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Urteil im Attac-Bankentribunal: Politik hat öffentliche Interessen an private ausgeliefert

Ökonomische und politische Eliten haben Krise verursacht

Berlin/Wien. Am gestrigen Sonntag wurde in der ausverkauften Berliner Volksbühne das Urteil im dreitätigen Bankentribunal von Attac Deutschland gesprochen. Das Gerichtsverfahren konnte mit prominenten AnklägerInnen und ZeugInnen die maßgebliche direkte persönliche Mitverantwortung von ökonomischen und politischen Eliten an der Finanzkrise nachweisen. Obwohl es sich bei der Finanzkrise um eine systemische Krise handelt, hätte sie verhindert werden können.

Podiumsteilnehmer Christian Felber von Attac Österreich: ?Das Tribunal hat das Totalversagen von Demokratie und Rechtsstaat bei der Aufarbeitung der politischen und ökonomischen Verantwortlichkeiten offenbart. Mit dieser intensiven öffentlichen Auseinandersetzung über die Ursachen und Konsequenzen der Finanzkrise setzt Attac Deutschland ein wichtiges demokratiepolitisches Zeichen. Das Urteil ist der Start für eine dauerhafte kritische und kompetente Einmischung der Zivilgesellschaft. Nicht nur in Deutschland ist eine Diskussion über einen Bankensektor, der dem Allgemeinwohl dient, dringender denn je.?


Die Richter des Tribunals, der Wirtschaftswissenschaftler Karl Georg Zinn, die Terres-des-Hommes Geschäftsführerin Danuta Sacher, der Sozialethiker Friedhelm Hengsbach, die Taz-Wirtschaftskorrespondentin Ulrike Herrmann sowie der bekannte Darmstädter Sozialrichter Jürgen Borchert stellten in ihrem Urteilsspruch fest: ?Die Jury kommt zu der Überzeugung, dass die Finanzkrise nicht wie eine Naturgewalt über die deutsche Wirtschaft hereingebrochen ist. Es gibt klare Verantwortliche. Dazu gehört die Politik, hier vertreten durch Bundeskanzler Gerhard Schröder und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Durch ihre Arbeitsmarkt-, Sozial- und Finanzpolitik haben sie dazu beigetragen, dass sich die Finanzmärkte von der Realwirtschaft ablösen konnten und hochriskante Spekulationsgeschäfte möglich wurden. Sie haben wiederholt die öffentlichen Interessen an private ausgeliefert. Sie haben die Demokratie untergraben. Sie haben die Gläubiger geschont und nicht für die Kosten der Bankenrettung herangezogen. Sie haben die Milliardensummen den öffentlichen Haushalten aufgebürdet. Sie setzen sich nicht entschieden für die überfällige Regulierung der Finanzmärkte ein. Sie lassen es ferner geschehen, dass Milliarden von Menschen im globalen Süden noch tiefer in Armut gestützt werden.?

Die Jury widersprach den Banken, hier vertreten durch Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann, sie seien nur 'Getriebene der Märkte'. Vielmehr haben sie durch ihr bedenkenloses Gewinnstreben den Grundsatz grob verletzt, dass 'Eigentum verpflichtet' und auch dem Wohl der Allgemeinheit zu dienen hat."

In ihrer Urteilsbegründung monierten die Richter insbesondere, dass die Profiteure der Staatshilfen nicht angemessen an den Rettungsaktionen beteiligt wurden und die Gläubiger der Banken bisher gar keinen Beitrag leisten mussten. Die deutsche Bundesregierung trage eine Mitschuld daran, dass die internationale Finanzmarktregulierung nur schleppend in Gang kommt.

?Die Aufgabe der Bundesregierung wäre es gewesen, kleinere Banken zu schaffen, statt gigantische Zusammenschlüsse zu organisieren?, stellten die Richter fest. Als Gänzlich unvereinbar mit demokratischen Grundsätzen bezeichnete die Jury, dass selbst von Regierungsseite manche Finanzakteure als ?too big to fail? angesehen werden. Dies konstatiere einen unerträglichen Zustand staatlicher Ohnmacht, der mit dem Demokratieprinzip unvereinbar sei. ?Daraus folgt der zwingende Beweis für die Notwendigkeit der Zerschlagung solcher Institute?, heißt es in der Urteilsbegründung.
Als Ankläger, Verteidiger und Zeugen hatte Attac kompetente und prominente Persönlichkeiten gewonnen, darunter den ehemaligen Vorsitzenden der IG Medien, Detlef Hensche; den ehemaligen Chefredakteur von Spiegel und Managermagazin Wolfgang Kaden; der langjährigen Leiter des Wirtschaftsressorts der Frankfurter Rundschau, Robert von Heusinger; Heidi Klein von Lobbycontrol; die kenianische Menschenrechtsaktivistin Wangui Mbatia; den Leiter des Institutes für Sozialökologische Wirtschaftsforschung Conrad Schuhler; den Tagesspiegel-Journalisten Harald Schumann; die Attac-Mitgründer Peter Wahl und Sven Giegold sowie die Politikwissenschaftler Elmar Altvater und Peter Grottian.

Zu den ? nicht erschienenen ? Angeklagten des Tribunals gehörten die aktuelle Bundesregierung und ihre zwei Vorgängerinnen, vertreten durch Gerhard Schröder, Angela Merkel und Peer Steinbrück; die Deutsche Bank und der Bundesverband deutscher Banken, beide vertreten durch Josef Ackermann; sowie Hans Tietmeyer, ehemaliger Aufsichtsrat von Depfa und HRE, Chef-Kurator der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft und früherer Bundesbankpräsident. Ihnen warf die Anklage ?Aushöhlung der Demokratie und Vorbereitung der Krise?, ?Zerstörung der ökonomischen Lebensgrundlagen in Nord und Süd? sowie ?Verschärfung der Krise? vor.  

Weitere Informationen: www.attac.de/aktuell/krisen/bankentribunal/startseite/


Das Urteil im Wortlaut: www.attac.de/aktuell/krisen/bankentribunal/urteil/