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101 EU-RechtsprofessorInnen fordern Investitionsschutz in CETA und TTIP zu streichen

Klagerechte in CETA stehen „im krassen Gegensatz zu dem traditionellen und durchdachten Konzept des internationalen Rechts“

101 RechtsprofessorInnen aus 24 europäischen Staaten appellieren in einer gemeinsamen Stellungnahme an europäische Entscheidungsträger, den Investitionsschutz (ICS/ISDS) aus CETA und TTIP zu streichen. „Wir fordern mit Nachdruck, die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, auf denen unsere Mitgliedsstaaten und die Europäische Union beruhen, nicht dadurch zu schwächen und auszuhöhlen, dass ausländischen Investoren ein unnötiges, systemisch voreingenommenes und strukturell abträgliches paralleles Rechts- und Justizsystem im Rahmen von TTIP oder CETA zur Verfügung gestellt wird“, heißt es in der heute veröffentlichten Stellungnahme.  

“Die Stellungnahme macht deutlich, dass internationale Konzerne ihre Interessen wie alle anderen vor ordentlichen Gerichten vertreten sollen. Eine privilegierte Sonderjustiz für Konzerne ist unnötig und gefährlich“, erklärt dazu David Walch von Attac Österreich.

In der Stellungnahme heißt es unter anderem:

Investitionsschutz und ISDS etablieren Sonderrechte für ausländische Investoren auf der Grundlage vager substanzieller Standards.

Investoren können den Staat für ihre entgangenen Gewinne haftbar machen, selbst wenn die Maßnahmen des Staates nicht diskriminierend, unter inländischen Gesichtspunkten rechtmäßig und beispielsweise darauf ausgerichtet sind, die Umwelt, die öffentliche Gesundheit oder die Arbeitnehmerrechte zu schützen. Der Investitionsschutz bedrohe die Regulierung im Interesse der Allgemeinheit, den demokratischen Wandel und staatliche Budgets. Er bedeutet eine subtile Machtverschiebung hin zu einzelnen und ohnehin einflussreichen wirtschaftlichen Akteuren, während er gleichzeitig die Berücksichtigung öffentlicher Belange schwächt und den demokratischen Wandel einschränkt.

In Anbetracht der Größenordnung und der Ströme transatlantischer Investitionen wird die Aufnahme des ausländischen Investitionsschutzes in die Abkommen TTIP und CETA möglicherweise zu einer großen Anzahl an Klagen zwischen Investoren und Staaten sowie in der Folge zu höheren Rechtskosten und Entschädigungen in Milliardenhöhe führen. Dies könnte wiederum eine regulatorische Abschreckung nach sich ziehen, da Regierungen aufgrund der damit verbundenen Bedrohung durch Investitionsschiedsverfahren und hohe Entschädigungen von regulatorischen Maßnahmen im öffentlichen Interesse Abstand nehmen könnten. Im Rahmen der bestehenden Abkommen haben Investoren auf dieses Druckmittel gesetzt, um spürbar Einfluss auf den demokratischen Politikwandel zu nehmen.

Die ISDS-Reformen in CETA bieten kein Rezept gegen die systemische Befangenheit und Mangel an rechtsstaatlichen Schutzmaßnahmen.

CETA „würde die Investoren im Wesentlichen mit den gleichen substanziellen Sonderrechten ausstatten" wie ISDS. Zudem mangle es dem Investitionsgerichtssystem immer noch an wichtigen institutionellen Schutzmaßnahmen nach Maßgabe der Rechtsstaatlichkeit. Die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit der ausgewählten Richter ist nicht vollständig garantiert. Der Investitionsschutz ermutige Investoren „bewährte Rechtsverfahren vor inländischen Gerichten zu umgehen, da sie dies in mancher Hinsicht an der möglicherweise vielversprechenden ISDS-Option hindern würde. Dies stehe im krassen Gegensatz zu dem traditionellen und durchdachten Konzept des internationalen Rechts, das von Personen verlangt, zunächst die Rechtsmittel vor Ort auszuschöpfen, bevor sie ausländische Gerichte anrufen dürfen.

Darüber hinaus gäbe es keinen schlüssigen Beweis, dass sich die Aufnahme der Investitionsregeln überhaupt positiv auf den Umfang der transatlantischen ausländischen Direktinvestitionen auswirkt. "Der Investitionsschutz im Rahmen von TTIP und CETA ist daher unnötig", so die Stellungnahme.

Der Ausarbeitung der Stellungnahme wurde von der Europäischen Initiative Stop TTIP koordiniert, die über 3.5 Millionen Unterschriften gegen TTIP und CETA sammeln konnte. Die rechtliche Stellungnahme liegt in Englisch, Deutsch, Französisch, Italienisch und Spanisch vor.


Rückfragen:
Matthew Read, Stop TTIP (https://stop-ttip.org)
press@stop-ttip.org oder +49 30 28482-379 und +49 01525 600-7192