Türkis-Grün: Zu viel für Reiche, zu wenig fürs Klima

Ein „Weiter wie bisher“ ist uns zu wenig

Seit der Gründung misst Attac Regierungen daran, wie sehr ihre Politik dazu dient unser grundlegendes Ziel zu verwirklichen: Ein gutes Leben für alle – heute und zukünftig lebenden –Menschen. Vor diesem Hintergrund haben wir die Wirtschaftspolitik der türkis-grünen Regierung analysiert. Unsere erste Bilanz ist überwiegend kritisch.

Das Programm beinhaltet keine grundlegenden Änderungen der bisherigen Politik im Interesse von Vermögenden. Das reißt große Löcher ins Budget und bedroht die Finanzierung wichtiger öffentlicher Leistungen. Viele Vorhaben und Absichtserklärungen sind zudem vage formuliert; ihre genaue Bewertung wird erst mit der Umsetzung möglich sein. Im Klimabereich – wo die Pläne zweifellos am ambitioniertesten sind – gibt es große Lücken und vor allem offene Fragen bei der Finanzierung.

Steuer- und Budgetpolitik für die reichsten 10 Prozent

Das Regierungsprogramm sieht Steuersenkungen vor, die vor allem Konzernen und Besserverdienenden zugutekommen. Jene, die am meisten haben, tragen weiterhin zu wenig bei – auch weil große Vermögen und Erbschaften gar nicht und Kapitaleinkommen weniger als bisher besteuert werden. 

Ein riesiges Steuergeschenk für Konzerne und Vermögende

Wie bereits von der Vorgängerregierung geplant soll die Steuer auf Unternehmensgewinne (Körperschaftsteuer, KöSt) auf 21 Prozent sinken. Dadurch würden allein die 5 Prozent gewinnstärksten Konzerne etwa 1,25 Milliarden Euro weniger zum Gemeinwohl beitragen. Dies führt jedoch keineswegs zu mehr Investitionen oder weniger Arbeitslosigkeit, sondern zu mehr Gewinnen für Aktionär*innen und mehr Ungleichheit.

Zudem heizt eine Senkung der KöSt auch das ruinöse Steuerdumping in Europa weiter an. Die Bekenntnisse zum Schließen von Steuerschlupflöchern und zur Finanztransaktionssteuer bleiben ohne konkrete wirkungsvolle Maßnahmen wie Steuertransparenz für Konzerne oder eine Gesamtkonzernsteuer nur ein leeres Versprechen.

Ökobonus für Reiche

Ein weiteres Steuergeschenk für Vermögende: Die Kapitalertragsteuer soll für „ökologische Investitionen“ und für Gewinne aus Aktienverkäufen nach einer Mindesthaltedauer (von voraussichtlich einem Jahr) abgeschafft werden. Die Kosten von maximal 300 Millionen Euro wandern vor allem in die Taschen der reichsten 10 Prozent, denn nur sie erzielen nennenswerte Erträge aus Wertpapieren und Aktien.

Lohnsteuerreform: Nichts für kleine, viel für große Einkommen

Grundsätzlich sinnvoll wäre eine Steuersenkung für niedrige Einkommen, finanziert durch höhere Steuern auf Vermögen und Kapitaleinkommen. Was die Regierung jedoch vorhat, ist ein radikales Steuerkürzungsprogramm. Von der geplanten Reform der Einkommensteuer profitieren Besserverdienende am stärksten. Das kostet in Summe 4 Milliarden Euro. Offen ist sogar, ob der aktuelle Spitzensteuersatz von 55 Prozent für Einkommen über 1 Million bleibt. Ein Manager mit 2 Millionen Jahresgehalt würde durch den Wegfall des Spitzensteuersatzes 50.000 Euro weniger beitragen. Die geringsten Einkommen hingegen schauen durch die Finger, weil keine Negativsteuer geplant ist.

