Rechtsextremismus und die Gefahren verkürzter Kritik

Attac setzt sich offensiv mit der Thematik auseinander

Die globalisierungskritische Bewegung war in der Vergangenheit immer wieder mit Vorfällen konfrontiert, die Berührungspunkte zu Versatzstücken rechtsextremer Ideologien aufzeigen oder zumindest nahelegen. Besonders prominent ist hierbei die Debatte um einen Antisemitismus in der Globalisierungskritik.

Diese Kritikpunkte und Problemfelder wurden von der globalisierungskritischen Bewegung sehr ernst genommen und teilweise auch selbst identifiziert. Eine bewusste Nähe zu rechtsextremen Ideologien stößt in jedem Fall auf einhellige Ablehnung bei den Aktivist*innen. Gleichzeitig erleben viele, vor allem junge Aktivist*innen eine gewisse Hilflosigkeit bei der Identifizierung von Problemfeldern und im politischen Umgang damit. Aus diesen Gründen setzte und setzt sich Attac offensiv mit der Thematik auseinander. Bereits 2004 hat Attac Österreich in Wien einen dreitägigen Kongress zum Thema veranstaltet.

Attac Kongress gegen antisemitische Tendenzen und rechtsextreme Vereinnahmung, 2004.

Der Kongress-Reader zum Nachlesen

In der Krise werden Sündenböcke gesucht

Damit das aktuelle System nicht gefährdet wird, neigen Beschäftigte, Staaten und Regierungen in Krisensituationen dazu, die Aggressionen auf Sündenböcke abzulenken. Unter Sündenböcken werden einerseits „Schmarotzer“ am „Gemeinwohl“ und an „der Arbeit anderer“ verstanden, das heißt also sehr arme und sehr reiche Menschen. Andererseits richtet sich der Hass gegen „Verschwörungen“ von „Mächtigen“, die „hinter den Kulissen“ angeblich „die Fäden in der Hand“ halten. Solche Sichtweisen sind für Antisemitismus sehr gefährdet bzw. oft verdeckt antisemitisch.

Historischer Kontext

Die Krise der dreißiger Jahre wurde vom Rechtsextremismus so erklärt: „Gewissenlose, gierige Spekulanten“ und „arbeitsscheue Schmarotzer“ hätten die „Volkswirtschaft“ ruiniert. Die Ursache der Arbeitslosigkeit wäre ein böses, gieriges, unproduktives, internationales, großes, „raffendes Kapital“. Zugleich gäbe es ein gutes, ehrliches, produktives, nationales, kleines, „schaffendes Kapital“. Der Rechtsextremismus war vom Wahn besessen, dass es eine „Weltverschwörung“ von Jüdinnen und Juden gäbe, die nach „Weltherrschaft“ strebe und auf „dem Materialismus beruhe“. Sie wäre die Ursache für Krieg und Konkurrenz. Der Nationalsozialismus strebte nach einer „Brechung der Zinsknechtschaft“. „Ehrliche Arbeit“ und „deutsches Unternehmertum“ sollten sich „wieder lohnen“. Der Nationalsozialismus hat sich selbst als Gegner sowohl des Liberalismus bzw. Kapitalismus als auch des Marxismus bzw. Kommunismus gesehen. In Wahrheit wollte er jedoch einen Kapitalismus ohne die Probleme des Kapitalismus, nämlich Konkurrenz, Arbeitslosigkeit, Kriege, Unfreiheit, Ohnmachtsgefühle, Unternehmensmacht und Wirtschaftskrisen.

Der Antisemitismus äußert sich nach 1945 meist nicht mehr offen, sondern verwendet Andeutungen und Anspielungen. Anstelle von „Juden“ werden die Worte „Wall-Street“, „Ostküste“ oder „Hochfinanz“ verwendet bzw. jüdisch klingende Namen zitiert. Mit den Worten „heimatlos“ und „wurzellos“ beschreiben AntisemitInnen die Juden und Jüdinnen. „Wurzelloses Kapital“ ist daher eine Anspielung auf „jüdisches Kapital“. Der Antiamerikanismus ist zum Teil ein Deckmantel für den Antisemitismus oder kann leicht in ihn umkippen.

Bei aller wissenschaftlichen und politischen Berechtigung einer analytischen Trennung von "Realwirtschaft" und Finanzmärkten besteht immer die Gefahr, über eine Personifizierung und moralische Konnotation der beiden Sphären an antisemitische Stereotype anzudocken. Diese Tendenz manifestiert sich regelmäßig in der diskursiven Repräsentation der Kategorie des Zinses und im Rahmen der Freiwirtschaftslehre. Aber die liberalisierten Finanzmärkte sind nicht die alleinige Ursache der aktuellen Probleme. Denn die Finanzmärkte haben sich aufgebläht, weil in der Warenproduktion nicht mehr genug Profit gemacht werden konnte. Hier gilt es eben auch andere Aspekte der Globalisierung nicht zu vergessen.

Problematisch ist es auch, die „guten“ Nationalstaaten gegen die „bösen“ internationalen Konzerne auszuspielen. Denn beide arbeiten ganz eng zusammen, auch auf europäischer Ebene. Denn die Globalisierung beruht nicht auf einer Verschwörung der „Mächtigen und Herrschenden“. Sondern sie ist der misslungene Versuch der Staaten und der Unternehmen, die Wirtschafts- und Gesellschaftsprobleme der 70er Jahre zu lösen, vor allem die zu geringen Profite zu erhöhen.

Gier spielt im Kapitalismus keine zentrale Rolle. Der Druck zur Profitmaximierung ergibt sich aus der Konkurrenz um den Profit. Anders als Rechtsextremismus und Neoliberalismus meinen, ist dies aber nicht naturgegeben, sondern überwindbar.