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European Green-Washing Deal

Mehr Wettbewerb und mehr Markt retten das Klima nicht

Mitte Dezember hat die EU-Kommission erste Details ihres groß angekündigten Green Deals veröffentlicht. Die Überschriften klingen auf den ersten Blick verheißungsvoll (1), doch dahinter steckt an vielen Stellen eine Ausweitung der Märkte. Schaut man genau hin ist der Green Deal vor allem ein grüner Wettbewerbs-Deal und dient damit vor allem den Konzernen und nicht dem Klimaschutz oder sozialer Gerechtigkeit. Für das globalisierungskritische Netzwerk Attac bleibt der Green Deal hinter seinen Möglichkeiten zurück.

Das billigste fürs Börserl ist nicht das Beste fürs Klima

Zentraler Bestandteil der EU Strategie sind marktbasierte Lösungen, kritisiert Attac.  Durch marktbasierte Ansätze werden Emissionen ein Kostenfaktor und damit zum Nachteil für Unternehmen. Wie die Unternehmen dann allerdings sparen, ob sie ihre Emissionen tatsächlich verringern oder sich einfach mehr Verschmutzungsrechte kaufen, bleibt ihnen überlassen. Märkte sind angeblich hoch effizient. Stimmt aber nicht, denn im Falle der Klimakrise ist das billigste fürs Börserl nicht unbedingt das Beste fürs Klima. Wenn niemand Emissionen reduziert sondern alle nur fragwürdige „Ausgleichsprojekte“ bezahlen, ist unserer Welt nicht geholfen. Aber über den „neutralen Markt“ fließt das Geld immer zur billigsten Lösung. Das ist auch nicht unbedingt gerecht: Denn am meisten verschmutzen können die, die am meisten Geld haben. Und Kosten sparen müssen die Marktteilnehmer, die am wenigsten Alternativen haben und es sich am wenigsten leisten können (Bsp. Landbevölkerung, die auf ihr Auto angewiesen ist oder Industrien in ärmeren Ländern).

Im Green Deal Vorschlag sollen Märkte für Biodiversität und Emissionen ausgebaut und neu geschaffen werden. Das bekannteste Beispiel für einen solchen Markt ist der Handel mit Emissionszertifikaten. Er existiert seit 2005 und hat bisher zu keiner nennenswerten Reduktion des CO2-Ausstoßes im Euroraum geführt. (2) Trotzdem hält die Kommission an ihrem Markt-Dogma fest. Damit verschleiert sie im Grunde genommen nur die unterschiedlichen Interessen zwischen Konzernen, die ihre Profite nicht geschmälert sehen wollen und uns allen, die auf diesem Planeten weiterleben wollen.
„Die Klimakrise kann letztlich nicht ohne Interessenskonflikte zwischen sozial ökologischem Umbau, sozial gerechter Verteilung und den Profitinteressen der Wirtschaft gelöst werden, wie uns die EU-kommission weismachen will“, erklärt Julia Litofcenko von Attac Österreich (3).

Wie kann man gesellschaftliche Ziele wie den Klimaschutz dann erreichen? Zum Beispiel mit politischer Regulierung. Die Geschichte zeigt, dass Fortschritte im Umwelt- und Klimaschutz bisher nur errungen wurden, wenn durch Regulierungen und Verbote nachvollziehbare Grenzen gesetzt wurden. Das Ozonloch ist nicht durch einen Markt für FCKW kleiner geworden, sondern dadurch, dass die internationale Konferenz zum Schutz der Ozonschicht die Anwendung von FCKW verboten hat.

Freiwillige nachhaltige Finanzen?

