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Ranking: USA und Cayman Islands überholen Schweiz als wichtigste Schattenfinanz-Zentren

Österreich weiterhin im schlechten ersten Drittel / Steuertransparenz, internationale Kooperation und öffentliche Register für Eigentum nötig

Korrupte Eliten, Steuerbetrüger*innen und Steuern hinterziehende Unternehmen – der heute bereits in 6. Auflage veröffentlichte Schattenfinanzindex 2020 des Tax Justice Network zeigt, welche Staaten illegale und illegitime Finanzströme durch Geheimhaltung besonders anlocken. Der Index listet 133 Länder und kombiniert dabei den Grad an Geheimhaltung mit der Größe des Finanzplatzes. (1) Er ist die weltweit umfassendste Untersuchung dieser Art und wird in Österreich von Attac und dem Vienna Institute for International Dialogue and Cooperation (VIDC) mit herausgegeben.

Erstmals seit Erstellung des Index liegt die Schweiz nicht mehr an erster Stelle. Angeführt wird das Ranking nun von den Cayman Islands, gefolgt von den USA. Die Schweiz liegt auf Rang 3. Neben den aufstrebenden Schattenfinanzzentren Hong Kong und Singapur (Platz 4 und 5) liegen mit Luxemburg und den Niederlanden auch zwei EU-Staaten unter den Top 10 des Index (Platz 6 und 8). Österreich konnte sich gegenüber 2018 nicht verbessern und liegt im oberen schlechten Drittel auf Platz 36

Transparenz nimmt etwas zu  – Rückschritte bei USA, Großbritannien und Cayman Islands

In Summe dokumentiert der Index leichte Verbesserungen an Transparenz im globalen Finanzsystem – vor allem weil Staaten verstärkt am automatischen Informationsaustausch der Steuerbehörden teilnehmen (2), das Bankgeheimnis schwächen oder verlangen, dass die wirklichen Eigentümer*innen von Gesellschaften und Immobilien in einem Register erfasst werden. (3) Doch vor allem anglo-amerikanische Finanzzentren wie die Cayman Islands, die USA und Großbritannien trotzen diesem internationalen Trend.

Wenig Fortschritte gibt es auf globaler Ebene bei der Steuertransparenz von Konzernen. Obwohl immer mehr Konzerne bereits freiwillig ihre Steuer- und Gewinndaten veröffentlichen, gibt es auch in der EU immer noch keine Offenlegungspflichten (4).

„Der jahrelange Kampf der Zivilgesellschaft gegen Steuerhinterziehung von Vermögenden und Unternehmen sowie gegen Geldwäsche und Korruption zeigt langsam aber stetig Wirkung. Der Schattenfinanzindex bietet den Regierungen eine Richtschnur für mehr Transparenz im Finanzsektor. Damit ist er auch ein Werkzeug gegen Steuerbetrug und die wachsende globale Ungleichheit“, erklären Martina Neuwirth vom VIDC und David Walch von Attac Österreich. Dennoch zeigt der Index, dass für alle Staaten Verbesserungen nötig sind.

Die Top 10 des Schattenfinanzindex 2020:

1.            Cayman Islands
2.            USA
3.            Schweiz
4.            Hongkong
5.            Singapur
6.            Luxemburg
7.            Japan
8.            Niederlande
9.            Britische Jungferninseln
10.          Vereinigte Arabische Emirate
36.          Österreich

Cayman Islands: Mehr Intransparenz bedeutet mehr Risiko für das globale Finanzsystem

Die Cayman Islands, im letzten Ranking von 2018 auf Platz 3, haben den Titel als wichtigstes Schattenfinanzzentrum ‚redlich‘ verdient. Der aktuelle Index dokumentiert eine deutliche Zunahme an Intransparenz seit 2018. Das Volumen an Finanzdienstleistungen für nichtansässige Personen stieg gleichzeitig um 21 Prozent. Die Cayman Islands sind das globale Zentrum für Hedgefonds, die Briefkastenfirmen, Trusts und Limited Partnerships für ihre intransparenten Geschäfte nutzen. Ein Großteil der Finanzaktivitäten wird aufgrund der geografischen Nähe von der Wall Street gesteuert. Dies erhöht die Risiken für das globale Finanzsystem. Auch Konzerngewinne werden in hohem Ausmaß auf die Inseln verschoben. Ausländische Vermögen übersteigen das nationale BIP der Caymans bereits um mehr als das 1.500-fache.

