News

Argentinien: Höchste Zeit für internationales Insolvenzrecht

ATTAC plädiert für Lösung der globalen Schuldenkrise

"Der Fall Argentinien wäre der ideale Anlass für den Start eines internationalen Insolvenzverfahrens für Staaten", meint Karin Küblböck, Obfrau von ATTAC Österreich.

Dieses müsste nicht neu erfunden werden, da in den USA schon seit längerem erfolgreich ein Insolvenzverfahren für Gebietskörperschaften mit Hoheitsgewalt angewandt wird. Der "Chapter 9" des US-Insolvenzrechts wäre problemlos auf Staaten übertragbar.

Momentan gibt es keine institutionelle Lösung für die globale Schuldenkrise. Währungsfonds und Weltbank versuchen vielmehr, überschuldete Länder auf Biegen und Brechen zahlungsfähig zu halten durch Strukturanpassungsprogramme und Sparpakete, die oftmals die Kürzung wichtiger Sozialleistungen und öffentlicher Güter beinhalten. Im Falle eines Insolvenz- oder Schiedsverfahrens nach Chapter 9 hätte die betroffene Bevölkerung ein Anhörungsrecht und könnte ihre Interessen wahren, Armutsvermeidung und soziale Grundversorgung wären dann wichtige politische Ziele.

Momentan müssen die Menschen in vielen armen Ländern Schulden ausbaden, für deren Anhäufung sie nicht verantwortlich sind. Im konkreten Fall Argentinien haben sich die Staatsschulden während der Militärdiktatur 1976 - 83 versiebenfacht, während sie sich in der viel längeren Periode 1983 - 2001 "nur" verdreifacht haben. Dennoch muss die Bevölkerung jetzt für die gesamte Schuldenlast gerade stehen.

ATTAC verweist mit Nachdruck darauf, dass zur Entstehung einer Überschuldungssituation immer zwei Parteien gehören, ein Schuldner, der leichtsinnig Kredite aufnimmt und Gläubiger, die ebenso leichtsinnig Kredite vergeben - in der irrigen Annahme, dass Staaten ewig rückzahlungsfähig seien.

Würde bei Staaten dieselbe strenge Kreditkontrolle gelten wie bei Unternehmen (die in Insolvenz gehen können), würden viele Kredite gar nicht vergeben und in Folge keine Schuldenkrisen entstehen. Ein Insolvenzrecht hätte somit eine starke Präventivwirkung.

Seit 1984 fliesst netto Kapital von Süd nach Nord (Neukredite minus Tilgungen plus Zinsen). "Das heisst, das internationale Kreditsystem finanziert seit 18 Jahren nicht die armen Länder des Südens, sondern die reichen Länder des Nordens", so Küblböck. 1999 war ein besonders fettes Jahr für die reichen Länder: Nach Angaben der Weltbank flossen unterm Strich 114,6 Milliarden Dollar von den Entwicklungs- in die Industrieländer.

Das in der Öffentlichkeit vorherrschende Bild, dass die großzügigen Industrieländer den "verschwenderischen" Entwicklungsländern Kredite in den Rachen schaufelten, ist daher ebenso unzutreffend wie der Eindruck, dass IWF und Weltbank immer wieder "Rettungskredite" locker machten, weil diese nicht die Bekämpfung der Armut zum Ziel haben, sondern vorrangig die Umschuldung alter Kredite und somit die Aufrechterhaltung der Schuldendienstfähigkeit der armen Länder.

"Der jüngste Vorschlag der Vizedirektorin des IWF, Anne Krüger, zur Einführung eines internationalen Insolvenzverfahrens hat zwei gravierende Schwachstellen: Erstens ist er nicht nach Chapter 9 (Gebietskörperschaften), sondern nach Chapter 11 (Unternehmen) angelegt, womit die betroffene Bevölkerung kein Anhörungsrecht bekäme. Zweitens würde der IWF sich selbst zum Schiedsrichter aufspielen, was unfair würe, weil er selbst Glüubiger ist und damit interessierte Partei ist. Das Schiedsgericht muss unabhängig sein", so Küblböck abschliessend.

Professor Kunibert Raffer vom Institut für Wirtschaftswissenschaften der Universität Wien arbeitet seit Jahren zum Thema internationales Insolvenzrecht für Staaten und ist heute, Donnerstag und morgen, Freitag unter 0664 - 641 94 79 für Fragen erreichbar.