von Theresa Kofler
Erschienen am 22. April 2025 als Gastkommentar
Zölle rauf, Zölle runter, Ausgang ungewiss. Donald Trumps Zickzackkurs schickt Schockwellen durch die Weltwirtschaft. Wir erleben nichts Geringeres als den Anfang vom Ende der neoliberalen Globalisierung. Die Krisen, die diese Globalisierung ausgelöst hat – politisch, wirtschaftlich, sozial und ökologisch – treten mit der Zollpolitik des US-Präsidenten noch deutlicher zutage.
Trumps Ziel ist ein kalter Handelskrieg, in dem die USA als dominante Macht auftreten – mit Zöllen als Druckmittel gegen den Rest der Welt. Den bisherigen Reaktionen der EU mangelt es leider an Weitsicht: Ob Gegenzölle, mehr US-Flüssiggas- oder Rüstungsimporte und der Vorschlag eines “Industriegüterfreihandels” – all das erinnert mehr an alte Reflexe als an eine zukunftsfähige Strategie.
Zu diesen alten Reflexen zählt auch das EU-Mercosur-Abkommen, dessen raschen Abschluss Bettina Rudloff und Franz Sinabell im Gastkommentar (siehe „Die beste Antwort auf Trumps Zollorgie ist Mercosur“, DER STANDARD , 11.4.2025) fordern. Das Verhandlungsmandat – und damit die grundlegende Logik des Abkommens – stammt aus dem Jahr 1999. Ziel ist es, den Handel mit Produkten zu steigern, die extrem klimaschädlich sind: Südamerikanische Länder exportieren mehr Rohstoffe und Agrarprodukte, die mit Entwaldung, Vertreibung und Pestizideinsatz einhergehen. Die EU exportiert dafür mehr Verbrennerautos und Autoteile sowie zahlreiche in der EU verbotene Pestizidwirkstoffe wie Cyanamid, Glufisonat oder Propineb, die dann wieder auf unseren Tellern landen. (Bei Zitrusfrüchten erlaubt Brasilien einen 20mal so hohen Rückstandlevel des Insektizids Acephat wie die EU.)
Auch die von Sinabell und Rudloff gelobte Neuverhandlung vom Dezember 2024 enthält keine Sanktionen gegen Entwaldung, und die Einhaltung der Pariser Klimaziele ist keine Bedingung. Der Handel mit Pestiziden wird noch stärker ausgeweitet. Der versprochene Milliardenausgleichsfonds für die europäischen Bauern und Bäuerinnen wiederum ist weder finanziell abgesichert noch politisch durchdacht. Ein Pflaster für Verluste bietet keine langfristigen Lösungen für die Existenzprobleme in der EU-Landwirtschaft.
Der EU-Mercosur-Handel kann zudem das etwa zehnmal so große Handelsvolumen mit den USA auch ökonomisch nicht ersetzen. Und selbst optimistische Wachstumsprognosen versprechen nur 0,1 Prozent Wachstum des Bruttoinlandsprodukts nach zehn Jahren. Höchste Zeit also, Trumps Handelskrieg mit neuen Antworten zu begegnen.
Bessere politische Beziehungen nach Südamerika wären zweifellos ein Gewinn. Dafür müssen politische Abkommen aber auf gemeinwohlorientierten Zielen beruhen. Statt Handelsvolumina über alles zu stellen, sollten wir ein Freundschaftsabkommen verhandeln, dessen Fokus auf Menschenrechten, Klimaschutz und Frieden liegt. Die Mercosur-Staaten in ihrer Rolle als billige Rohstofflieferanten einzuzementieren, während die EU vor allem industriell verarbeitete Produkte exportiert, ist keine Lösung.
Der aktuelle Schock für die Weltwirtschaft und die Verwundbarkeit der EU hängen auch damit zusammen, dass Trumps Zölle internationale Lieferketten und Handelsströme stören. Hätte Europas Industrie und Industriepolitik zum Beispiel mehr auf Züge für Europa statt auf Verbrennerexporte gesetzt, stünden wir heute besser da. Das Mercosur-Abkommen setzt mit den Zollsenkungen für Autos und Autoteilen auch hier am falschen Punkt an. Es wird die europäische Industrie weder krisenfester machen noch die dringend nötige europäische Mobilitätswende unterstützen.
Wie problematisch die Abhängigkeit von globalen Lieferketten ist, hat schon die Corona-Krise gezeigt, als Arzneimittel kaum verfügbar waren. Die EU sollte daher Lieferketten verkürzen, regionale und ökologische Beschaffung stärken, Schlüsselsektoren für die Dekarbonisierung unterstützen und demokratische Mitbestimmung ausbauen. Grundbedürfnisse wie Mobilität und Energie müssen dabei wieder leistbar und öffentlich bereitgestellt werden. Gleichzeitig braucht es eine gerechtere Einkommens- und Vermögensverteilung um die Binnennachfrage zu stärken, statt auf Merkantilismus und Exportüberschüsse zu setzen.
Neben neuer Zusammenarbeit in der Handelspolitik braucht es auch koordinierte Währungspolitik, um Handel und Kapitalflüsse besser zu steuern. Länder mit großen Exportüberschüssen, oft durch Lohndumping erreicht, müssen dabei Verantwortung übernehmen – ständiger Konkurrenzdruck schadet am Ende allen. Vor allem aber braucht es für sinnvolle Handelsbeziehungen ein System, das Wechselkursschwankungen entlang der Inflationsraten stabilisiert und auch der massiven Währungsspekulation durch Zinssteuerung der Notenbanken den Boden entzieht.
Die Welt steuert auf eine Drei-Grad Erhitzung zu. Die EU muss eine bessere und klimafreundlichere Handelsstrategie entwickeln, statt noch mehr Rindfleisch, Soja und Bioethanol gegen noch mehr Autos und Pestizide quer über den Atlantik zu handeln. Verpasst die EU diese Chance, werden wir vor weit größeren Herausforderungen als Handelskriegen stehen.
So schockierend Trumps Zollpolitik sein mag, sie bietet auch die Gelegenheit, mit der neoliberalen Handelslogik zu brechen und unsere europäischen und internationalen Beziehungen resilienter aufzustellen.
Theresa Kofler ist Expertin für internationale Beziehungen und Handelspolitik bei Attac Österreich.