Warum die USA die Schweiz überholt haben

Die USA bleiben auf Platz 2 des Index, überholen aber das bisher wichtigste Schattenfinanzzentrum Schweiz. Entgegen aller Versprechen ist es weiterhin möglich, gestohlenes Geld in den Vereinigten Staaten zu parken. Die USA verweigern die Teilnahme am automatischen Informationsaustausch der Steuerbehörden. Das Ausmaß an Geheimhaltung hat sich sogar noch erhöht – etwa durch ein neues Gesetz, das intransparente Privatstiftungen in New Hampshire ermöglicht. Doch der Druck auf die USA steigt – nicht zuletzt durch Untersuchungen wie den Schattenfinanzindex. Für 2020 sind daher einige Gesetze in Planung, um das US-Finanzsystem besser vor Missbrauch zu schützen. (3)

Die Schweiz ‚verbesserte‘ sich auf den dritten Rang, weil das Volumen an Finanzdienstleistungen für nichtansässige Personen sank. Auch der hohe Geheimhaltungswert verringerte sich, weil die Schweizer Steuerbehörden mehr als bisher Steuerdaten automatisch mit anderen Ländern austauschen. Doch das berühmte Schweizer Bankgeheimnis bietet vor allem Vermögenden aus Entwicklungsländern noch immer Schutz, da diesen Ländern die wirtschaftliche Macht als Hebel für entsprechende Abkommen fehlt.

Größter Anstieg an Intransparenz in Großbritannien

Großbritannien hat sich im Index vom 23. auf den 12. Platz vorgeschoben und verzeichnet die größte Zunahme an Intransparenz. Dieser Trend setzt sich auch in seinen Überseegebieten und Kronbesitzungen fort. Von ihnen erhält die City of London einen großen Teil seiner intransparenten Finanzströme – darunter die Cayman Islands (Platz 1), die Britischen Jungferninseln (Platz 9) und Guernsey (Platz 11). „Mit dem Brexit ist diese Entwicklung in Großbritannien insbesondere für die EU-Staaten eine große Gefahr“, erklärt John Christensen vom Tax Justice Network.

Österreich weiterhin im schlechten ersten Drittel – Nachbar Slowenien am transparentesten

Österreich liegt im Index trotz vieler neu aufgenommener Länder im schlechten ersten Drittel des Negativrankings und hat sich seit 2018 nur um einen Platz, von 35 auf 36, verbessert. (Siehe dazu Österreichs Abschneiden bei den Indikatoren sowie den ausführlichen englischsprachigen Länderbericht). Österreich schneidet vor allem bei der internationalen Zusammenarbeit, wie dem automatischen Datenaustausch, gut ab. Den größten Verbesserungsbedarf zeigt der Index für Österreich weiterhin bei der Transparenz von Eigentum und Unternehmen. Das Firmen- und Grundbuch sind zwar öffentlich, aber nicht kostengünstig zugänglich (über 10 Euro pro Abfrage). Das Register der wirtschaftlichen Eigentümer*innen von Unternehmen, Stiftungen und bestimmten Treuhandschaften ist ab Jänner 2020 nur eingeschränkt öffentlich zugänglich, auch dies nicht kostenlos. (4) „Überdies gehört Österreich noch immer zu jenen Ländern, die sich dagegen sträuben, dass multinationale Konzerne öffentlich berichten müssen, wo sie tätig sind und wie viel Steuern sie dort zahlen“, bedauert Martina Neuwirth (VIDC). (5)

Welche Verbesserungen möglich sind, zeigt ein Vergleich mit Nachbar Slowenien, der mit dem geringsten Geheimhaltungswert aller Länder auf Platz 128 liegt: Das Land, in dem es weder Trusts, noch Treuhandschaften, noch Privatstiftungen gibt, kann vor allem damit punkten, dass viele Informationen kostenlos frei zugänglich sind. Dazu gehören insbesondere Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer*innen von Unternehmen. Jahresabschlüsse sind ebenfalls kostenlos einsehbar, und die Daten sind im Open Data-Format durchsuch- und herunterladbar.

Drei Forderungen für mehr Transparenz, Unterstützung für Länder des Globalen Südens

Durch Steuerbetrug und Steuervermeidung gehen den Staaten und damit der Allgemeinheit jährlich noch immer mehrere hundert Milliarden Euro verloren. (6) Für das Tax Justice Network, Attac und das VIDC sind im Kampf gegen Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Korruption drei Maßnahmen entscheidend:

•  Kein anonymer Besitz: Die rechtlichen und wirtschaftlichen Eigentümer*innen von Unternehmen, Immobilien, Stiftungen oder Trusts sollten in allen Ländern registriert und öffentlich zugänglich gemacht werden. Das kann am besten durchgesetzt werden, wenn das mächtige globale Antikorruptionsgremium, die Financial Action Task Force (FATF), die Einrichtung solcher Register in ihre Standards aufnimmt.

•    Mehr Steuertransparenz von Konzernen: Die Staaten sollten multinationale Konzerne zu länderweisen Finanzberichten über ihre weltweiten Tätigkeiten verpflichten sowie die Steuerabsprachen zwischen Konzernen und Staaten veröffentlichen.

•    Effektivere internationale Kooperation: Es braucht eine Verbesserung des nach wie vor löchrigen automatischen Informationsaustauschs von Steuerdaten.


