News

Fossiles 7-Meter-Monster in Wien: Attac fordert Ausstieg aus Klimakiller-Vertrag

Unreformierbar und EU-rechtswidrig: Energiecharta-Vertrag gefährdet die Energiewende

Ein 7 Meter großes fossiles Monster aus der Vergangenheit hat auf seiner Reise quer durch Europa* am Wiener Karlsplatz Halt gemacht: Der ECT-Rex. Er symbolisiert den kaum bekannten Energiecharta-Vertrag (ECT). Dieser zwischenstaatliche Vertrag aus dem vorigen Jahrtausend ist ein wahrer Klimakiller: Wie Beispiele zeigen, gibt er fossilen Konzernen die Macht, Staaten mittels einer Paralleljustiz zu verklagen, wenn neue Gesetze zum Klimaschutz ihre Profite bedrohen. (1) Das gefährdet die so dringend nötige Energiewende. Aktivist*innen von Attac Österreich haben daher gestern Abend vor der Wiener Karlskirche den Ausstieg Österreichs und weiterer EU-Staaten aus dem Vertrag gefordert.

Wirtschaftsminister Kocher gefordert: Jahrelange Verhandlungen enden im Mai

Seit Jahren laufen internationale Verhandlungen, um den Vertrag in Einklang mit den Pariser Klimazielen zu bringen. Die letzte Verhandlungsrunde endet am 23. Mai – jedoch ohne Aussicht auf eine klimafreundliche Lösung (2). Deutschland, Polen, Frankreich, Spanien, Griechenland, Lettland, Ungarn und Zypern fordern von der Kommission bereits einen Plan für einen möglichen Austritt. „Der neue Wirtschaftsminister Kocher ist politisch für Österreichs Position verantwortlich. Er muss dafür sorgen, dass Österreich  - gemeinsam mit anderen EU-Staaten - endlich aus diesem Klimakiller-Vertrag aussteigt“, fordert Iris Frey von Attac Österreich.

Energiecharta-Vertrag verstößt gegen EU-Recht – doch Schiedsgerichte ignorieren das

Der ECT ist nicht nur in klimapolitischer, sondern auch in rechtlicher Hinsicht veraltet. Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom Herbst 2021 schätzt den Vertrag als nicht kompatibel mit EU-Recht ein. Auch eine aktuelle juristische Studie kommt zum Ergebnis, dass der Energiecharta-Vertrag – selbst bei einer „Modernisierung“ – unvereinbar mit EU-Recht ist. Doch das Schiedsgericht ICSID in Washington, vor dem ECT-Klagen unter anderem verhandelt werden, ignoriert schon jetzt das EuGH-Urteil, das die EU-Rechtswidrigkeit einer aktuellen ECT-Klage feststellt.

Der Austritt möglichst vieler EU-Staaten aus dem Energiecharta-Vertrag ist daher die einzige Möglichkeit, seine Unvereinbarkeit mit dem Pariser Klimaabkommen und EU-Recht zu beheben.

*Weitere Stationen: Lissabon, Madrid, Barcelona, Berlin, Prag, Luxemburg, Brüssel, Amsterdam

(1) Erst am 5. Mai 2022 wurde publik, dass der Gaskonzern Ascent Resorces Slowenien vor einem internationalen Schiedsgericht verklagt, weil das Land ein Verbot von Fracking beschlossen hat. Anfang dieses Jahres forderten die Energieunternehmen RWE und Uniper von der niederländischen Regierung Milliarden Euro wegen deren Entscheidung zum Ausstieg aus der Kohleverstromung. Weitere Fälle finden Sie hier.

(2) Den EU-Vorschlag, umweltschädliche Investitionen schrittweise aus dem Vertrag auszunehmen, lehnen alle anderen Vertragsparteien ab. Japan oder Kasachstan blockieren zudem jede Vertragsänderung – sogar jene, die nur EU-Staaten betreffen würde. Einer Überarbeitung müssten jedoch alle 53 Vertragsparteien zustimmen.

Hintergrund:

Der Energiecharta-Vertrag (ECT) ist ein internationales Investitionsabkommen aus den 1990er Jahren. Im Rahmen des ECT können ausländische Investoren die Vertragsstaaten verklagen, wenn sie der Meinung sind, dass diese Entscheidungen getroffen haben, die ihren Interessen schaden. Diese Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren (ISDS) werden in der Regel vor privaten Schiedsgerichten ausgetragen, die sich aus von den Parteien beauftragten Anwälten zusammensetzen. Der ECT ist jenes Abkommen, auf dessen Basis bisher die meisten Klagen ausländischer Investoren gegen Staaten geführt wurden. Allein in Europa deckt der Vertrag fossile Infrastrukturen im Wert von 344,6 Milliarden Euro ab.