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TTIP: ISDS-„Reformen“ verschlimmern die Probleme anstatt sie zu lösen

Multilateraler Investitionsgerichtshof ist reines Ablenkungsmanöver

Attac Österreich und das Seattle to Brussels Netzwerk kritisieren die Vorschläge von EU-Handelskommissarin Malmström Konzern-Klagerechte (ISDS) im geplanten Handelsabkommen EU-USA (TTIP) "reformieren" zu wollen.(1)

"Keiner von Malmströms Reformvorschlägen löst die grundlegenden Probleme von ISDS. Sie sind in erster Linie Kosmetik und ein Versuch, ISDS akzeptabler zu machen.(2) Die Kommissarin ignoriert dabei völlig das Grundproblem: ISDS gewährt ausländischen InvestorInnen Sonderrechte, die sonst niemand in der Gesellschaft hat - ohne dass InvestorInnen im Gegenzug Verpflichtungen bei Umweltschutz, Sozial-, Gesundheit-, oder Sicherheitsstandards eingehen müssen. Damit geht eine enorme Machtverschiebung weg von unabhängigen Gerichten und hin zu privaten und gewinnorientierten AnwältInnen einher", kritisiert David Walch von Attac Österreich.

Selbst wenn sich - wie nun vorgeschlagen wird - InvestorInnen zwischen ISDS und nationalen Gerichten entschieden müssen, können sie weiterhin ordentliche Gerichte umgehen. Auch der Vorschlag für mehr Unabhängigkeit von SchiedsrichterInnen ist völlig unzulänglich. Eine vorab definierte Liste von RichterInnen verhindert keineswegs die Nominierung gewinnorientierer und investorenfreundlicher SchiedsrichterInnen. Diese müssen zudem nur die Qualifikation als RichterIn, nicht aber ein Richteramt vorweisen. Der von Malmström behauptete Schutz des "Rechts auf Regulierung" kann mit den vorgesehenen vagen Formulierungen wie "faire und gerechte Behandlung" nicht erreicht werden. Auch eine geplante bilaterale Berufungsstelle ändere nichts an den grundlegenden Problemen. Zudem sei die Umsetzung fraglich. Die Kommission beteuerte mehrfach eine Berufungsstelle in CETA schaffen zu wollen, was jedoch nicht geschehen ist. Auch die USA haben seit 2002 in ihren Abkommen derartige Berufungsmöglichkeiten angekündigt aber nie umgesetzt.

Multilateraler Investitionsgerichtshof ist reines Ablenkungsmanöver

"Malmströms Vorschlag eines multilateralen Investitionsgerichtshofs hat rein gar nichts mit CETA und TTIP zu tun", kritisiert Walch. Dieses Ablenkungsmanöver soll nur dazu dienen KritikerInnen zu besänftigen. Die Grundsätze eines solche Gerichtshofes - Unabhängigkeit, Objektivität und Gerechtigkeit - stehen in krassem Widerspruch zu dem, was die Kommission in CETA ausgehandelt hat und mit TTIP beabsichtigt. Sie zeigt daher auch keinerlei Anstrengungen einen derartigen Gerichtshof in TTIP oder CETA zu integrieren. Zudem würde es Jahre brauchen, einen solchen Gerichtshof zu etablieren. Mit TTIP als Blaupause für künftige Abkommen werden auch alle Bemühungen auf Ebene der UNO konterkariert, BürgerInnen Zugang zu internationalen Gerichten zu verschaffen, wenn ihre Rechte von InvestorInnen verletzt werden.

Malmström an BürgerInnen: "Vielen Dank, aber wir machen weiter wie bisher"


Malmströms Reformankündigungen sind vor allem ein Schlag ins Gesicht der Öffentlichkeit. Bei der von der EU-Kommission durchgeführten Befragung im vergangenen Jahr haben sich 97 Prozent von rund 150.000 EU-Teilnehmenden gegen Konzern-Klagerechte ausgesprochen - darunter auch Unternehmensverbände und Teile der Regierungen. "Dass die Kommission trotz dieser klaren Botschaft der BürgerInnen an dieser Paralleljustiz festhält, zeigt, dass sie die Wünsche der Konzerne über die Interessen der Menschen stellt", sagt Walch.

US-Konzerne können dank CETA in jedem Fall gegen demokratische Gesetze vorgehen

"ISDS im CETA-Abkommen mit Kanada wird US-Investoren ermöglichen, etwaige Änderungen in TTIP durch Klagen über ihre kanadischen Tochterunternehmen zu umgehen", warnt Walch. Denn auch die als Reformen verkauften Änderungen bei Konzernklagerechten in CETA sind rein kosmetischer Natur. Die Kommission weigert sich die Verhandlungen darüber wieder zu öffnen, obwohl sie selbst gravierende Mängel eingesteht. Walch: "Der Investorenschutz in CETA bietet keinen ausreichenden Schutz für Regulierungen im öffentlichen Interesse."

TTIP würde den Umfang an geschützten Investitionen enorm ausweiten

Für Attac existiert schlichtweg keine Notwendigkeit für Klagerechte für Konzerne in TTIP. Dies beweist allein das enorme Volumen transatlantischer Investitionen und die Tatsache, dass sich immer mehr Länder weigern Investitionsabkommen zu unterzeichnen, die ISDS beinhalten oder sogar bestehende Abkommen, die ISDS enthalten, kündigen.

TTIP würde Umfang an Investitionsströmen, welche von ISDS erfasst werden dramatisch erhöhen. Derzeit deckt ISDS nur 8 Prozent der in der EU tätigen US-Unternehmen ab. TTIP würde für alle Investitionsströme und mehr als 47.000 US-Unternehmen neue Möglichkeiten schaffen, unliebsame politische Maßnahmen anzugreifen. InvestorInnen haben aktuell bereits 30 Milliarden Euro Entschädigung von EU-Mitgliedstaaten erwirkt. "Die Rechnung dafür bezahlen die EU-SteuerzahlerInnen", kritisiert Walch.
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(1) Die Vorschläge zur weiteren "Reform" von ISDS in TTIP sollen InvestorInnen dazu zwingen, zwischen nationalen Gerichten und ISDS zu wählen. Sie beinhalten die Möglichkeit eines Berufungsverfahrens, eine feste Liste von SchiedsrichterInnen und neue Formulierungen zum "Recht auf Regulierung".

(2) Eine detaillierte Analyse der Vorschläge des Seattle to Brussels Netzwerk finden Sie in deutscher Übersetzung unter:

bit.ly/1zM1TWn