Welche Auswirkungen die "Richtlinie über die Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen" hätte, über die am 24. September im EU-Parlament abgestimmt wird, lässt sich leicht mit einer Analogie erklären: Gäbe es Softwarepatente auch im Bereich der Literatur, so könnte z.B. ein Autor auf die Idee kommen, seinen Kriminalroman abseits vom Urheberrecht auch mittels Patente schützen zu lassen. So könnte er z.B. eine Szene patentieren lassen, in der ein Mörder um ein Haus schleicht. Danach könnte kein anderer Autor mehr ohne die Zahlung von Lizenzgebühren einen Kriminalroman schreiben, in dem auch ein Mörder um ein Haus schleicht. "Die Weiterentwicklung eines ganzes Genre wäre plötzlich blockiert", kritisiert Robert Seyfriedsberger von ATTAC Österreich.
Was im Bereich der Literatur absurd klingt, ist auch 1:1 auf Softwareentwicklung übertragbar. Beispiele hierfür sind der Internet-Einkauf mit einem Klick, die farbliche Kennzeichnung von Textstellen oder die Darstellung hintereinander liegender Seiten als "Karteikarten". Schon jetzt gibt es rund 33.000 Patentanmeldungen dieser Art, die mit der Umsetzung er EU-Richtlinie wirksam werden würden. Will jemand anderer diese "Ideen" verwenden, müssen dafür teure Lizenzgebühren bezahlt werden - vorausgesetzt man bekommt überhaupt eine Erlaubnis vom Patentinhaber, diese "Idee" zu verwenden.
Besonders für unabhängige Programmierer sowie kleine und mittlere Unternehmen wäre es demnach unmöglich, neue Software zu entwickeln, ohne dafür Lizenzgebühren an eine Vielzahl verschiedener Patenthalter zu entrichten. "Außerdem müssten sie permanent nachprüfen, ob ihre Programme nicht schon patentgeschützt sind. Der aus der EU-Richtlinie entstehende Verwaltungsaufwand würde nicht nur die Softwarenentwicklung generell verteuern, sondern sich vor allem auf kleinere Unternehmen und die Open-Source-EntwicklerInnengemeinde existenzbedrohend auswirken", so Seyfriedsberger.
In Wien folgten daher vergangenen Freitag rund 300 Personen dem Aufruf, vor dem österreichischen Patentamt gegen diese geplante EU-Richtlinie zu demonstrieren. Aufgerufen zu dieser Demonstrationen hatte eine breite Koalition von freien Softwareentwickler und Angehöriger kleiner und mittlerer Softwareunternehmen. Auch ein Repräsentant der Österreichischen Wirtschaftskammer nahm an der Kundgebung teil und bekräftigte die ablehnende Haltung der Kammer, die negative Auswirkungen für die österreichische Wirtschaft befürchtet.
Parallel zu der Demonstration in Wien gab es auch Protestveranstaltungen in vielen europäischen Städten. Außerdem wurde der Petitionsausschuss des Europäischen Parlaments angerufen. Auf einer Unterschriftenliste haben sich mittlerweile mehr als 260.000 GegnerInnen dieser Richtlinie eingetragen, darunter auch 2000 Firmenchefs und namhafte ProfessorInnen der Informatik und Wirtschaftswissenschaften aus ganz Europa.
"Sollte die Richtlinie in der geplanten Form angenommen werden, hätte dies fatale Auswirkungen auf die europäische Softwareindustrie und in weiterer Folge auf die gesamte Gesellschaft, denn Software stellt eine Grundlage der heutigen Wissensgesellschaft dar. Dieses "Öl der Zukunft" sollte daher nicht alleinig von Patentinhabern kontrolliert werden, sondern der Gesellschaft als Ganzes patentfrei zur Verfügung stehen", so Seyfriedsberger abschließend.