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Wie neutral ist Österreich noch?

Gegen die stille Aushöhlung der österreichischen Neutralität

68 Jahre Staatsvertrag

Seit dem 15. Mai 1955, dem Tag der Unterzeichnung des Staatsvertrags, ist Österreich ein freies Land. Im Zuge der Staatsvertragsverhandlungen (Moskauer Memorandum vom 15. April 1955) hat sich unser Land zur immerwährenden Neutralität verpflichtet. Im Bundesverfassungsgesetz vom 26. Oktober 1955 wurde die Neutralität Österreichs gesetzlich festgelegt. Aber wie sieht es konkret mit der Absicherung und Festigung der Neutralität aus? Wurde sie in den letzten Jahren nicht schon stillschweigend scheibchenweise ausgehöhlt, ja vielleicht schon so grob deformiert, dass sich Österreich nicht mehr wirklich als „neutral“ bezeichnen kann?

Klar gibt es Kräfte in unserem Land, die sich nichts mehr wünschen, als eine EU-Armee und die bedingungslose Eingliederung des Bundesheeres in diese Armee oder sogar eine Mitgliedschaft bei der NATO. Unter dem irreführenden Namen „Partnership for Peace“ (PfP) wurde 1994 eine militärische Zusammenarbeit zwischen der NATO und anderen Staaten geschaffen, dem damals auch Österreich beitrat und woran sich seither  österreichische „Friedenskräfte“ – Zivilpersonen und Militärs – beteiligen.

Im November 2017 unterzeichnete der damalige Außenminister Sebastian Kurz auch den Vertrag zur Teilnahme Österreichs bei SSZ, der „Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit“, bekannt auch unter PESCO (Permanent Structured Cooperation) der Europäischen Union. PESCO wurde 2007 von der EU geschaffen und wird seit Juni 2016 konsequent umgesetzt.  PESCO sieht unter anderem vor, dass die Transportwege der EU-Staaten mit vielen Milliarden für schwere Kriegsgeräte „fit“ gemacht werden sollen.

In den Augen von Attac sind beide Bündnisse, also PfP und PESCO klare Militärbündnisse und wir bezweifeln stark, dass die Mitwirkung Österreichs bei diesen Bündnissen noch konform mit der österreichischen Neutralität ist,  obwohl das von den Militärstrategen immer wieder behauptet wird.

Wir verstehen unter einer starken Neutralitätspolitik eine aktive Friedenspolitik, wo laufend hinterfragt werden muss, wie unter den ständige veränderten Bedrohungsszenarien (cyber war, fake news, Künstliche Intelligenz / Killer Roboter, Hyperschall-Waffen, erneute atomare Hochrüstung u.a.m.) eine zeitgemäße Friedenspolitik mit dem Instrument Neutralität heute begegnet werden kann. Jedenfalls sollte sich ein neutralen Land wie Österreich durch PESCO nicht bei der Militarisierung der EU beteiligen sondern klar gegen diese Bestrebungen auftreten und friedensstärkende Alternativen vorschlagen. Mittelfristiges Ziel sollte ein neutrales Europa sein, das als Vorbild für andere Länder fungiert.

Stopp der zunehmenden Militarisierung – Friedensarbeit statt Aufrüstung!

Außerdem muss Österreich aktiv Beiträge zur zivilen Krisenprävention leisten. Doch hier ist heute besondere Achtsamkeit gefordert, weil sehr viel verklausuliert wird. Man spricht von „humanitären Interventionen“, von  „Stabilisierungsmaßnahmen“. Es werden keine Militärs entsendet, sondern z.B. Streitkräfte  „projiziert“ oder diese nehmen „Schutzverantwortung“ wahr. Aber worum es letztendlich immer geht, ist die Entsendung von Truppen zur Durchsetzung von Interessen.

Neben der tatkräftigen Mitwirkung österreichischer Militärs und Zivilpersonen bei Militärbündnissen ist natürlich auch die Produktion von Waffen und militärischer Ausrüstung in einem neutralen Land sehr fragwürdig. Über 100 österreichische Unternehmen haben im Sektor der Polizeiausrüstung und der militärisch relevanten Güter auf dem internationalen Rüstungsmarkt Bedeutung erlangt. Obwohl strenge Ausfuhrbestimmungen für Waffen aus Österreich existieren, finden die Produzenten immer wieder Wege, diese zu umgehen. Die Geschichte der 2. Republik ist voll von Skandalen illegaler Waffenexporte. Berühmt sind der Noricum-Skandal und in jüngster Zeit der Nachweis von Waffenexporten in das Bürgerkriegsland Syrien. Wir befinden uns weltweit in einer Phase der Hochrüstung. 2019 wurde mit weltweit 1.917 Milliarden Dollar ein neuer Rekord an Rüstungsausgaben erreicht. Gleichzeitig wurden bewährte Abrüstungsverträge aufgekündigt, u.a. 2019 der INF-Vertrag (Verbot von Mittelstreckenraketen) von Seiten der USA.

Es ist höchste Zeit für eine  Umkehr dieser bedrohlichen Entwicklungen! FriedensAttac fordert daher die erneute verfassungsrechtliche Überprüfung der Mitgliedschaft bei PESCO sowie die genaue Untersuchung der jüngsten Waffenexporte in kriegsführende Staaten.

In ökosoziale Transformation statt neues Kriegsgerät investieren!

Als globalisierungskritische Organisation fordert Attac im Sinne einer ökosozialen Transformation der Gesellschaft eine friedensstiftende Neuorganisation des Bundesheeres, bevor neue oder sogar erhöhte Budgetmittel für das Heer zur Verfügung gestellt werden. Außerdem fordern wir die Einberufung eines „Friedensrates“ aus Vertretern der Friedensforschung, zivilgesellschaftlicher Organisationen und des Militärs, die nach Alternativen für die Luftraumüberwachung suchen, bevor erneut Budgetmittel für den Ankauf neuer Abfangjäger zur Verfügung gestellt werden. Der ökosoziale Umbau der Gesellschaft ist gerade jetzt weit wichtiger als der Ankauf neuer Waffen und Abfangjäger.

Als positives Beispiel einer friedensstiftenden Initiative unterstützen wir die Etablierung eines Zivilen FriedensDienstes (ZFD), bei dem Fachkräfte für die gewaltfreie Konfliktvermittlung in Krisengebieten eingesetzt werden sollen.

Eine wichtige Sicherung unserer Neutralität sehen wir im schrittweisen Umbau des Bundesheeres in eine neue Organisation für Frieden und Sicherheit, die oben genannte Vorschläge und Maßnahmen effizient vorantreibt. Im neuen „Ministerium für Frieden und Sicherheit“ soll dann auch der zivile Katastrophen- und Seuchenschutz verankert werden.  Zu vielen unserer Forderungen liegen bereits konkrete Vorschläge auf den Tisch, u.a. von den österreichischen Friedens- und Konfliktforschern Werner Wintersteiner und Thomas Roithner. Diese Konzepte müssen endlich ernsthaft diskutiert und umgesetzt werden, statt das immer gleiche Krankjammern des Bundesheeres als Vorwand für mehr Budget heran zu ziehen und damit die Konzeptlosigkeit für eine neue friedenssichernde Verteidigungsstrategie zu vertuschen. Durch schroffen Militärton wird die immerwährende Neutralität nicht verteidigt.

FriedensAttac – Frieden gemeinsam gestalten!