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Neue Studie zu Steuermissbrauch: Reiche Staaten als Verursacher – ärmere Staaten als Leidtragende

483 Mrd. Dollar nur "Spitze des Eisberges" / „Globale Steuerregeln in der UNO statt in der OECD festlegen“

Eine neue Studie - herausgegeben vom Tax Justice Network, Public Services International und der Globalen Allianz für Steuergerechtigkeit - errechnet, dass den Staaten jährlich 483 Milliarden US-Dollar durch Steuermissbrauch multinationaler Konzerne (312 Milliarden Dollar) und Vermögende (171 Milliarden Dollar) verloren gehen. Für Österreich errechnet die Studie Verluste von knapp 1,7 Milliarden Dollar (rund 1,5 Milliarden Euro).

Diese Summen ergeben sich aus der Analyse der von multinationalen Konzernen gemeldeten und von Regierungen erhobenen Daten. Sie sind jedoch nur die Spitze des Eisberges: Laut IWF betragen die indirekten Steuerverluste durch Konzerne das Dreifache, da ihre Gewinnverschiebungen das Steuerdumping bei den Steuersätzen stark anheizen. Der Gesamtverlust durch Konzern-Gewinnverschiebungen läge global somit bei weit über 1 Billion Dollar. (1) Dazu Miroslav Palanský vom Tax Justice Network: „Wir sehen nur, was über der Oberfläche liegt, aber wir wissen, dass der Steuermissbrauch darunter viel größer ist.“

Drei Viertel verursachen die reichen OECD-Staaten

Mehr als drei Viertel der weltweiten Steuerausfälle verursachen die reichen OECD-Staaten, indem Konzerne und Vermögende deren missbrauchsanfällige Steuerregeln ausnutzen. (2) Die Leidtragenden davon sind vor allem Länder mit niedrigen Einkommen, die relativ gesehen die größten Verluste zu tragen haben. (3)

Ärmere Staaten ohne Mitspracherecht

Während die OECD-Staaten diese globalen Steuerregeln gestalten, haben ärmere Staaten wenig bis kein Mitspracherecht diese Missstände zu ändern. „Das zeigen auch die OECD-Pläne für eine globale Mindeststeuer, die fast ausschließlich den reichen Staaten zusätzliche Einnahmen bringen wird, während die ärmsten Staaten leer ausgehen“, kritisiert David Walch von Attac Österreich. Die Ergebnisse der Studie untermauern somit die Forderung der Organisationen, dass die internationalen Steuerregeln nicht länger in der OECD, sondern im Rahmen der Vereinten Nationen gestaltet werden müssen. (4)

Weiters fordern sie die internationale Einführung von Vermögenssteuern sowie eine Extra-Steuer auf exzessive Gewinne, die multinationale Konzerne während der Pandemie erzielen.

„Steuerregeln demokratisch und transparent auf UN-Ebene festlegen“

Dereje Alemayehu, Koordinator der Globalen Allianz für Steuergerechtigkeit, sagt: „Wie ihre kolonialen Vorfahren bestimmen heute die reichen Länder internationalen Steuerregeln, während die Reichsten der Gesellschaft die ärmsten Länder ausbluten lassen. Um diese globale Ungleichheit zu bekämpfen, müssen die Steuerregeln demokratisch und transparent auf UN-Ebene festgelegt werden – und nicht hinter verschlossenen Türen durch einen kleinen Club reicher Länder.“

Alex Cobham, Exekutivdirektor des Tax Justice Network, sagt: „Unsere Studie zeigt die hauptverantwortlichen Länder für den globalen Steuermissbrauch. Es ist an der Zeit, sie zur Rechenschaft zu ziehen. Wir müssen das globale Steuersystem ändern, damit es dem Wohlergehen der Menschen und nicht den Interessen der Reichsten dient. Sonst werden sich die enormen Ungleichheiten, welche die Pandemie offenbart, weiter verschärfen.“

Anmerkungen:

(1) Während diese Extrapolation auf globaler Ebene sinnvoll ist, ist es nicht möglich, die Verluste einzelner Länder mit dem globalen Faktor des IWF zu multiplizieren, da die komplexe Natur der globalen Steuersümpfe und unterschiedliche Gewinnverschiebungen dazu führen, dass die indirekten Verluste in einigen Ländern höher und in anderen niedriger ausfallen.

(2) Allein Großbritannien und seine abhängigen Gebiete sind mit den OECD-Mitgliedern Niederlande, Luxemburg und Schweiz für mehr als die Hälfte der weltweiten Steuerausfälle verantwortlich. Dennoch steht kein einziges OECD-Mitglied auf der schwarzen Liste der Steuersümpfe der EU.

(3) Während Länder mit hohen Einkommen 9,7 Prozent ihrer öffentlichen Gesundheitsbudgets verlieren, machen die Verluste in Ländern mit niedrigeren Einkommen fast 48 Prozent ihrer öffentlichen Gesundheitsbudgets aus.

(4) Der Ruf nach einer Verlagerung der Zuständigkeit von der OECD zu den Vereinten Nationen wird mittlerweile auch vom „High Level Panel on International Financial Accountability (FACTI) unterstützt. Es fordert eine UN-Steuerkonvention, die Einrichtung einer UN-Beobachtungsstelle für Steuerrecht und eines zwischenstaatlichen UN-Forums zu Steuern.

Für Rückfragen zur Studie:

Tax Justice Network: Mark Bou Mansour, +447562403078 (UK), media@taxjustice.net
Public Services International: Leo Hyde, +337700 59557 (Frankreich), leo.hyde@world-psi.org
Globale Allianz für Steuergerechtigkeit: Lays Ushirobira, +5511975486755 (Brasilien), lays@globaltaxjustice.org