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Trübe Aussichten für mehr Steuertransparenz für Konzerne

EU-Verhandlungen: Gewinne könnten noch stärker in außereuropäische Steuersümpfe verlagert werden

Die EU-Verhandlungen über öffentliche länderweise Finanzberichte für in der Union tätige multinationale Konzerne befinden sich derzeit in einer entscheidenden Phase. Doch die Aussichten auf eine wirklich wirksame Steuertransparenz sind trüb, wie 62 europäische Organisationen heute warnen - darunter die Arbeiterkammer, Attac, der ÖGB und das VIDC.

Gewinnverschiebungen in Steuersümpfe blieben weiter im Dunkeln

Derzeit verhandeln EU-Regierungen, Kommission und EU-Parlament. Die dritte und letzte Verhandlungsrunde soll am 1. Juni stattfinden. Setzen sich – wie aktuell zu befürchten – Regierungen und Kommission durch, droht eine zahnlose Variante. Multinationale Konzerne müssten dann nur Daten über Steuerzahlungen und Gewinne in EU-Staaten und einigen wenigen - von der EU gelisteten - Ländern (1) veröffentlichen. Alle übrigen weltweiten Konzern-Aktivitäten blieben völlig intransparent. Missbräuchliche Steuerkonstruktionen wären so kaum zu analysieren und bekämpfen. (2)

„Eine derart schwache Einigung könnte sogar dazu führen, dass Konzerne ihre Gewinne noch stärker in Gebiete außerhalb der EU verschieben, um die Offenlegungspflichten zu umgehen. Zu diesen Gebieten zählen beispielsweise die drei wichtigsten Steuersümpfe für Konzerne, die Britischen Jungferninseln, die Kaimaninseln und Bermuda. Das läge wohl im Interesse der Konzerne, aber sicher nicht der Menschen in Europa“, kritisiert David Walch von Attac Österreich. Französische Medien deckten erst kürzlich auf, dass die Position der französischen Regierung von einem Mitglied der französischen Konzernlobby MEDEF verfasst wurde.

Auch EU-Parlament will weltweite Berichtspflicht

Das EU-Parlament verlangt eine weltweite, nach allen Ländern aufgeschlüsselte, Berichtspflicht. Die 51 Organisationen fordern die Regierungen und die portugiesische Ratspräsidentschaft daher auf, diesbezüglich eine rasche Einigung mit dem EU-Parlament zu erzielen. „Um die enormen Kosten und Folgen der COVID-19-Pandemie bewältigen zu können, ist es auch nötig, der Steuervermeidung von Konzernen zu begegnen. Effektive Steuertransparenz für Konzerne ist dazu ein wesentlicher Beitrag. Der vorliegende Vorschlag hingegen ist ungenügend. „Was sich „öffentliche Finanzberichte“ nennt, muss echte Transparenz beinhalten“, fordert Martina Neuwirth vom VIDC.

Ein schwacher Kompromiss stünde auch im Gegensatz zu den derzeitigen Transparenzplänen der USA. Denn der US-Kongress hat kürzlich ein Gesetz eingebracht, das eine vollständige, öffentliche und globale länderspezifische Berichterstattung vorschreibt.

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(1) Nach aktuellem Informationsstand soll die Veröffentlichungspflicht auch für Niederlassungen in Ländern auf der grauen und schwarzen EU-Liste gelten. Die Erstellung der Liste ist politisch motiviert. Sie enthält derzeit für Steuervermeidung großteils irrelevante Staaten und wird zudem laufend überarbeitet, was eine effektive Umsetzung der Berichtspflichten unwahrscheinlich macht.

(2) Weitere Schwachpunkte in den aktuellen EU-Plänen: Sowohl Regierungen und Kommission als auch EU-Parlament wollen nur Konzerne mit über 750 Millionen Euro Umsatz zu mehr Steuertransparenz zu verpflichten. Damit wären aber rund 90 Prozent aller multinationalen Konzerne gar nicht betroffen. Konzernen soll es zudem überlassen werden, mittels einer Ausstiegsklausel jene Daten geheim zu halten, die sie selbst als „sensibel“ einstufen.