Der heute europaweit veröffentlichte Bericht (1) „<link http: bit.ly>Survival of the Richest“ zeigt, dass die europäischen Regierungen bisher kaum politische Lehren aus Steuerskandalen wie LuxLeaks und den Panama Papers gezogen haben. Viele verfolgen trotz zunehmender Ungleichheit weiter eine Politik im Interesse der Reichen.
In einer Woche stehen die LuxLeaks-Whistleblower in Luxemburg erneut vor Gericht. Die Regierungen agieren jedoch weiter so, als wären die skandalösen geheimen Vorbescheide nie veröffentlicht worden. Denn die Zahl dieser Steuerdeals zwischen Staaten und multinationalen Unternehmen stieg in der EU weiter stark an - von 547 im Jahr 2013 auf 1.444 im Jahr 2015. In Luxemburg stieg die Zahl sogar um mehr als das Vierfache, von 113 auf 519. „Unternehmen wollen Vorbescheide eigentlich, um Rechtssicherheit zu haben. Solche Geheimabsprachen öffnen aber auch Tür und Tor für Korruption und Bevorzugung von wichtigen Steuerzahlern wie großen Konzernen. Offenbar ist das weitere Anheizen des internationalen Steuerwettbewerbs wichtiger als der Kampf gegen aggressive Steuervermeidung“, befürchtet Martina Neuwirth vom mitherausgebenden VIDC.
Wenige europäische Regierungen unterstützen bisher eine öffentliche Berichtspflicht länderweise aufgeschlüsselter Daten für große Konzerne. Dabei geht es vor allem um deren Steuerzahlungen. Entsprechende länderweise Finanzberichte wären – richtig umgesetzt – ein entscheidender Hebel, um Steuervermeidung von Konzernen einzudämmen und Gewinne dort zu besteuern, wo sie real entstehen.
Europäische Regierungen unterzeichnen weiterhin schädliche Steuerabkommen mit sogenannten Entwicklungsländern. Die in den bilateralen Verträgen festgelegten Quellensteuersätze liegen durchschnittlich um 3,8 Prozentpunkte unter den Steuersätzen der jeweiligen Entwicklungsländer. Dazu kommen Klauseln, die ihr Besteuerungsrecht einschränken. Keinerlei europäische Unterstützung gibt es für den Vorschlag, Entwicklungsländer im Rahmen der UNO wirklich gleichberechtigt an globalen Steuerentscheidungen teilnehmen zu lassen.
Andererseits bläst derzeit eine leichte Brise der Transparenz durch Europa, was die Einrichtung von öffentlichen Registern der wirklichen wirtschaftlichen Begünstigten von Unternehmen, Trusts oder Stiftungen betrifft. Erstmals gibt es unter den Regierungen der 18 im Bericht analysierten europäischen Länder mehr BefürworterInnen als GegnerInnen – eine Folge des öffentlichen Drucks nach den Panama Papers (2). Solche Register wären ein wichtiges Instrument gegen Briefkastenfirmen.
Zwtl.: Österreich bei Steuertransparenz weiter zögerlich bis ablehnend
Österreich hat zwar aufgrund des starken internationalen Drucks in der Vergangenheit Verbesserungen umgesetzt. So wurde das Bankgeheimnis abgeschafft und die Teilnahme am automatischen Austausch der Steuerbehörden ab 2018 zugesagt. Der Bericht zeigt aber, dass Österreich zögerlich bis ablehnend ist, wenn es um weitere Schritte für Transparenz geht.
So hat sich Finanzminister Schelling vehement gegen die Vorstellungen der EU-Kommission und des EU-Parlaments ausgesprochen, durch eine Verschärfung der Berichtspflicht für mehr Transparenz bei der Besteuerung von Konzernen zu sorgen. „Österreichs Finanzminister vertritt damit leider die Interessen der Multis, die es sich weiterhin steuerlich richten wollen “, kritisiert David Walch von Attac Österreich. (3)
Österreich weist hingegen nur eine sehr geringe Zahl an Vorbescheiden und potentiell schädlichen Steuerregeln auf. Bislang hat man sich auch gegen sogenannte Patentboxen entschieden, bei denen Gewinne aus Lizenzen viel geringer besteuert und damit Gewinnverschiebungen erleichtert werden.
Inwieweit Österreich das ab 2017 in der EU verpflichtend einzurichtende Register von wirtschaftlich Begünstigten öffentlich zugänglich machen wird, ist derzeit unklar. Zudem ist es in Österreich weiterhin möglich, Eigentumsrechte mittels TreuhänderInnen ohne schriftlichen Vertrag und ohne öffentlich zugängliche Registrierung zu verbergen (versteckte Treuhand) und so einer Besteuerung zu entgehen.
