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ATTAC: Gesamtbilanz in Doha negativ

Weder Entwicklungs-, noch Umwelt- noch Demokratierunde

INVESTITIONEN, WETTBEWERB, ÖFFENTLICHE BESCHAFFUNG:

Negativ:

- Hauptforderung der Entwicklungsländer, keine neuen Themen aufzunehmen, bevor nicht die bisherigen Verträge evaluiert und korrigiert sind, wurde ignoriert. Von einer "Entwicklungsrunde" zu sprechen ist allein schon wegen diesem Punkt vermessen.

EVALUIERUNG

Negativ:

- Laut UNO hatten 1998 nicht weniger als 50 Länder ein geringeres Pro-Kopf-Einkommen als 1990. In Afrika, Lateinamerika und Osteuropa nimmt nicht nur die absolute, sondern sogar die relative Armut zu. Es ist keineswegs klar, ob Liberalisierung Wohlstand für alle bringt. Vor weiteren Liberalisierungen sollten daher umfangreiche Evaluierungen vorgenommen werden: Auf die ökonomische Situation der Entwicklungsländer, auf die Umwelt, auf die soziale Situation der Bevölkerung, auf die Frauen. Die Entwicklungsländer hätten genau dies gefordert.

TRIPs

Positiv:

- Minimaler Vorrang von Gesundheitspolitik vor Patentschutz

Negativ:

- Entwicklungsländer dürfen nicht selbst definieren, wann "nationaler Notstand" herrscht und begeben sich somit bei jedem Ausruf desselben in Klagsgefahr.

- Die Forderung der 43 afrikanischen WTO-Mitlgieder, den Paragraf 27.3b dahingehend zu korrigieren, dass auf Lebensformen keine Patente erteilt werden dürfen, wurde ignoriert. Die WTO fördert somit weiterhin Biopiraterie und Gentechnik.

- Das Minimalzugeständnis im Bereich Gesundheit erweckt den Eindruck, dass die Runde eine "Entwicklungsrunde" sei. Für die Gesamtbilanz ist dieses positive Detail aber kaum relevant.

UMWELT:

Positiv:

- Kürzung von Fischereisubventionen

- Klärung des Verhältnisses von WTO-Recht gegenüber internationalen Umwelt-Verträge

Negativ:

- Zwar Klärung, aber nicht klarer Vorrang von MEA gegenüber WTO-Recht

- Vorsorgeprinzip nach wie vor nicht verankert; es steht zwar im Text, allerdings nur unter WTO-Regeln

- Ungleichbehandlung von "like products" nach wie vor nicht erlaubt (zB Fair-Trade-Kaffe und konventioneller Kaffee)

- Die EU ist in ihrer Rolle als Anwältin von Umweltagenden unglaubwürdig, weil gerade sie die ökologisch schädlichen Exportsubventionen mit Zähnen und Klauen verteidigt

- Als globales Entwicklungsleitbild gilt noch immer der Freihandel, nicht Nachhaltige Entwicklung

LANDWIRTSCHAFT:

Positiv:

- Genereller Abbau von Subventionen konventioneller Landwirtschaft

Negativ:

- Keine oder zu geringe Differenzierung hinsichtlich der Förderung konventioneller Landwirtschaft für den Export und biologischer Landwirtschaft für die Eigenversorgung

- Prinzip der Nachhaltigkeit, Ernährungssicherheit und Ernährungssouveränität spielen in der WTO keine Rolle; da das nicht der Fall ist, sollte sich die WTO aus

Landwirtschafts- und Ernährungsfrageh zurückziehen

TEXTILIEN

Negativ:

- Die Industrieländer beweisen in diesem Bereich, dass sie noch immer die besseren Protektionisten sind. Eine rhetorisch immer wieder bemühte "Entwicklugsrunde" hätte hier volle Marktöffnung bewirken müssen.

DEMOKRATIE:

Negativ:

- Keine klare Initiative in Richtung stärkere Einbindung von Parlamenten, Gewerkschaften, NGOs

- Keine klare Initiative zur technischen und finanziellen Unterstützung armer Länder, die beim WTO-Prozess institutionell und personell nicht mithalten können

- Am Konferenzort sind sowohl Demonstrationen als auch politische Parteien verboten: Die WTO signalisiert, dass sie mit Nicht-Demokratien kooperiert. Um ihre Arbeit machen zu können, muss sie demokratische Grundfreiheiten außer Kraft setzen.

FAZIT:

Trotz einiger positiver Teilergebnisse (eher Details) ist die Runde weder eine Entwicklungs- noch eine Umwelt- noch eine Demokratisierungsrunde. Die Hauptforderung der Entwicklungsländer wurde abgeschmettert. Bevor klar ist, ob Liberalisierung Wohlstand für alle schafft, wird weiterliberalisiert. Während die Industrieländer die Richtung bestimmen, beschränken sich die Verhandlungserfolge der Entwicklungsländer auf Schadensbegrenzung (zB TRIPs). Die WTO unternimmt keinen Versuch, sich nach innen oder außen zu demokratisieren. Und die Erkenntnis, dass Handel nur dann wohlstandsfördernd für alle sein kann, wenn er im Rahmen eines internationalen Regelsystems für nachhaltige Entwicklung stattfindet, dämmert auch nirgends. Die WTO bleibt somit ein außenpoltisches Instrument der Industrieländer und ihrer stärksten Wirtschaftslobbies. Sowohl das Nord-Süd-Verhältnis als auch die globale ökologische Situation werden sich in den nächsten Jahren weiter verschärfen.