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Neues Netzwerk kritisiert Profitinteressen an Schulen und fordert zukunftsfähige Wirtschaftsbildung

Expert:innen kritisieren Pläne für eine Einführung eines eindimensionalen Faches „Wirtschaft“.

Ein neues Netzwerk aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft sieht die Unabhängigkeit der Schule durch Profitinteressen bedroht und fordert eine zukunftsfähige und integrative Wirtschaftsbildung. Das beinhaltet volkswirtschaftliche Bildung, Konsument*innenschutz, ökonomische Alphabetisierung und die Vermittlung der Fähigkeit, wirtschaftliches Handeln in soziale, politische und ökologische Kontexte einbetten zu können.

Das Netzwerk kritisiert demgegenüber die Pläne für eine Einführung eines eindimensionalen Faches „Wirtschaft“, das einflussreiche Wirtschaftslobbys vorantreiben.

Das Rechtsstaat & Antikorruptionsvolksbegehren fordert daher unter anderem die ehestmögliche Schaffung und Implementierung entsprechend klarer Compliance-Regularien für die öffentliche Verwaltung, um Anscheinsbefangenheiten, Interessenkonflikte und letztlich auch Einfallspforten für Korruption verlässlich hintanhalten zu können.

Bildung bedeutet Demokratiebefähigung

„Eine zukunftsfähige wirtschaftliche Bildung fördert die Befähigung zur Demokratie. Das bedeutet Die Wirtschaft in einem breiten Begriff zu verwenden, nicht nur Unternehmen, sondern auch Konsument*innen und Arbeitnehmer*innen umfassen. Gleichzeitig muss Ökonomie als Sozialwissenschaft verstanden und vermittelt werden. Quasi „naturwissenschaftliche“ Regeln eines „Marktes“ oder ökonomische Sachzwänge müssen kritisch hinterfragt werden. Wirtschaftliche Entwicklungen sind immer politisch hergestellt und daher auch einem politischen, demokratischen Diskurs zu unterwerfen. Dies muss auch eine zukunftsfähige Bildung vermitteln, damit Menschen demokratisch mitbestimmen können und Zukunft gestaltbar und offen ist“, erklärt Walter Ötsch, Ökonom an der Universität Koblenz.

Kompetenzen vermitteln, um verantwortungsbewusst mitzugestalten

Christian Fridrich, Vorsitzender der bundesweiten Fachgruppe Geographische und Sozioökonomische Bildung und des Vereins für geographische und wirtschaftliche Bildung fordert eine kritische, mehrperspektivische und an verschiedenen wirtschaftlichen Denkrichtungen ausgerichtete Bildung: „Junge Menschen müssen Orientierungs-, Urteils- und Handlungskompetenzen entwickeln. Diese müssen es ihnen ermöglichen als mündige Bürger*innen die gesellschaftlichen, ökologischen, ökonomischen und technologischen Herausforderungen verantwortungsbewusst mitzugestalten.“ Die Schaffung eines eigenen Faches Wirtschaft und die Unterteilung in viele Einzeldisziplinen ist aus didaktischer Perspektive höchst fragwürdig. Wirtschaftsbildung muss noch stärker zu einem fächerübergreifenden Unterrichtsprinzip werden.

Schlechte Erfahrungen mit eindimensionalem Fach „Wirtschaft“ in Deutschland

Auf Basis der Erfahrung aus Deutschland kritisiert Prof. Dr. Reinhold Hedtke, Universität Bielefeld, Fakultät für Soziologie, Wirtschaftssoziologie und Didaktik der Sozialwissenschaften, die Pläne für eine Einführung eines eigenen, eindimensionalen Faches Wirtschaft. Rund ein Drittel der Aufgaben nehme darin die Unternehmersicht ein, keine die der Arbeitnehmerinnen. "Politik kommt zwar vor, aber die Menschen haben keinen Einfluss darauf. Wirtschafts- und sozialpolitische Alternativen und Kontroversen existieren nicht. In diesem Weltbild hat die Wirtschaftsbürgerin zwei Aufgaben, Steuern zahlen und wählen gehen“, sagt Hedtke.

Wirtschaftliche Bildung müsse zur Mitbestimmung an der politischen Gestaltung von Wirtschaft, in Öffentlichkeit und Politik, Unternehmen, Organisationen und Zivilgesellschaft befähigen. Sie geht damit weit über individuelles Orientieren, Entscheiden, Handeln und Optimieren hinaus.

Profitorientierte Großunternehmen drängen in die schulische Sphäre

Private, profitorientierte Großunternehmen, Banken, Versicherungen und deren Interessensverbände drängen aktuell immer stärker in die schulische Sphäre. Sie produzieren vermehrt Unterrichtsmaterialien und bieten außerschulische Angebote an. Darin stellen sie die Zukunftsfähigkeit des Sozialstaats in Frage, propagieren private Vorsorgeprodukte mit hohen Gebühren und lobbyieren bei zuständigen öffentlichen Institutionen und Ministerien für ein eigenes Fach Wirtschaft, bei dessen Lehrplan und Inhalten sie mitschreiben wollen.

Die Wirtschafts- und Finanzbildung hat frei von kommerziellen Partikularinteressen zu erfolgen, fordert die Arbeiterkammer. „Wir wollen nicht, dass an unseren Schulen profitorientierte Verwertungsinteressen ungefiltert gelehrt werden, als gebe es keine Alternativen dazu. Es braucht es gut informierte, kritische Konsument:innen, die eine breite Wirtschaftsbildung haben und über Risiko, ungleiches Wissen und die umverteilende Wirkung von Kapitalmärkten Bescheid wissen”, unterstreicht Ilkim Erdost, Bereichsleiterin Bildung und Konsument:innen, Arbeiterkammer.

Finanzbildungsstrategie der Regierung: Klientelpolitik für Finanzdienstleister

Die Bundesregierung hat als Folge einer OECD-Initiative im September 2021 eine "Finanzbildungsstrategie“ vorgelegt. Diese benennt zwar auch sozial-ökonomische Probleme wie Altersarmut, Klimawandel, Verarmung oder Überschuldung. Doch in der Strategie geht es nicht darum, wirtschaftliche Zusammenhänge zu verstehen und kritisch zu reflektieren. Unter den Schlagworten Armutsbekämpfung und Geschlechtergleichstellung wird stattdessen Klientelpolitik für Finanzdienstleister betrieben. Zukunftsfähige Wirtschaftsbildung müsse hingegen kritische Reflexion,die Interessen der Allgemeinheit und den Erhalt unserer Lebensgrundlagen ins Zentrum stellen, fordert Attac.

"Altersarmut von Frauen ist nicht auf deren mangelndes Finanzwissen zurückzuführen. Andernfalls werden nicht nur Zusammenhänge falsch dargestellt, sondern auch die tatsächlichen Ursachen von Frauenarmut verschwiegen", erklärt Martin Schenk, Sozialexperte der Armutskonferenz.

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* Erste Proponent:innen und Mitgliedsorganisationen des neu gegründeten Netzwerks: „Wir alle machen Wirtschaft -  Netzwerk für eine zukunftsfähige und integrative Wirtschaftsbildung": Reinhold HEDTKE, Univ.Prof., Universität Frankfurt, Walter ÖTSCH, Ökonom, Univ.Prof., Universität Koblenz, GW-Verein für Geographische und Wirtschaftliche Bildung & GESÖB, Attac Österreich, Arbeiterkammer, Die Armutskonferenz