Bei den - für Entwicklungsländer schädlichen - bilateralen Steuerabkommen liegt Österreich im europäischen Mittelfeld. Sorge bereitet jedoch, dass die Quellensteuersätze österreichischer Abkommen mit Entwicklungsländern um 4,5 Prozent unter deren eigenen Steuersätzen liegen. (4)
Zwtl.: Forderung nach grundlegenden Alternativen im Steuersystem
Der Forderungskatalog des Berichts enthält nicht nur einen verbesserten Schutz für Whistleblower, die Umsetzung einheitlicher Register von wirtschftlichen Begünstigen, die Veröffentlichung von länderweisen Berichten aller in Europa tätigen multinationalen Unternehmen und von Kernelementen von Steuer-Vorbescheiden, sondern beinhaltet auch ein faires Vorgehen beim Abschluss bilateraler Steuerabkommen mit Entwicklungsländern (inklusive einer Studie zur Folgenabschätzung). Diese sollten am internationalen automatischen Informationsaustausch der Steuerbehörden teilnehmen können - selbst wenn sie vorerst keine Daten liefern können.
Der Bericht greift auch die langjährige Forderung von Attac und dem VIDC auf, grundlegende Alternativen im Steuersystem, wie etwa eine Gesamtkonzernbesteuerung, zu untersuchen . (5) „Auf europäischer Ebene schlägt die EU-Kommission mit der gemeinsamen konsolidierten Körperschaftssteuer-Basis zwar die richtige Richtung ein. Der Vorschlag sollte jedoch mit Mindessteuersätzen umgesetzt werden, sonst könnten Unternehmenssteuern angesichts des aktuellen Steuerdumpings bald der Geschichte angehören“, fordern Neuwirth und Walch.
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(1) Das europäische Netzwerk EURODAD gibt seit 2013 jährlich einen Bericht über die Entwicklungen in Europa im Kampf gegen Steuervermeidung und Steuerhinterziehung heraus. Österreich wurde nun erstmals - unter Mitwirkung vom VIDC und Attac Österreich - in den Bericht aufgenommen. Den gesamten Bericht „The Survival of the Richest. The EU's role in supporting an unjust global tax system 2016” finden Sie hier: <link http: bit.ly moz-txt-link-freetext>
(2) Finnland, die Niederlande und Norwegen begrüßen seit 2016 öffentliche Register. Großbritannien, Frankreich, Dänemark und Slowenien arbeiten bereits an der Umsetzung. Deutschland und Tschechien könnten sich den Befürwortern bald anschließen.
(3) Mit einer öffentlichen länderweisen Finanzberichterstattung müssten Konzerne unter anderem öffentlich machen, wie viel Gewinn sie in einem Staat erzielen und wie viel Steuern sie darauf entrichten. Eine Studie von PriceWaterhouseCoopers kam im Falle der Banken zum Schluss, dass dadurch kaum negative sondern eher positive wirtschaftliche Effekte zu erwarten sind: „From the econometric analysis we concluded that Article 89 was unlikely to have a significant negative economic impact, and could have a small positive economic impact.“ <link http: bit.ly moz-txt-link-freetext> Das österreichische Finanzministerium hat sich allerdings strikt gegen eine Veröffentlichung gewandt, siehe etwa EU-Ausschuss im Bundesrat vom 11.5.2016: <link http: bit.ly moz-txt-link-freetext>. Detaillierte Kritik daran siehe: <link http: bit.ly moz-txt-link-freetext>
(4) Die vom VIDC herausgegebene Studie „Double Taxation Treaties between Austria and Developing Countries. A legal and economic analysis“ analysiert ausführlich österreichische Steuerabkommen mit Entwicklungsländern, siehe: <link http: bit.ly moz-txt-link-freetext>
(5) Dabei würden multinationale Unternehmen als Einheit betrachtet und besteuert. Sie müssen auf Grundlage eines gemeinsamen Berichts aller Tochterunternehmen ihre Tätigkeiten und Gewinne weltweit ausweisen. Die Gewinne werden mittels eines Umlageschlüssels auf die einzelnen Länder aufgeteilt, zum Beispiel basierend auf den Variablen Lohnzahlungen, Sachanlagen und Umsatz und schließlich entsprechend besteuert.
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Rückfragen:
Martina Neuwirth, VIDC,
<link moz-txt-link-abbreviated>neuwirth@vidc.org
0664 520 68 78
David Walch, Attac Österreich,
<link moz-txt-link-abbreviated>presse@attac.at
0650 544 00 10