Das alternative Handesmandat

Menschen und Planet zuerst

Ein Bündnis aus 50 Organisationen hat in einem vierjährigen offenen Prozess Grundlagen und Handlungsvorschläge für eine alternative Handelspolitik entwickelt, die sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert. Menschenrechte, menschenwürdige Arbeit, soziale und ökologische Ziele sind nicht verhandelbar; Demokratie, Selbstbestimmungsrecht von Gemeinschaften und flache Hierarchien werden als Grundlage einer selbstbestimmten Gesellschaft festgeschrieben. Handels- und Investitionspolitik hat diesen Vorrang anzuerkennen.

Menschen und Planet zuerst

Beim Handel sollte es um Austausch gehen, in dem ökologisch und kulturell unterschiedliche Regionen ihre Erzeugnisse, Fähigkeiten und Kreativität teilen. Doch in den letzten Jahrzehnten geht es im Handel weniger um den Austausch von Gütern sondern vermehrt darum, soziale und die Umwelt betreffende Schutzmaßnahmen dem Streben nach Unternehmensgewinnen zu opfern.

Dieses Handelsmodell hat Leben, Existenzgrundlagen und Gemeinschaften zerstört. Tatsächlich dient der Handel heutzutage als Kontrollsystem der Mächtigen und um die speziellen Interessen einiger weniger zu fördern.

Als Folge davon ist eine neue Vision für den Handel nicht nur möglich, sondern unbedingt notwendig. Diese muss auf einem neuen System von Prinzipien beruhen und die internationalen Verpflichtungen und gesetzlichen Auflagen der EU berücksichtigen, um so die Kohärenz ihrer Richtlinien sicherzustellen - sei es betreffend Demokratie, Kooperation, BürgerInnenbeteiligung, Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit, Gleichberechtigung der Geschlechter oder Nachhaltigkeit.

Von dieser Notwendigkeit überzeugt, haben über 50 europäische Organisationen, die Bauern und Bäuerinnen, Gewerkschaften, MenschenrechtsaktivistInnen, UmweltschützerInnen, Netzwerke für einen gerechten Handel und EntwicklungshelferInnen repräsentieren, sich zusammengeschlossen um das Alternative Handelsmandat ins Leben zu rufen. Dieses fordert eine Revision des Handelssystems, so dass es die Grenzen des Planeten berücksichtigt und für alle Nutzen bringt.

Dieses Mandat beschäftigt sich mit 10 Bereichen im Detail, sowie dem Grundprinzip, auf dem alle vorgeschlagenen Reformen basieren: die Notwendigkeit einer demokratisch kontrollierten Handels- und Investitionspolitik. Jeder Bereich enthält einen Aufriss der Schlüsselprobleme des gegenwärtigen Systems und echte, umsetzbare Vorschläge um es zu ändern. Untenstehend findet sich eine Zusammenfassung eines jeden Bereiches; diese Bereiche werden im Schlussdokument des Alternativen Handelsmandates eingehender untersucht. Wir ermutigen die europäische Zivilgesellschaft ebenso wie politische Parteien alle diese Vorschläge zu diskutieren und das Alternative Handelsmandat zu unterstützen.

Das Prinzip, das dem Alternativen Handelsmandat zugrunde liegt, ist eine demokratisch kontrollierte Handels- und Investitionspolitik.

1: Nahrung

Wir wollen Nahrungsmittel, die förderlich für unsere Gesundheit und für Kleinbäuerinnen und -bauern sind, und die für ein Ende des Hungers in der Welt sorgen. Um diese Ziele zu erreichen muss die EU unter anderem: Ernährungssouveränität vorantreiben, von Freihandelsabkommen Abstand nehmen, regionale Märkte unterstützen, ihre Autarkie verbessern, Importe von Biotreibstoff unterbinden, nachhaltige Verfahren der Landwirtschaft in Europa und im globalen Süden unterstützen sowie Maßnahmen gegen genetisch modifizierte Organismen in europäischem Saatgut und Importen verstärken.

2: ArbeitnehmerInnenrechte

Wir wollen die Schaffung von mehr ordentlichen Arbeitsplätzen auf der ganzen Welt ermöglichen und eine Handelspolitik fördern, die ArbeitnehmerInnenrechten dient. Um diese Ziele zu erreichen muss die EU unter anderem: die Auswirkungen von Handelsabkommen auf die Beschäftigung im Voraus bewerten und laufend im Auge behalten, Arbeitsnormen erzwingen durch Einführung von Mechanismen, welche Investoren zur Verantwortung ziehen, und Verstöße mit Sanktionen belegen, international das Recht sichern, Gewerkschaften zu gründen und ihnen beizutreten, sowie die Freizügigkeit von Personen garantieren.

3: Politischer Handlungsspielraum und Menschenrechte

Wir wollen, dass Menschenrechte Vorrang gegenüber den wirtschaftlichen Interessen von Unternehmen haben. Um dieses Ziel zu erreichen muss die EU unter anderem: ihre Handelspolitik ändern um diese in Übereinstimmung mit ihren eigenen Menschenrechtsverpflichtungen zu bringen, sicherstellen, dass Handelsabkommen niemals den politischen Spielraum anderer Länder zur Schaffung von für die Durchsetzung der Menschenrechte notwendigen Maßnehmen einschränken, die Menschenrechte einschließlich breiter BürgerInnenbeteiligung systematisch in ihre Nachhaltigkeitsprüfungen integrieren, sowie alle Handelsabkommen, die Menschenrechte verletzen, sofort beenden.

