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EU-Direktive zu Mindestlohn – ein Papiertiger

Das "soziale Europa" bleibt ein PR-Projekt

Eine der großspurig angekündigten Initiativen von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen war die Einführung eines „europäischen“ Mindestlohns. Inzwischen ist der Entwurf einer entsprechenden Direktive Ende Oktober veröffentlicht worden.

Doch der Vorschlag erweist sich - wie immer, wenn es um das „soziale Europa“ geht - als Schaumschlägerei. Denn da Artikel 153 der Verträge ausdrücklich die Einmischung in die Lohnpolitik verbietet, bleibt alles, was die Direktive vorschlägt, unverbindliche Empfehlung. Ein klassischer Beleg für das, was als neoliberaler Konstitutionalismus bezeichnet wird, d.h. die quasi verfassungsmäßige Verankerung des Neoliberalismus in der EU.

Nicht einmal die Idee von Sozialkommissar Nicolas Schmit, den Mindestlohn an 60 Prozent des Medianlohns zu koppeln, hat es in die Empfehlungen geschafft. Stattdessen werden Kriterien empfohlen, die bei der Festlegung von Mindestlöhnen herangezogen werden sollen. Darunter Kaufkraft, Produktivität oder Einkommensverteilung - also alles Dinge, die man im zweiten Semester Volkswirtschaft so lernt.

Das Ganze geht inzwischen geradezu ritualhaft seit 30 Jahren so. Bereits damals meinte Jacques Delors, nachdem er seinen Maastricht-Vertrag durchgesetzt hatte, der müsste jetzt nur noch durch das „soziale Europa“ ergänzt werden.

Da seither aber das Gegenteil eines „sozialen Europas“ stattfindet, werden periodisch PR-Projekte mit sozialpolitischem Make-up aufgelegt, mit denen Gewerkschaften und europäische Linke ruhig gestellt werden sollen. Zur Erinnerung: vor der Mindestlohn-Direktive stand die „Soziale Säule“ auf der Tagesordnung. Auch so ein Papiertiger. Die Frage ist also mal wieder: Andert sich nichts oder bleibt alles so wie es ist?

Ein Kommentar von Peter Wahl, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von Attac Deutschland