Internationale Organisationen kritisieren heute in Wien die Blockade der österreichischen Regierung in Sachen Steuertransparenz für Konzerne in der EU. Gerade im Rahmen der österreichischen Ratspräsidentschaft hätte die Österreich die Chance die im Regierungsprogramm gemachten Versprechungen (1) einzuhalten und voranzubringen. Die den NGOs übermittelten Argumente des Finanzministeriums sind jedenfalls nicht überzeugend.
Licht ins Dunkel internationaler Konzernsteuertricks
Seit vielen Jahren fordern zivilgesellschaftliche Organisationen Licht ins Dunkel der Steuertricks internationaler Konzerne wie Apple, Google und Co zu werfen. Entscheidend dafür sind öffentliche länderweise Konzernberichte („public country by coutry reporting“). Damit müssten Konzerne unter anderem veröffentlichen, wie viel Gewinn sie wo verbuchen und wie viel Steuern sie bezahlen. Ein entsprechender - verbesserungsbedürftiger - Vorschlag der EU-Kommission liegt seit 2016 vor. Doch seit mehr als 2 Jahren gibt es dazu keinen gemeinsamen Standpunkt der EU-Regierungen. Auch bei einem Treffen der zuständigen Minister heute in Brüssel steht das Thema wieder nicht auf der Agenda.
Öffentliche Konzernberichte zeigen bereits Wirkung
Öffentliche Konzernberichte dämmen Steuervermeidung sogar unmittelbar ein. Eine aktuelle Studie zeigt, dass sich der Steuerbeitrag von zu mehr Transparenz verpflichteten Banken erhöht, vor allem dann wenn sie in Steuersümpfen aktiv sind. (2). „Transparenz verändert Machtverhältnisse“, erklärt Markus Meinzer, Steuerexperte des internationalen Tax Justice Networks: „Deshalb wehren sich die größten Konzerne seit 40 Jahren mit allen erdenklichen Mitteln gegen mehr Transparenz. Umso wichtiger ist es, dass sich die Regierungen ihrem Druck nicht beugen.“
Österreich in schlechter Gesellschaft – Zeitfenster schließt sich
Die österreichische EU-Präsidentschaft verweigert bisher jegliche Initiative für öffentliche Konzernberichte. „Sie ist mit ihrer Blockade in schlechter Gesellschaft mit führenden Steuersümpfen wie Luxemburg, Irland, Zypern oder Malta“, kritisiert Olivia Lally von der Brüsseler NGO Eurodad. Für öffentliche Konzernberichte in der EU sprechen sich derzeit die Niederlande, Rumänien, Polen, Dänemark, Belgien und Spanien aus. Lally: „Die Zeit drängt. Das Treffen der EU-WirtschaftsministerInnen im November ist eine der letzten Gelegenheiten für Österreich, die EU-Staaten vor den EU-Wahlen zu einer gemeinsamen Linie für mehr Steuergerechtigkeit in Europa zu drängen.“
Argumente von Finanzminister Löger nicht stichhaltig
In einer Antwort (3) an zahlreiche NGOs liefert Finanzminister Löger Argumente gegen öffentliche Konzernberichte. „Keines dieser Argumente ist stichhaltig“, kritisiert Martina Neuwirth vom VIDC:
A) Drohen Wettbewerbsnachteile für europäische Unternehmen?
Nein. Öffentliche Berichtspflichten existieren für Banken und Rohstoffkonzerne in der EU schon seit 2014 - ohne dass sie zu Wettbewerbsnachteilen geführt hätten (4). Sie würden sogar helfen, Wettbewerbsverzerrungen zwischen national tätigen klein- und mittelständischen Unternehmen und multinationalen Konzernen zu verringern. Laut EU-Kommission zahlen rein national tätige Unternehmen 30 Prozent mehr Steuern. Vom Vorschlag der EU-Kommission wären zudem weltweit 90 Prozent der größten Konzerne erfasst, da sie in der EU tätig sind.
B) Ist ein nicht-öffentlicher Austausch von Konzernberichten durch die Steuerbehörden ausreichend?