Ein weiteres Beispiel für die Marktgläubikeit der Kommission ist der "Aktionsplan für nachhaltige Finanzierungen", der Indikatoren für „nachhaltige Geldanlagen“ (Environment Social Governance, ESG) vorlegt. Diese Indikatoren sind jedoch nur freiwillig und werden durch das Lobbying von Automobil- und fossiler Energieindustrie verwässert. Auch hier gilt: Ein Markt für grüne Finanzprodukte ist keine Lösung, solange Kriterien freiwillig sind und umweltzerstörende Konzerne einfach mehr Profit versprechen. Bestes Beispiel ist der Börsengang des saudischen Ölkonzerns Aramcos, der über Nacht zum wertvollsten Unternehmen der Wert wurde. Solange ordnungspolitische Maßnahmen fehlen, um umweltschädliche Aktivitäten zu verbieten und bestrafen, wird sich an den Kapitalflüssen nichts ändern – denn gemäß der Marktlogik fließt das Kapital dahin, wo die höchsten Profite locken.

Handelsagenda widerspricht Klimaschutz

Laut Kommission soll nun auch die EU-Handelsagenda dazu beitragen, den ökologischen Umbau der EU zu unterstützen. Aktuelle Beispiele stehen dem Klimaschutz jedoch diametral entgegen. Das Mercosur-Abkommen etwa würde zu mehr Abholzung, industrieller Landwirtschaft und Warentransport führen. Es enthält zudem keinerlei Sanktionsmechanismen für umweltschädlichen Verhalten. Die Kommission verfolgt mit ihrer Handelsagenda traditionell vor allem ein Ziel: Die Wettbewerbsstellung der EU auszubauen. Zumindest bisher haben Klimaschutz und soziale Kriterien darin nur eine sehr marginale Rolle gespielt. Das wird sich auch mit diesem Vorschlag nicht ändern.

Vorsorgeprinzip gefährdet

Hochproblematisch ist für Attac auch ist die geplante „Förderung chemischer Innovation“ mit der „die Verbesserung der Vorschriften für die Bewertung von Stoffen, die in den Verkehr gebracht werden“ erreicht werden soll. „Dahinter verbirgt sich nichts anderes als die die Aushöhlung des bisher in der EU geltenden Vorsorgeprinzips“, warnt Litofcenko. Das Vorsorgeprinzip soll durch das „Innovationsprinzip“ – wie es die Lobby-Verbände der Chemie-, Tabak- und fossilen Energie-Industrie bezeichnen - ersetzt werden. (4) Unter dem Deckmantel des Klimaschutzes wird hier also versucht, das Vorsorgeprinzip durch die Hintertür auszuhebeln.
Die Aufhebung des Vorsorgeprinzips bedeutet nun eine Umkehrung der Beweislast: Nicht mehr die Industrie muss nachweisen, dass ein Produkt keinen Schaden anrichtet, sondern die Gesellschaft muss umgekehrt den Beweis antreten, dass Schäden entstehen. Die Durchführung von wissenschaftlichen Studien, die den Qualitätskriterien entsprechen um in solchen Verfahren zugelassen zu werden, ist aufwendig und kostenintensiv - Kosten, welche dann von der Gesellschaft, und nicht mehr den Unternehmen getragen werden müssten.

„Viele Punkte des Plans klingen verheißungsvoll, wie etwa der geregelte Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft mit regionalen Produktionsketten, Agrarökologie und das „Recht auf Reparatur“. Die tatsächliche Umsetzung wird jedoch daran scheitern, dass dieser Deal vor allem ein Wettbewerbs-Deal für die EU Konzerne ist. Wettbewerb und Markt retten das Klima nicht.

Lösungen

Die Klimakrise lässt sich nur wirksam bekämpfen, wenn gesellschaftliche Strukturen und Machtverhältnisse, die die Klimakrise verursacht haben, verändert werden. Die Lösungsansätze sind vielfältig:

  • Aufbau eines ökologischen Energiesystems

Anstatt weiterhin fossile Energieträger zu fördern, muss so schnell wie möglich auf ein – weitgehend vergesellschaftetes – Energiesystem mit erneuerbaren Energien gesetzt werden. Im Sinne der Energiedemokratie muss die Energieproduktion dezentral und mit Einbindung der lokalen Bevölkerung entwickelt und ausgebaut werden. Sozial gerecht gestaltete Ökosteuern auf Energie und Rohstoffe beschleunigen den Aufbau und unterstützen auch die – vor allem von den Industrieländern einzufordernde – Reduktion des Energieverbrauches.

