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WTO: EU setzt Pharma-Interessen im Patentstreit durch

„WTO ist der falsche Ort, um Fragen der öffentlichen Gesundheit zu verhandeln.“

Das monatelange Ringen von mehr als 100 Staaten für eine wirksame Freigabe von geistigen Eigentumsrechten für Covid-19 Impfstoffe, Medikamente und medizinische Ausrüstung (“TRIPS-Waiver”) ist gescheitert. Bei der heute früh zu Ende gegangenen Minister*innenkonferenz der Welthandelsorganisation WTO in Genf konnte die EU gemeinsam mit den USA, Großbritannien und der Schweiz ihren unzureichenden Gegenvorschlag (1) im Patentstreit durchsetzen.

„Der EU und den reichen Industriestaaten ist es gelungen, die Profitinteressen ihrer Pharmakonzerne durchzusetzen und eine Lösung im Interesse der öffentlichen Gesundheit zu verhindern“, kritisiert Iris Frey von Attac Österreich.

Kritik an undemokratischen Verhandlungen

Schon im Vorfeld der WTO-Konferenz drängte die EU den Vorschlag Indiens und Südafrikas für eine umfassende Patentfreigabe zugunsten ihres Gegenvorschlags aus der Debatte. Bei den intransparenten und undemokratischen WTO-Verhandlungen im sogenannten „Green Room“ wurden dann kritische Länder ausgeschlossen. Attac kritisiert zudem die massive Zugangsbeschränkung für Vertreter*innen der Zivilgesellschaft zu den WTO-Verhandlungen. „Diese Beschränkungen haben im Vergleich zu früheren Konferenzen ein neues Ausmaß erreicht”, kritisiert Theresa Kofler von der Plattform Anders Handeln (2), die in Genf vor Ort war. (3)

Verantwortung an die Weltgesundheitsorganisation WHO übertragen

"Dieser undemokratische Prozess bestätigt, dass Entscheidungen über die öffentliche Gesundheit nicht an der WTO getroffen werden sollten. Die WTO ist dafür auch ganz grundsätzlich der falsche Ort, weil dort Export- und Profitinteressen im Zentrum stehen - und eben nicht öffentliche Interessen wie Gesundheit", kritisiert Frey. Attac fordert, die Verantwortung für die Bewältigung der Pandemie der Weltgesundheitsorganisation WHO zu übertragen.

Regierungen sollen WTO-Streitmechanismen nicht nutzen

Zudem fordern mehr als 250 Organisationen weltweit die Regierungen trotz des unzureichenden WTO-Beschlusses auf, Menschenleben den Vorrang vor Pharmamonopolen zu geben. Die Regierungen sollten sich daher einseitig verpflichten, die WTO-Streitmechanismen für Handel und Investitionen nicht zu nutzen, um Länder von der Herstellung, dem Vertrieb oder der Nutzung Covid-bezogener Arzneiprodukte abzuhalten.

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(1) Der ursprüngliche – von über 100 Staaten unterstützte - TRIPS-Waiver-Vorschlag Indiens und Südafrikas beinhaltete Corona-Impfstoffe, Medikamente, Diagnostika und Medizinprodukte. Er inkludierte zudem die Freigabe aller Arten von geistigen Eigentumsrechten (wie Geschäftsgeheimnissen). Im Unterschied dazu gilt der EU-Vorschlag nur für Corona-Impfstoffe (nicht aber für Medikamente, Diagnostika und Medizinprodukte), er gibt nur Patente frei (nicht aber alle geistigen Eigentumsrechte) und ist nicht für alle Staaten anwendbar.

(2) Die Plattform Anders Handeln wurde initiiert von Attac, GLOBAL 2000, Südwind, den Gewerkschaften PRO-GE, vida und younion _ Die Daseinsgewerkschaft, der Katholischen ArbeitnehmerInnenbewegung sowie der ÖBV-Via Campesina Austria und wird von rund 50 weiteren Organisationen unterstützt.

(3) Siehe: ourworldisnotforsale.net/2022-06-12_R_police und ourworldisnotforsale.net/2022_retract_access


Fotos und Hintergründe zur Protestaktion “Green Rooms” am 14.6. ourworldisnotforsale.net/2022-06-14_R_protes