Nein. Steuerskandale wie LuxLeaks haben gezeigt, dass wir uns nicht darauf verlassen können, dass nationale Regierungen für eine gerechte Besteuerung von Konzernen sorgen. Es waren unabhängige Medien und die Zivilgesellschaft, die diese Skandale aufgedeckt und so Druck für politische Fortschritte erzeugt haben. Mehr Transparenz stärkt auch das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Steuersystem. Zudem bekämen InvestorInnen einen besseren Einblick in die Steuerstrategien und finanzielle Risiken von Konzernen (5). Auch Entwicklungsländer, die am Austausch der Steuerbehörden nicht teilnehmen, würden profitieren.
C) Drohen G20-Drittstaaten keine Berichte zu übermitteln, wenn sie in der EU veröffentlicht werden?
Es ist völlig unklar, um welche Länder es sich dabei genau handelt. In den USA wird eine Einführung öffentlicher Berichte bereits diskutiert. Auch Indien verweist auf die EU. "Mit dieser Transparenzinitiative hätte die EU eine Vorbildwirkung und würde für künftige internationale Verhandlungen die Maßstäbe verändern. Ihre politische und wirtschaftliche Macht gibt ihr alle Mittel dazu", erklärt Neuwirth.
Fairer Wettbewerb und die Demokratie überleben nur mit mehr Konzerntransparenz
Durch Steuerhinterziehung multinationaler Konzerne verlieren die Staaten weltweit jährlich rund 500 Milliarden Euro (6). „Um in Bildung, Integration, Krankenhäuser oder Wohnungen investieren zu können, müssen multinationale Konzerne ihren gerechten Beitrag leisten. Das würde auch der zunehmenden Ungleichheit entgegenwirken“, erklärt David Walch von Attac Österreich. „Fairer Wettbewerb und die Demokratie überleben nur mit mehr Konzerntransparenz“, sind sich die Organisationen einig.
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(1) Siehe Regierungsprogramm S. 131: „Mehr (Steuer-)Transparenz für multinationale Unternehmen auf Basis der EU-Vorgaben. <link https: www.oevp.at download regierungsprogramm.pdf moz-txt-link-freetext>
www.oevp.at/download/Regierungsprogramm.pdf
(2) Öffentliche Berichtspflichten existieren für Banken und Rohstoffkonzerne in der EU schon seit 2013. Studie: Does Country-by-Country Reporting Alleviate Corporate Tax Avoidance? Evidence from the European Banking Sector <link https: papers.ssrn.com sol3 moz-txt-link-freetext>
papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm
(3) Brief des VIDC, Attac Österreich, AG Globale Verantwortung, KOO, Volkshilfe, Katholische ArbeitnehmerInnenbewegung und Südwind an das Finanzministerium: <link http: bit.ly moz-txt-link-freetext>
Antwort von Finanzminister Löger: <link http: bit.ly moz-txt-link-freetext>
Lögers Vorgänger als Finanzminister, Hans-Jörg Schelling behauptete sogar, öffentliche Konzernberichte wären ein 'Bruch völkerrechtlicher Verpflichtungen'. Der Hinweis auf Vertraulichkeit in den OECD-Vorgaben ist jedoch völlig verfehlt, da die EU die OECD-Pläne ergänzen will. Vor allem will die Kommission nicht die Staaten sondern die Konzerne selbst zur Veröffentlichung verpflichten.
(4) Studie von Transparency International: Do corporate claims on public disclosure stack up? <link http: transparency.eu resource do-corporate-claims-on-public-disclosure-stack-up moz-txt-link-freetext>
transparency.eu/resource/do-corporate-claims-on-public-disclosure-stack-up/
Selbst die Wirtschaftsprüfungskanzlei PriceWaterhouseCoopers kam im Auftrag der EU-Kommission zum Schluss, dass kaum negative, sondern eher positive wirtschaftliche Effekte zu erwarten sind: „From the econometric analysis we concluded that Article 89 was unlikely to have a significant negative economic impact, and could have a small positive economic impact.“ <link http: bit.ly moz-txt-link-freetext>
(5) Öffentliche Konzernberichte sind daher bereits Bedingung für Investitionen des norwegischen Investitionsfonds.
(6) Siehe Alex Cobham and Petr Jansky (2017), „Global distribution of revenue loss from tax avoidance”, UNU‐WIDER, Working Paper 2017/55, March 2017, <link https: www.wider.unu.edu sites default files moz-txt-link-freetext>