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Widerstand gegen Klimaschwindel der UN-Luftfahrtorganisation

Rund 40 Organisationen verlangen wirksamen Klimaschutz statt Scheinlösungen

„Nein zum Ausbau des Flugverkehrs! Keine falschen Klimalösungen!“ Unter diesem Motto steht eine heute gestartete internationale Kampagne von 40 Organisationen und Initiativen, darunter „System Change, not Climate Change!“ [1], Attac, Friends of the Earth International, World Rainforest Movement sowie Initiativen, die gegen Flughafen-Bauprojekte kämpfen. Im Zentrum steht dabei eine Petition, die sich gegen Pläne der UN-Luftfahrtorganisation ICAO richtet: Sie will weiteres Flugwachstum legitimieren, indem sie behauptet, dieses könne alsbald „klimaneutral“ gestaltet werden.

„Das angeblich CO2-neutrale Wachstum ist nichts anderes als klassisches Greenwashing“, kommentiert Carla Weinzierl von Attac Österreich. „Anstatt der nötigen gesellschaftlichen Veränderungen werden also systemstabilisierende Scheinlösungen vorangetrieben.” Mit einer internationalen Petition planen die Organisationen Druck aufzubauen und die Verabschiedung zu verhindern. Statt Scheinlösungen und falschen Versprechen fordern die Unterzeichner*innen Maßnahmen zur Verminderung des Flugverkehrs, um die globale Erwärmung zu bekämpfen.

„CO2 neutrales“ Wachstum der Luftfahrt gibt es nicht
Die Luftfahrtbranche zählt zu den größten Umweltverschmutzern und ist der am schnellsten wachsende Treibhausgasemittent weltweit. Um öffentlicher Kritik zu begegnen, diskutiert die ICAO nun ein Konzept für ein „klimaneutrales Wachstum“ des Flugverkehrs ab 2020 („Carbon-Neutral Growth“). Der Plan soll insbesondere mittels marktgesteuerter Instrumente wie CO2-Kompensationsprojekten (sogenannte Offsets) umgesetzt werden.
 
„Die Luftfahrtindustrie versucht den weiterhin steigenden CO2-Austoß zu rechtfertigen, indem sie vermittelt, man könne sich von den eigentlich nötigen Reduktionen freikaufen. So müssen jene, die es sich leisten können, kein schlechtes Gewissen haben - während die Kosten weiterhin auf die Ärmsten abgeschoben werden. Denn der Klimawandel trifft in erster Linie diejenigen im globalen Süden, die ihn nicht verursachen,“ so Carla Weinzierl.

Die Luftfahrtindustrie würde Investitionen tätigen, damit andere Branchen zusätzlich Emissionen einsparen und der Flugverkehr weiter wachsen kann. Beispiele für Offsets sind Baumplantagen oder auch große Wasserkraftwerke, die vorgeben, CO2 einzusparen [2].

Wirksame Klimaschutzmaßnahmen statt Greenwashing
„'Carbon-neutral Growth' ist Werbung für mehr Flüge und behindert die überfällige Mobilitätswende für echten Klimaschutz. Das Klima schützt, wer weniger fliegt. Wir brauchen eine Obergrenze für die Treibhausgas-Emissionen der zivilen Luftfahrt“, sagt Monika Lege von der Umweltorganisation Robin Wood (BRD).

„Die Anzahl der Flüge muss reduziert und der Aus- und Neubau von Flughäfen gestoppt werden. Stattdessen sollte in einen attraktiven und erschwinglichen Bahnverkehr investiert werden“, fordert John Stewart, der sich in der Widerstandsbewegung gegen das Flughafen-Ausbauprojekt in London Heathrow (UK) engagiert.
 
„Staaten müssen aufhören, Flughäfen und die Luftfahrtindustrie zu fördern und eine Energiesteuer auf Flugtreibstoffe verhängen. Flüge sind nur deswegen so billig, weil Kerosin nicht besteuert ist und Schäden an Gesundheit, Umwelt und Klima von der Bevölkerung getragen werden müssen, und nicht von der Luftfahrtindustrie“, erklärt Magdalena Heuwieser von Finance & Trade Watch (Österreich).

Offsets verursachen mehr Probleme, als sie lösen
„Offsets lösen keine Probleme, sondern verursachen neue. Im Globalen Süden führen Offsets vielerorts zu Landraub, Zwangsumsiedlung oder einem Verbot, die eigenen Gebiete zu betreten, was die Existenzgrundlage vieler Menschen gefährdet“, sagt Teresa Perez von World Rainforest Movement mit Sitz in Uruguay.
Diese Vorwürfe treffen insbesondere auf Offsets zu, bei denen Kohlenstoff in Wäldern und Böden gespeichert wird (im speziellen REDD+) [3]. Darüber hinaus sind Offsets ein Freibrief zum Verschmutzen und führen in der Regel nicht zur Reduktion von Emissionen.