Die NGOs fordern daher, den Druck für mehr Transparenz zu erhöhen. „Dabei macht es wenig Sinn Schwarzlisten zu erstellen, auf denen ohnehin nur politisch und wirtschaftlich schwache Staaten landen. Stattdessen sollten direkt die Akteur*innen, die keine Steuern zahlen wollen, ins Visier genommen werden“, fordert David Walch von Attac. Beispielsweise könnten die Staaten Unternehmen, die in Ländern ohne öffentliche Eigentümer*innen-Register oder verpflichtende länderweise Finanzberichte ansässig sind, höhere Transparenzauflagen verordnen.

Länder des globalen Südens leiden nach wie vor am stärksten unter der Gewinnverschiebung multinationaler Konzerne und illegitimen Finanzströmen „Deswegen ist es besonders dramatisch, dass die meisten sogenannten Entwicklungsländer weiterhin nicht von den globalen Reformen profitieren können“, meint Martina Neuwirth vom VIDC. „Österreich muss sich in der EU und bei der OECD dafür einsetzen, dass diese Länder einen gerechteren Anteil an den Steuereinnahmen erhalten und dass sie am internationalen automatischen Austausch von Steuerdaten beteiligt werden, auch wenn sie selbst noch keine Daten liefern können.“
 

Weitere Informationen:

Das komplette Ranking der 133 Länder finden Sie hier:

Das Abschneiden Österreichs in den 20 Schattenfinanz-Indikatoren des Index finden Sie hier.

Das ausführliche Österreichdossier (englisch) finden Sie hier.

Eine ausführliche Erklärung des Schattenfinanzindex finden Sie hier.

Link zur internationalen Seite des Schattenfinanzindex 2020: http://fsi.taxjustice.net 

Anmerkungen:

(1)     Der Schattenfinanzindex errechnet sich aus dem von 20 Indikatoren errechneten Geheimhaltungswert und dem Anteil des jeweiligen Landes am globalen Markt für grenzüberschreitende Finanzdienstleistungen. Der Schattenfinanzindex wird hier ausführlich erklärt.

(2)     Der automatische Informationsaustausch zwischen Steuerbehörden begann 2017, doch einen weltweiten Austausch von Steuerdaten gibt es noch nicht. Denn die Staaten dürfen sich dabei aussuchen, ob und mit wem sie Daten austauschen - ohne dass sie politischen Druck oder wirtschaftliche Sanktionen zu befürchten haben. Zudem existieren noch zahlreiche große Schlupflöcher. Und ausgerechnet den ärmsten Ländern wird die Teilnahme am Austausch erschwert. Sie haben oft nicht die Kapazitäten, um selbst automatisch Daten zu liefern und dürfen daher auch keine erhalten.

(3)     Das US-Repräsentantenhaus verabschiedete im Oktober 2019 eine überparteiliche Maßnahme - den Corporate Transparency Act - um den Missbrauch anonymer Unternehmen zu beenden. Ein ähnliches Gesetz, der ILLICIT CASH-Act, wird aktuell vom Bankenausschuss des Senats geprüft.

(4)     Mit der 4. Anti-Geldwäsche-Richtlinie  wurden alle EU-Staaten verpflichtet, die wirtschaftlichen Eigentümer*innen von Unternehmen, Stiftungen, Trusts und Treuhandschaften zu registrieren. Ab 10.1.2020  sollen diese Register öffentlich zugänglich sein. Allerdings können nur eingeschränkt Daten abgefragt werden, in vielen Ländern – auch Österreich – ist die Datenabfrage kostenpflichtig.

(5)     Seit vielen Jahren fordern zivilgesellschaftliche Organisationen die Regierungen auf, für Transparenz in der Steuerpraxis internationaler Konzerne zu sorgen. Entscheidend dafür sind öffentliche länderweise Konzernberichte („public country by coutry reporting“). Darin müssten Konzerne unter anderem veröffentlichen, wie viel Gewinn sie in welchem Land deklarieren und wie viel Steuern sie dafür bezahlen. Dies liefert nicht nur wichtige Informationen für die Öffentlichkeit – laut Studien dämmt es Steuervermeidung sogar unmittelbar ein.
In Österreich hat der EU-Hauptausschuss des Parlaments die Bundesregierung im Dezember 2019 dazu verpflichtet auf europäischer Ebene für Steuertransparenz („public country by coutry reporting“) zu stimmen und „eine weitere Verzögerung des Verfahrens zu verhindern“. Das Finanzministerium beharrt jedoch auf seinen Vorbehalten und erklärte in einem Schreiben an das VIDC lediglich, diese Stellungnahme „entsprechend zu evaluieren“.

(6)     Nach Schätzungen gehen den Staaten weltweit rund 500 Milliarden Dollar durch die Gewinnverschiebungen von multinationalen Konzernen verloren. Das in Steuersümpfen geparkte Privatvermögen wurde vom Tax Justice Network im Jahr 2012 auf 21 bis 32 Billionen Dollar geschätzt.


Rückfragen:

Martina Neuwirth, VIDC
neuwirthATTAC@vidc.org 
+43 664 520 68 78


David Walch, Attac Österreich
presseATTAC@attac.at 
+43 650 544 00 10