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Ranking: Schweiz und USA wichtigste Schattenfinanz-Zentren

EU stellt die Falschen an den Pranger / Österreich an 35. Stelle im schlechteren Drittel

Ein noch immer weitgehend intransparentes globales Finanzsystem breitet den Schutzmantel über korrupte Eliten, SteuerbetrügerInnen und steuerhinterziehende Konzerne. Das ist nicht nur eine der wesentlichen Gründe für die stark zunehmende globale Ungleichheit zwischen Arm und Reich. Der Schaden, der den öffentlichen Haushalten dadurch entsteht, ist in Zahlen kaum erfassbar (1). Für viele Menschen sind die Folgen unmittelbar und dramatisch - sei es durch den fehlenden Zugang zu Trinkwasser und andere öffentliche Dienstleistungen in Afrika oder zunehmenden Druck auf Sozialsysteme in vielen Industriestaaten.

Der heute veröffentlichte Schattenfinanzindex 2018 des Tax Justice Networks zeigt, welche Staaten illegale Finanzströme besonders anlocken: Es sind nicht vorrangig die fernen (Karibik-)Inseln sondern viele der wichtigsten Industriestaaten der Welt. Der Index listet 112 Länder und ist die weltweit umfassendste Untersuchung dieser Art. Er wird in Österreich von Attac und dem VIDC mitherausgegeben. (2)

Warum die „Schwarzliste“ der EU nutzlos ist

Während die EU mit ihrer aktuellen „Schwarzliste“ ein paar wirtschaftlich und politisch schwache Länder an den Pranger stellt, beruht der Schattenfinanzindex auf einer Vielzahl überprüfbarer Daten und berücksichtigt dabei auch die Größe eines Finanzplatzes. „Die neun Staaten auf der „EU-Schwarzliste“ kommen zusammen nur auf einen mickrigen Anteil von 0,16 Prozent am Markt für grenzüberschreitende Finanzdienstleistungen. Selbst wenn sie alle vollständig transparent wären - die globalen Auswirkungen wären vernachlässigbar“, erklärt David Walch von Attac Österreich. (Mit Ausnahme Bahrains auf Platz 17 belegen die von der EU gelisteteten Länder im Index vorwiegend die hinteren Plätze.)

Der Schattenfinanzindex hingegen zeigt, dass vorrangig reiche und mächtige Staaten vom großen Volumen anonymer und illegitimer Finanzströme profitieren. Sie bieten ein beträchtliches Ausmaß an Intransparenz. Sechs der zehn wichtigsten Schattenfinanzzentren sind OECD-Staaten oder deren Schutzgebiete, drei sind wichtige asiatische Volkswirtschaften. „Die Top Ten verfügen gemeinsam über 60 Prozent des Weltmarktanteils an Offshore-Finanzdienstleistungen. Mehr Transparenz in diesen Staaten würde nicht nur ökonomisch viel bewirken, sondern auch andere Länder politisch unter Druck setzen, Verbesserungen umzusetzen“, sagt Martina Neuwirth, VIDC.

Top 10 des Schattenfinanzindex:



(Einen Link zur Kurzbeschreibung aller Top Ten-Platzierten finden Sie am Ende der Aussendung.)

Platz 1: Die Schweiz bleibt die wichtigste Transparenzwüste der Welt

Die wichtigste Transparenzwüste der Welt ist – wie schon in den vergangenen Jahren -  die Schweiz. Ihr ohnehin hoher Geheimhaltungswert hat sich 2018 noch einmal verschlechtert. Banken in der Schweiz managen mehr als 2,5 Billionen Euro ausländischen Vermögens und erreichen damit einen Anteil von 25 Prozent am Weltmarkt. Mehr als die Hälfte der in den Panama Papers untersuchten Briefkastenfirmen wurde von Schweizer Banken eingerichtet. Genf beherbergt einen der ältesten und größten Freeports (Zoll – bzw. Steuerfreihafen) der Welt, in dem Kunst und Wertgegenstände in Milliardenhöhe anonym und steuerfrei aufbewahrt und gehandelt werden.

Platz 2: Die USA auf dem Weg zu „America First“

Die USA rücken im Index 2017 auf Platz 2 vor. Sie bieten großzügige Geheimhaltung sowie Steueranreize und entwickeln sich immer mehr zum letzten Hafen für illegales Vermögen. Der Marktanteil der USA bei Offshore-Finanzdienstleistungen wuchs seit 2015 um 14 Prozent. Die USA verweigern etwa standhaft die Teilnahme am automatischen Informationsaustausch zwischen Steuerbehörden. Zudem werben einzelne Bundesstaaten besonders offensiv damit, dass sich dort anonyme Briefkastenfirmen und Trusts sehr einfach gründen lassen um Geld zu verstecken.