  • Solidarisches Agrar- und Lebensmittelsystem

Das industrialisierte und exportorientierte Agrarsystem muss in Richtung kleinstrukturierter, agrarökologischer und sozial gerechter Landwirtschaft umgebaut werden. So stellt das Konzept der Ernährungssouveränität die Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt und weist ihnen das Recht zu, die Art und Weise der Produktion, Verteilung und Konsumption von Lebensmitteln selbst zu bestimmen.

  • Sozial-ökologisches Wirtschafts- und Handelssystem

Eine möglichst lokale Erzeugung, Verteilung und Konsumption von Produkten eröffnet durch die unmittelbare Betroffenheit Übernahme von Verantwortung und unmittelbares Handeln hin zu höheren sozialen und ökologischen Standards. Ein – soweit notwendig – globaler Handel trägt zur Sicherung der Lebensgrundlagen der Menschen derart bei, dass jene Güter, die energiesparend, umweltverträglich und unter Einhaltung der Menschenrechte produziert wurden, bevorzugt werden.

  • Globale Solidarität

Um ihre Klimaschuld zu begleichen, sind die früh industrialisierten Länder und transnationalen Konzerne verpflichtet, Entschädigungszahlungen für Schäden und Verluste an stärker von der Klimakrise betroffene Regionen zu leisten.


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(1) Europa solle zu einem klimaneutralen Kontinent werden, saubere Energie, nachhaltige Industrie, ein umweltfreundlicher Bausektor, nachhaltige Mobilität, Biodiversität, „vom Hof auf den Tisch“ und Beseitigung der Umweltverschmutzung werden gennant. Auch ein Mechanismus für einen sozial gerechten Übergang der Beschäftigten ist vorgesehen.

(2) Die Preise pro Tonne CO2 waren bisher deutlich zu niedrig. Auf eine Erhöhung wurde nach der Krise 2008 bewusst verzichtet um die emissionsstarken Branchen nicht zu schwächen. Das System führt zudem dazu, dass Konzerne, statt ihre Emissionen zu senken, anderswo auf der Welt Wald kaufen oder Investitionen in Entwicklungsländern fördern, die potentiell CO2 einsparen. So kann sich sogar die dreckigste Fluglinie damit werben CO2-neutral zu fliegen und damit ihrer Fluggäste von schlechtem Gewissen freikaufen. Viele der „kompensierenden Maßnahmen“ haben nachweislich keine Wirkung, weshalb in Summe sogar mehr statt weniger Emissionen entstehen.

(3) Die EU-Kommission geht von „absoluter Entkoppelung“ aus, d.h. geht davon aus dass der Ressourcenverbrauch sinken kann, obwohl die Wirtschaft wächst. Bisher ist es allerdings keinen Staat der Erde gelungen, so etwas auch nur annähernd zu erreichen (siehe Wiedmann, T. O., Schandl, H., Lenzen, M., Moran, D., Suh, S., West, J., and Kanemoto, K. (2015). The material footprint of nations. Proceedings of the National Academy of Sciences, 112(20)). In jenen Ländern, welche steigendes Wachstum und sinkende Emissionen verzeichnen, wird nur die Produktion des Landes, nicht aber die in andere Länder ausgelagerte Produktion für den Konsum des Landes berücksichtigt (vgl. Schweden).

(4) Siehe: corporateeurope.org/en/environment/2018/12/innovation-principle-trap Gemäß dem Vorsorgeprinzip können keine neuen Produkte zugelassen werden, sofern ein begründeter Verdacht auf mögliche Schäden für die „Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen“ besteht.