Fake-Offsetting-Website als Teil der Kampagne
Um die Probleme aufzuzeigen, die mit Offsetting und Emissionshandel einhergehen, haben mehrere Organisationen die Website www.climate-neutral.org erstellt. Durch die Imitation einer echten Offsetting-Seite, wie beispielsweise der „Climate Neutral Now“-Initiative der UN, werden weit verbreitete Scheinlösungen in der internationalen Klimapolitik ironisch überspitzt kritisiert:  „Werden Sie Klimaretter! Viele meinen, das Klima könne nur gerettet werden, wenn wir unsere Wirtschaft und unseren Lebensstil ändern – weniger fliegen, weniger Auto fahren, weniger shoppen. Geht das nicht auch einfacher? Climate Neutral bietet die Lösung: Kaufen Sie sich durch wenige Klicks CO2-neutral!“ – heißt es auf der Fake-Website. Die Seite existiert in vier Sprachen (Englisch, Französisch, Spanisch, Deutsch) und beinhaltet ein Werbevideo, einen Fake-CO2-Rechner sowie eine Präsentation echter CO2-Kompensationsprojekte.

Mehr Informationen:
Petition: https://www.attac.at/kampagnen/system-change/petition-flugverkehr.html
Fake Offsetting Website: <link http: www.climate-neutral.org moz-txt-link-abbreviated>www.climate-neutral.org

Kontakte:
Carla Weinzierl, Attac Österreich: <link moz-txt-link-abbreviated>Carla.weinzierl@attac.at, 0650/5440010
Magdalena Heuwieser, “System Change, not Climate Change!” sowie “Finance & Trade Watch” (Austria): <link moz-txt-link-abbreviated>magdalena.heuwieser@ftwatch.at, 0043/6503773102
Monika Lege, ROBIN WOOD (BRD), verkehrATTAC@robinwood.de, 0049/40 380 892 12

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Fußnoten:
[1] „System Change, not Climate Change!“ ist eine österreichweite Bewegung für Klimagerechtigkeit, die seit rund einem Jahr existiert. Schwerpunkt ist derzeit der Widerstand gegen den Ausbau des Flughafens Wien-Schwechat.
Siehe: http://systemchange-not-climatechange.at/stopp-3-piste/  

[2] ICAO steht für International Civil Aviation Organisation. Sie besteht aus 191 Mitgliedsstaaten sowie Flugverkehrsgesellschaften. Kritiker*innen sehen ICAO-Entscheidungen als vermehrt industriegesteuert. In einer Versammlung vom 27. September bis zum 7. Oktober 2016 trifft die ICAO eine Entscheidung, inwiefern sie zum Klimaschutz beitragen wird. Eine Strategie ist „klimaneutrales Wachstum 2020“, basierend auf marktgesteuerten Instrumenten (Offsetting). 2013 veröffentlichte die „Global Aviation Industry“ ein Positionspapier, das Folgendes besagt: „Die Industrie glaubt, CO2- Kompensationsprojekte sind am schnellsten zu implementieren, am einfachsten zu verwalten und zudem am kosteneffizientesten.“
Siehe: www.icao.int/Meetings/EnvironmentalWorkshops/Documents/2015-Warsaw/61An-introduction-to-market-based-measures-MBMs.pdf und www.iata.org/policy/environment/Documents/atag-paper-on-cng2020-july2013.pdf und www.icao.int/Meetings/HLM-MBM/Pages/HLM_briefing.aspx und www.fern.org/icao

 [3] Land- und waldbasierte CO2-Offsets, wie REDD+ (Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation) oder in der Landwirtschaft sind besonders umstritten. Die CO2-Speicherung in Böden oder Wäldern ist wissenschaftlich eigentlich nicht durchführbar. Während Emissionen fossiler Energieträger dauerhaft wirksam sind, wirkt die Kohlenstoffspeicherung in Wäldern oder Böden nur temporär und kann daher nicht eins zu eins umgerechnet und kompensiert werden. Zusätzlich können Flächenbrände, Stürme oder natürlicher Verfall dazu führen, dass gespeicherter Kohlenstoff in Pflanzen und Böden jederzeit unkontrolliert freigesetzt wird – selbst, wenn die schon gegengerechneten Flugemissionen längst in der Atmosphäre wirken.
Vor allem REDD+Projekte haben in der Vergangenheit schon häufig zu Menschenrechtsverletzungen und Land Grabbing geführt. REDD+ fokussiert sich auf den Schutz bestehender Wälder, die häufig in indigenen oder bäuerlichen Regionen liegen, und beschuldigen größtenteils – und fälschlicher Weise – die kleinbäuerliche Landwirtschaft oder Wanderfeldbau, für Entwaldung verantwortlich zu sein. Die durch REDD+ auferlegten Einschränkungen haben dadurch negative Auswirkungen auf den kleinbäuerlichen Lebensunterhalt und Lebensstil, sie führten schon mehrmals zur Vertreibung oder gewaltsamen Unterdrückung. Im Gegensatz mangelt es an REDD+ Projekten, die sich auf die tatsächlichen Verursacher großräumiger Entwaldung konzentrieren. Dazu zählen beispielsweise die Extraktion von Öl oder Kohle, Bergbau, Infrastruktur, Staudämme, industrielle Rodung und internationaler Handel von landwirtschaftlichen Rohstoffen.
Siehe: http://wrm.org.uy/browse-by-subject/mercantilization-of-nature/redd/ und www.redd-monitor.org und www.climatesmartagconcerns.info