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Corona-Krise: Wie Regierungen Konzernklagen abwenden können

630 Organisationen weltweit fordern Aus für Konzern-Paralleljustiz

Weltweit setzen Regierungen in der Corona-Pandemie Maßnahmen im öffentlichen Interesse - um Leben zu retten und Arbeitsplätze zu sichern. Doch dies könnte Konzerne und Investoren auf den Plan rufen, die dadurch ihre Profite gefährdet sehen.

Mittels Sonderklagerechten für Konzerne (Investor State Dispute Settlement, ISDS) könnten sie Staaten für entgangene Profite verklagen. (1) Die UN-Organisation für Handel und Entwicklung (UNCTAD), zahlreiche Anwaltskanzleien sowie prominente Handels- und Menschenrechtsexpert*innen rechnen bereits mit einer bevorstehenden Welle von Konzernklagen. Auf Staaten, die schon jetzt unter der Gesundheits- und Wirtschaftskrise leiden, würden so enorme zusätzliche Kosten zukommen. (2)

Es gibt zahlreiche rechtliche Möglichkeiten um diese Paralleljustiz zu stoppen

Weltweit fordern 630 zivilgesellschaftliche Organisationen daher ihre Regierungen  auf, Corona-Maßnahmen sofort von der Anwendbarkeit dieser Paralleljustiz auszunehmen und diese völlig zu stoppen. In Österreich hat die Plattform "Anders Handeln" eine entsprechende Stellungnahme an die Bundesregierung geschickt.

„Regierungen dürfen jetzt nicht tatenlos auf die ersten Konzernklagen warten. Sie können die Zustimmung zu dieser Paralleljustiz verweigern, zurückziehen oder ein Abkommen zur Aussetzung der Klagen abschließen. Zudem können sie laufende ISDS-Verfahren oder Zahlungen aussetzen. Schließlich müssen aktuelle Verhandlungen beendet und bestehende Abkommen gekündigt werden, die Sonderklagerechte enthalten,“ fordert die Plattform „Anders Handeln“. Für alle diese Szenarien existieren rechtliche Möglichkeiten, die im Brief an die Regierung detailliert beschrieben werden.

„Sonderklagerechte für Konzerne sind ein soziales und demokratiepolitisches Desaster, bei dem nur Profite zählen. Es gibt keine Rechtfertigung dafür, dass Konzerne größere rechtliche Privilegien genießen als jene, die jetzt schon am stärksten unter der Pandemie leiden. Es ist Zeit diese Paralleljustiz ersatzlos abzuschaffen, um eine Politik im öffentlichen Interesse zu stärken“, erklärt die Plattform.

 

Die Plattform Anders Handeln wurde initiiert von Attac, GLOBAL 2000, Südwind, den Gewerkschaften PRO-GE, vida und younion _ Die Daseinsgewerkschaft, der Katholischen ArbeitnehmerInnenbewegung sowie der ÖBV-Via Campesina Austria und wird von rund 50 weiteren Organisationen unterstützt.

 

(1) Sonderklagerechte für Konzerne sind in vielen Handels- und Investitionsabkommen verankert. Sie ermöglichen es ausländischen Investoren, Staaten vor privaten Schiedsgerichten außerhalb des nationalen Rechtssystems auf Entschädigung zu verklagen. Die Entschädigungssummen sind dabei in der Regel weit höher als die Summen, die vor ordentlichen Gerichten einklagbar wären.

Investoren könnten beispielsweise gegen folgende Maßnahmen klagen, die viele Regierungen in der Corona-Pandemie ergriffen haben:

  • die Einschränkung und Stilllegung von Geschäftsaktivitäten mit dem Ziel, die Ausbreitung des Virus einzudämmen und Arbeitnehmer*innen zu schützen;
  • die Sicherung von Kapazitäten im Gesundheitssystem durch die Beschlagnahmung privater Krankenhauseinrichtungen, die Unterstellung privater Gesundheitsdienstleister unter öffentliche Kontrolle oder die Verpflichtung zur Herstellung von Beatmungsgeräten;
  • die vorläufige Aussetzung bzw. Stundung von Hypotheken- oder Mietzahlungen für Haushalte und Unternehmen;
  • die Verhinderung ausländischer Übernahmen von strategischen Unternehmen, die von der Krise betroffen sind;
  • die Gewährleistung des Zugangs zu sauberem Wasser durch das Einfrieren von Wasserrechnungen und das Aussetzen von Abschaltungen;
  • die Gewährleistung bezahlbarer Medikamente, Tests und Impfstoffe;
  • Umschuldung.

(2) Bis Ende 2018 mussten Staaten im Rahmen von ISDS-Schiedssprüchen bzw. -vergleichen über 88 Milliarden US-Dollar an Investoren zahlen. In 13 der 1.023 bekannten ISDS-Fälle betrug die Entschädigungssumme sogar jeweils über 1 Milliarde US-Dollar.

Rückfragen:

Theresa Kofler, Koordinatorin Anders Handeln
theresa.kofler@anders-handeln.at
+43 680 154 50 19
www.anders-handeln.at