 200 Unterzeichner*innen, darunter Journalist*innen von Spiegel und Handelsblatt, die Investigativjournalisten Stefan Melichar (Profil), Michael Nikbakhsh (Dunkelkammer) und Josef Redl (Falter), der Antikorruptionsexperte Martin Kreutner, die prominenten Wissenschaftler Thomas Piketty und Gabriel Zucman sowie zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen in Europa: Sie alle fordern die EU-Kommission auf, einen einfachen und kostenlosen Zugang zu den nationalen Registern der wirtschaftlichen Eigentümer für Medien, die Wissenschaft und NGOs mit legitimen Interesse zu unterstützen. Der offene Brief wurde von Transparency International koordiniert.

Der ursprünglich öffentliche Zugang zu den nationalen Registern wurde Ende November 2022 durch ein viel kritisiertes Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gekippt. Österreich und einige andere, transparenzfeindliche EU-Staaten schlossen den Zugang sofort.

Am 11. Mai 2023 beginnen nun die Verhandlungen zwischen EU-Kommission, EU-Parlament und EU-Regierungen zur 6. EU-Geldwäscherichtlinie, im Rahmen derer über Verbesserungen bei der Ausgestaltung der Register wirtschaftlicher Eigentümer entschieden wird. Konkret fordern die Unterzeichnenden die EU-Kommission in einem offenen Brief auf, dabei die starke Position des EU-Parlaments zu unterstützen. Dessen Vorschläge sehen neben einem weitreichenden Zugang unter anderem auch die Stärkung der vorgeschlagenen Anti-Geldwäsche-Behörde sowie die Senkung des Schwellenwerts für die Offenlegungspflicht von 25 auf 15 Prozent Eigentumsanteil vor.

Transparenz hilft gegen Korruption, Geldwäsche oder Steuerbetrug

„Intransparente Eigentumsverhältnisse spielen eine wesentliche Rolle bei der Verschleierung von Korruption, Geldwäsche oder Steuerbetrug. Sie erschweren auch die Durchsetzung der Sanktionen gegen russische Oligarchen massiv“, erklärt Kai Lingnau von Attac Österreich. „Der breite öffentliche Zugang zu Daten über wirtschaftliches Eigentum ist daher von entscheidender Bedeutung, um Verbrechen zu erschweren oder aufzudecken.“

„Je einfacher der Zugang insbesondere für zivilgesellschaftliche Organisationen, Journalist*innen und die Wissenschaft ist, desto effektiver sind diese Transparenz-Register“, ergänzt Martina Neuwirth vom VIDC. „Denn es waren Medien und Whistleblower und nicht die Behörden, die große Skandale aufgedeckt haben – etwa bei der Veröffentlichung der Panama Papers.“

Attac und VIDC fordern Transparenz auch von österreichischer Regierung

Obwohl der EuGH in seinem Urteil den Zugang für berechtigte Gruppen für rechtskonform erklärt hat, hat Österreich – als einer von wenigen EU-Staaten – den Zugang zum österreichischen Register komplett geschlossen. ORF-Journalist Martin Thür wurde sogar eine ausführlich begründete Anfrage verweigert (Quelle). In den meisten EU-Staaten blieben die Register mit Einschränkungen zugänglich. Attac und das VIDC fordern daher insbesondere auch die österreichische Regierung auf, diese Transparenzblockade beenden, den starken Vorschlag des EU-Parlaments in den kommenden EU-Verhandlungen zu unterstützen und die bisherigen Schwächen des österreichischen Registers zu reparieren. Neben Österreich zählen auch Luxemburg, Malta, Zypern und Deutschland zu jenen Staaten, die Transparenzbemühungen bei wirtschaftlichen Eigentümer*innen skeptisch gegenüberstehen.

Journalist*innen und Zivilgesellschaft vor Vergeltungsmaßnahmen schützen

Da die EU wahrscheinlich eine Registrierung für Nutzer*innen der Register vorschreiben wird, fordern die Unterzeichnenden die EU zudem auf, die Anonymität der Nachforschenden zu wahren und so vor Vergeltungsmaßnahmen von Kriminellen zu schützen. Diese Gefahr ist real: So wurde etwa die maltesische Journalistin Daphne Caruana Galizia 2017 mit einer Autobombe ermordet. Der slowakische Journalist Ján Kuciak wurde 2018 erschossen, der griechische Enthüllungsjournalist Giorgos Karaivaz 2021. Sie alle recherchierten regelmäßig zu Firmen und deren Geldströmen sowie zu organisierter Kriminalität.

„Informationen über die Identität dürfen zum Schutz der Anfragenden in keinem Fall den betroffenen Unternehmen oder Eigentümer*innen übermittelt werden, wie dies auch das österreichische Finanzministerium praktiziert hat“, erklärt Lingnau. Das Ministerium wurde für diese Vorgehensweise auch von Reporter ohne Grenzen kritisiert.