Nach dem Satelliten-Gespräch Davos - Porto Alegre und dem Gespräch in Cancún fand gestern abend das dritte Streitgespräch zwischen dem WEF und der Zivilgesellschaft, namentlich ATTAC und Südwind, statt. Auf jeder Seite nahmen vier prominente Diskutanten teil. Die Intention war, die unterschiedlichen Standpunkte einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Bernhard Mark-Ungericht, Ökonom an der Universität Graz und Mitglied von ATTAC Österreich, kritisierte, dass die Spielregeln für die Globalisierung in zunehmendem Maße durch Konzerne zustande kämen. So sei beispielsweise die Position der EU zur WTO-Runde in Seattle fast im Wortlaut von der Europäischen Handelskammer übernommen worden. Susan George pflichtete bei: "Wir wollen Regeln, aber nicht von Konzernen für Konzerne gemachte."
Leo Gabriel von Verein "Südwind" meinte, dass Globalisierung darin bestehe, dass westliche Konzerne in den Süden eindrängen und dort Profite machten, aber keine Entwicklung auslösten. Er zitierte Daten aus dem Entwicklungsbericht der Vereinten Nationen 1999, wonach sich die Einkommensschere zwischen dem Fünftel der Menschheit in den reichsten Ländern und dem Fünftel in den ärmsten Ländern seit 1960 von 30:1 auf 74:1 geöffnet habe. Percy Barnevik vom schwedischen ABB-Konzern bestritt die UN-Zahlen: "Die Kluft zwischen Süd und Nord wird nicht größer, sondern kleiner."
Barnevik unterstellte den GlobalisierungskritikerInnen, dass sie Protektionismus forderten, und nannte die Negativ-Beispiele Nordkorea oder Burma. Unter den Kritikern fand sich jedoch niemand, der für Protektionismus eintrat oder die genannten Länder für vorbildlich hielt. Vielmehr forderte Mark Ungericht "Kostenwahrheit, Schließung von Steueroasen, die Regulierung der Finanzmärkte, die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards."
Ethan Kapstein von der Universität Minnesota stellte ausländische Direktinvestitionen so dar, als gäbe es nur die Alternative der Erlösung durch westliche Konzerne oder bittere Armut. Susan George, Vizepräsidentin von ATTAC Frankreich, betonte, dass zwei Drittel aller Direktinvestitionen im Ausland Fusionen und Aufkäufe ausmachten, welche zumeist mit Arbeitsplatzabbau verbunden seien. Folglich sei es nicht angebracht, in ausländischen Direktinvestitionen pauschal etwas Positives zu sehen. Rosemary Redcliff verwies auf den positiven Technologietransfer und den "spill over" ausländischer Direktinvestitionen.
Hans Eder von Intersol meinte, dass es im Süden viele tausend Kulturen gebe, dass aber in keiner einzigen das Wertemuster des Neoliberalismus gelte, weshalb dieser keine Lösung bringen könne. "Wir brauchen im Süden die Konzerne nicht." Sein Gegenvorschlag: "Nachhaltige regionale Entwicklung auf der Basis lokalen Wissens und in Kooperation mit kleinen und mittelständischen Betrieben Europas."
Pamela Hartigan von der Schwab Foundation betonte, dass die "Demokratisierung der Information" ein zentrales Anliegen des WEF sei. Postwendend die Frage aus dem Publikum: "Wieso sind dann keine Bildungs- und Kulturminister in Salzburg anwesend, dafür aber der NATO-Generalsekretär?"
Mark-Ungericht unterstellte den Vertretern des WEF, dass sie die Rhetorik der Zivilgesellschaft übernähmen und "Vielfalt, die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutz" forderten, in Wirklichkeit aber auf höheren Ebenen deren Umsetzung verhinderten.
Das Streitgespräch wurde als erste Erfahrung angesehen. Eine Fortsetzung wird von beiden Seiten für möglich gehalten.