4. Auslandsinvestitionen

Wir wollen, dass Auslandsinvestitionen dazu dienen, eine gerechtere und nachhaltigere Zukunft für Einzelpersonen, Gemeinschaften und den Planeten zu schaffen. Um dieses Ziel zu erreichen muss die EU unter anderem: jene Investitionsabkommen ihrer Mitgliedsländer beenden, welche gegen die gesetzlichen Verpflichtungen der Empfängerländer verstoßen, Menschenrechte respektieren, schützen und gewährleisten und nachhaltige Entwicklung sicherstellen, sich das Recht auf Kapitalkontrollen vorbehalten, Steuerhinterziehung unterbinden, sowie juristische Maßnahmen gegen transnationale Unternehmen erleichtern, wenn diese Fehlverhalten setzen.

5. Banken und Finanzbereich

Wir wollen, dass der Finanzbereich ein streng regulierter Sektor ist, der grundlegende Finanzdienstleistungen für alle erbringt und zur Entwicklung gerechter und nachhaltiger Gesellschaften beiträgt. Um dies zu erreichen muss die EU unter anderem: finanzielle Stabilität zu einem öffentlichen Gut machen, Steueroasen abschaffen, sicherstellen, dass sämtliche den Finanzsektor betreffenden Regulierungen transparent sind, und bestehende Handelsabkommen aufkündigen, wenn diese auf die Liberalisierung des Finanzsektors abzielen.

6. Rohstoffe

Wir wollen gerechtere und nachhaltigere Verwendung von Ressourcen. Um dieses Ziel zu erreichen muss die EU unter anderem: sich klare Ziele für die Reduktion ihres Ressourcenverbrauchs setzen, sicherstellen, dass Rohstoffe, welche in die EU importiert und dort verwendet werden, nicht zu Menschenrechtsverletzungen beitragen, damit aufhören, auf Regeln zu drängen, welche die Rohstoffausfuhr anderer Länder behindern, ihre Industrie auf ökologischer Basis restrukturieren, indem die Produktion wieder mit der sozialen und natürlichen Umwelt verbunden wird, sowie die Macht und Größe transnationaler Unternehmen des Rohstoffsektors beschränken.

7. Klimawandel

Wir wollen eine radikale Reduktion von Kohlenstoffemissionen. Um dieses Ziel zu erreichen muss die EU unter anderem: ihr gescheitertes Emissionshandelssystem abbauen, verbindliche und strengere Energiesparziele setzen, indem das Ziel einer Reduktion der Emissionen auf zumindest 60% bis zum Jahr 2030 angehoben wird, Investitionen in neue Prozesse und Technologien steigern, die Emissionen reduzieren und neue Arbeitsplätze schaffen, ihre "Klimaschulden" bei den Ländern des Südens begleichen, den Aufbau regionaler und nachhaltiger Versorgungsketten im Süden unterstützen um so die Entwicklung einer soliden ökologischen Wirtschaft zu garantieren, welche die Gemeinschaften vor Ort erhalten kann, und alternative Rahmenbedingungen für geistiges Eigentum unterstützen, das regionale grüne Technologien fördert.

8: Öffentliche Dienstleistungen

Wir wollen für alle Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen hoher Qualität, die der gesellschaftlichen Entwicklung dienen, indem sie zum Kampf gegen Ungleichheit beitragen und sozialen Fortschritt fördern. Um diese Ziele zu erreichen muss die EU unter anderem: ihren Fokus weg von den offensiven wirtschaftlichen Interessen zur Liberalisierung öffentlicher Dienstleistungen verschieben, hin zur Sicherstellung öffentlicher Dienstleistungen durch deren Ausschluss aus dem Geltungsbereich von Freihandels- und Investitionsabkommen, aufhören, in Verhandlungen über Handel und Investitionen auf die Liberalisierung öffentlicher Dienstleistungen zu drängen, sowie die demokratische Kontrolle, Qualität und Leistbarkeit öffentlicher Dienstleistungen in Europa und außerhalb stärken.

9. Öffentliches Beschaffungswesen

Wir wollen, dass die öffentliche Auftragsvergabe als ein Werkzeug zur Schaffung und Erhaltung gesunder regionaler Wirtschaftsstrukturen dient, eine gerechte und inklusive Gesellschaft fördert und den Umweltschutz sicherstellt. Um diese Ziele zu erreichen muss die EU unter anderem: das öffentliche Beschaffungswesen als ein Werkzeug zur Förderung von Entwicklung und sozialer Gerechtigkeit betrachten, zulassen dass sich die eigene Gesetzgebung in Richtung nachhaltiger Beschaffung bewegt, und zulassen, dass ihr Zugang zur öffentlichen Beschaffung offen für genaue Prüfung und Kommentierung durch die Zivilgesellschaft ist statt durch gesicherte Interessen von Großunternehmen dominiert zu werden.

10. Geistiges Eigentum

Wir wollen, dass die Rechte auf geistiges Eigentum innerhalb des Grundgerüsts von Menschenrechten, VerbraucherInnenschutz, Wettbewerb, Persönlichkeitsschutz und der Entwicklungsziele festgeschrieben und umgesetzt werden. Um diese Ziele zu erreichen muss die EU unter anderem: umfassende BürgerInnenbeteiligung fördern, Maßnahmen aufgrund transparenter Untersuchungen festlegen, ein dauerhaftes Moratorium hinsichtlich der Erweiterung des Urheberrechts und damit verbundener Rechte und Patenlaufzeiten verhängen, Freie/Libre/Open Source Software fördern, öffentliche Mittel für nicht patentbasierte Anreizmodelle zur Verfügung stellen, und Beschränkungen und Ausnahmen von geistigen Eigentumsrechten festlegen, um die Ziele öffentlicher Politik in Bereichen wie Gesundheit, Bildung, Landwirtschaft, Ernährung und Technologietransfer zu fördern.

Download: Das alternative Handelsmandat.
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