Platz 3: Die Cayman-Islands – ein Schattenfinanz-Riese

Die Cayman-Islands sind relativ gesehen das größte Schattenfinanzzentrum. Ausländische Vermögen übersteigen das nationale BIP um das 1.500fache. Die Inseln sind das globale Zentrum für Hedgefonds, beherbergen den weltweit zweitgrößten Schattenbankenmarkt und sind mit 176 Banken das achtgrößte Finanzzentrum der Welt. Ein Großteil der Finanzaktivitäten wird aufgrund der geografischen Nähe von der Wall Street gesteuert.

Die versteckte Nummer 1: Das Doppelspiel des Vereinigten Königreichs

Auf den ersten Blick hat Großbritannien auf Platz 21 Schritte für mehr Transparenz gesetzt. Doch Banken aus London stehen im Zentrum eines Netzwerks von Steuersümpfen in britischen Überseegebieten auf der ganzen Welt – von den Cayman-Islands über Guernsey bis zu den British Virgin Islands. Die britische Regierung betreibt also ein Doppelspiel: Trotz Verbesserungen im Inland lehnt sie mehr Transparenz in diesen Gebieten ab und legt auf EU-Ebene eine schützende Hand über sie.

Österreich: Nur ein Land der EU-Schwarzliste ist schlechter platziert

Österreich liegt im Schattenfinanzindex 2018 weiter im vorderen Drittel auf dem 35. Platz. Beim Geheimhaltungswert liegt Österreich im Mittelfeld. Vergleicht man die Platzierung Österreichs mit den neun Ländern der EU-Schwarzliste, wird im Index bemerkenswerterweise nur ein einziges Land schlechter als Österreich bewertet (nämlich Bahrain auf Platz 17). Den größten Verbesserungsbedarf zeigt der Index für Österreich bei der Transparenz von Eigentum und Unternehmen. So gibt es in Österreich weder öffentlich zugängliche Register über die wirtschaftlichen EigentümerInnen von Stiftungen und Treuhandschaften noch öffentliche länderweise Berichte von multinationalen Konzernen (mit Ausnahme der EU-Vorgaben bei Banken und Rohstoffkonzernen). Bei Unternehmen und Immobilien existieren mit dem Firmen- und Grundbuch zwar zugängliche Register, diese sind jedoch nicht kostenlos oder zumindest kostengünstig zugänglich. „Österreich war durch internationalen Druck gezwungen, sein Bankgeheimnis zu lockern. Dadurch wurde Einiges möglich, wie etwa die Teilnahme am automatischen Datenaustausch. Jetzt scheint sich Österreich aber angesichts neuer internationaler Transparenzinitiativen wieder einzuigeln“, bedauert Martina Neuwirth (VIDC).

Politische Fortschritte im Schneckentempo

Steuerskandale, Leaks und steigende Staatsschulden als Folge der Finanzkrise haben in den vergangenen Jahren zu langsamen Verbesserungen in Richtung mehr Transparenz geführt. Insgesamt sind diese Fortschritte jedoch noch immer unzureichend (3): Selbst das transparenteste Land des Index – Slowenien – erzielt noch einen hohen Geheimhaltungswert von 41,8. (Null = ideale Transparenz, 100 = völlige Intransparenz). Internationale Gremien wie die OECD aber auch die EU haben bisher sehr niedrige Mindeststandards festgelegt. (3) Das ist auch wenig verwunderlich. Wie der Schattenfinanzindex zeigt, profitieren viele der mächtigsten Staaten von diesem System. Sie sind es auch, die politische Fortschritte auf internationaler Ebene blockieren oder verwässern. Am stärksten unter der Gewinnverschiebung multinationaler Konzerne und illegitimer Finanzabflüssen leiden dabei die Länder des globalen Südens, vor allem die mit ohnehin niedrigem Einkommen. Besonders dramatisch ist, dass genau sie von politischen Fortschritten ausgeschlossen bleiben. (4)

Regierungen sollen sich an den Kriterien des Index orientieren

„Anstatt mit dem Finger auf andere zu zeigen, sollte die EU selbst entscheidende Maßnahmen für mehr Transparenz umsetzen“, fordert Markus Meinzer, Projektleiter des Schattenfinanzindex, Tax Justice Network.  „Der Schattenfinanzindex bietet den Regierungen eine Richtschnur für mehr Transparenz im Finanzsektor und damit auch ein Werkzeug gegen Steuerbetrug und die wachsende globale Ungleichheit“, erklärt Meinzer.

Für Attac und VIDC zählen zu den wichtigsten Maßnahmen:

•    Öffentliche Register über die wirtschaftlichen EigentümerInnen von Unternehmen, Immobilien, Stiftungen und Trust (bzw. Treuhandschaften) sowie NutzerInnen von Freeports (Zoll- bzw. Steuerfreihäfen), in denen Luxusgüter versteckt werden
•    Öffentliche länderweise Finanzberichte multinationaler Konzerne über ihre weltweiten Tätigkeiten sowie öffentlicher Zugang zu Steuerabsprachen zwischen Konzernen und Staaten
•    Evaluierung und Verbesserung des weiterhin löchrigen automatischen Informationsaustauschs von Steuerdaten (3)

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Deutschsprachige Detailberichte:

-    Eine Kurz-Beschreibung der Top Ten des Index finden Sie <link file:5597>hier. (ACHTUNG! Die links im Dokument führen bis 30.1.2018 abends zu den Detailberichten von 2015. Die aktuellen Detailberichte zu den Top Ten finden Sie gesammelt <link file:5619>hier.)
-    Der Schattenfinanzindex wird <link file:5596>hier genauer erklärt.
-    Österreichs Detailergebnisse für die 20 Indikatoren des Index finden Sie <link file:5595>hier.

-    Das komplette Ranking der 112 Länder finden Sie <link file:5593>hier.

Ausführliche Länderberichte sowie genauere Informationen zur Methodologie des Index in englischer Sprache auf Anfrage - bzw. ab 30.1.2018, 18 Uhr auf <link http: www.financialsecrecyindex.com moz-txt-link-abbreviated>www.financialsecrecyindex.com.

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(1) <link https: www.wider.unu.edu sites default files wp2017-55.pdf>Nach Schätzungen gehen den Staaten weltweit rund 500 Milliarden Dollar durch die Gewinnverschiebungen von multinationalen Konzernen verloren. Das in Steuersümpfen geparkte Privatvermögen wird vom Tax Justice Network auf 20 bis 30 Billionen Dollar geschätzt.

(2) Der Schattenfinanzindex errechnet sich aus dem von 20 Indikatoren errechneten Geheimhaltungswert und dem Anteil des jeweiligen Landes am globalen Markt für grenzüberschreitende Finanzdienstleistungen. Mehr Infos: <link file:5596>Was ist der Schattenfinanzindex?

(3) Ein automatischer Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden wurde zwar grundsätzlich ab 2017/18 vereinbart. Doch die Staaten dürfen sich dabei aussuchen, ob und mit wem sie Daten austauschen - ohne dass sie politischen Druck oder wirtschaftliche Sanktionen zu befürchten haben. Nicht mit dabei sind die USA. Zudem existieren zahlreiche große Schlupflöcher im System. (<link http: derstandard.at wie-oesterreich-stiftungen-in-liechtenstein-anonymitaet-gewaehrt>Wie Österreich Stiftungen in Liechtenstein Anonymität gewährt.) Und ausgerechnet den ärmsten Ländern wird die Teilnahme am Austausch erschwert. Sie haben oft nicht die Kapazitäten, um selbst automatisch Daten zu liefern und dürfen daher auch keine erhalten.

Die EU hat 2015 im Rahmen der 4. Anti-Geldwäscherichtlinie beschlossen, Register für die wirtschaftlichen EigentümerInnen von Firmen, Stiftungen, Trust u.a. Vehikeln einzuführen. Diese sind aber nicht ausreichend, gewährt sie doch der Öffentlichkeit nur bei „berechtigtem Interesse“ Zugang zu den Daten. Bei der Überarbeitung der EU-Richtlinie wurden im Dezember 2017 zwar Fortschritte erzielt - darunter ein öffentliches Register für die wahren EigentümerInnen von (Briefkasten)-Firmen. Trusts (und österreichische Trust-ähnliche Treuhandschaften) werden aber weiterhin nur bei "berechtigtem Interesse" öffentlich zugänglich sein.

2013 beschloss die EU, dass Banken und Rohstoff-Unternehmen länderweise Finanzberichte veröffentlichen müssen. Damit werden Gewinnverlagerungen in Steuersümpfe leichter erkennbar. Diese öffentliche Berichtspflicht sollte EU-weit auf alle multinationalen Unternehmen ausgedehnt werden – Österreich sprach sich bislang dagegen aus.

(4) Gerade den ärmsten 'Entwicklungsländern', die überproportional von Steuerflucht betroffen sind, wird beispielsweise die Teilnahme am Automatischen Informationsaustausch schwer gemacht, da sie nicht über die Kapazitäten verfügen, selbst automatisch Daten zu liefern und daher auch keine erhalten. Die internationale Duldung von Schattenfinanzzentren führt sogar eher dazu, dass Länder wie Kenia selbst zu einem solchen werden wollen. So ist das ostafrikanische Kenia (im Index auf Rang 27) gerade dabei, ein extrem <link http: www.vidc.org fileadmin bibliothek dp neuwirth nifc_final_08032017.pdf>intransparentes internationales Finanzzentrum zu schaffen – <link http: www.vidc.org fileadmin bibliothek dp neuwirth nifc_final_08032017.pdf>zum Schaden der ganzen Region.

Rückfragen:

Martina Neuwirth, VIDC
<link moz-txt-link-abbreviated>neuwirth@vidc.org
+43 664 520 68 78

David Walch, Attac Österreich
<link moz-txt-link-abbreviated>presse@attac.at
+43 650 544 00 10

Markus Meinzer, Projektleiter des Schattenfinanzindex, Tax Justice Network
Erreichbar ab Dienstag 30.1.2018
<link moz-txt-link-abbreviated>markus@taxjustice.net
+49 178 340 5673