Auch von der Erhöhung des Familienbonus von 1550 auf 1750 Euro profitieren Besserverdienende am meisten. Familien mit den geringsten Einkommen haben davon gar nichts. Der unabhängig vom Einkommen gezahlte Kindermehrbetrag wird nur um 100 Euro von 250 auf 350 Euro pro Kind angehoben. Kindern, die am meisten Unterstützung brauchen, kommt dies jedoch gar nicht zugute, da der Betrag nur an Erwerbstätige ausbezahlt wird und damit die Ärmsten nicht davon profitieren können.

Ein Budgetloch gestopft mit Kürzungsprogrammen?

Insgesamt betragen die Einnahmenausfälle durch diese Steuergeschenke mehr als 6 Milliarden Euro. Eine Gegenfinanzierung über Vermögens- oder Erbschaftsteuern ist nicht vorgesehen. Inklusive der bereits fixierten Investitionen fehlen damit im Budget mindestens rund 3 Milliarden Euro – bei schlechter Wirtschaftslage auch deutlich mehr. Die Steuergeschenke der Regierung gefährden nicht nur die geplanten Investitionen im Bereich Klimaschutz, sondern auch den Sozialstaat und den Zusammenhalt der Gesellschaft.

Da auch das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts grundsätzlich beibehalten wird, drohen schon bald Kürzungsprogramme bei Umwelt, Klima oder Sozialem. Das würde uns alle – und ganz besonders Menschen mit niedrigen Einkommen – betreffen: Pensionskürzungen, Kürzungen im Bildungs- und Gesundheitsbereich, Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge oder geringere Wohnbeihilfe. Außerdem fehlt Geld für die Sicherstellung der Pflege mit fairen Löhnen oder für einen ambitionierten öko-sozialen Umbau. Wir alle werden daher insgesamt zu den Verlierer*innen der Steuer- und Budgetpläne zählen.

Was nötig ist: Steuergerechtigkeit

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Klimaschutz: Große Lücken und offene Fragen bei der Finanzierung

Türkis-Grün will Österreich bis 2040 klimaneutral machen und legt dazu eine Reihe von Maßnahmen vor, die in die richtige Richtung gehen. Um Emissionen tatsächlich wie nötig zu senken und die Klimakrise solidarisch zu bewältigen, muss die Politik die Bereiche Energie, Landwirtschaft und Verkehr radikal umgestalten. Das bedeutet nicht nur Alternativen zu fördern, sondern auch schädliche Praktiken einzuschränken. Die Regierung scheut jedoch die dafür notwendige Konfrontation mit Konzernen und schmutzigen Industrien. Stattdessen setzt sie auf private Finanzierung und „marktbasierte Lösungen“.

Starker Ausbau erneuerbarer Energien mit unklarer Finanzierung

Die konkretesten Pläne gibt es im Bereich Energie: Bis 2030 soll Österreich zu 100 Prozent mit Strom aus erneuerbarer Energie versorgt werden. Der dafür nötige Ausbau von Windkraft und Photovoltaik soll mit maximal einer Milliarde pro Jahr finanziert werden. Das ist doppelt so viel wie bisher, jedoch bei weitem nicht genug für die angestrebte Verdreifachung der Windkraft und Verzehnfachung der Photovoltaik. Ebenso fehlen Maßnahmen zum Ausstieg aus fossiler Energie – die teilstaatliche OMV, die aktuell vor Neuseeland nach neuen Öl- und Gasquellen sucht, wird nicht einmal erwähnt. Werden zudem keine Maßnahmen ergriffen, um den gesamten Energieverbrauch radikal zu senken, besteht die Gefahr, dass Österreich bald mehr erneuerbare UND fossile Energie verbraucht. Das bestehende Energieeffizienzgesetz, das bisher noch keine Reduktion der Emissionen gebracht hat, bleibt unverändert. Positiv sind der geplante Ausstieg aus Öl und Kohle bei Heizungen sowie der teilweise geplante Ausstieg aus fossilem Gas. Ein guter Schritt in Richtung einer dezentralen und demokratischen Energieversorgung ist die geplante Förderung von Energiegemeinschaften.

Öko-soziale Steuerreform bleibt offen

Zusätzlich zur bereits sehr konkreten Senkung der Unternehmens-, Kapitalertrags- und Einkommensteuern sieht das Regierungsprogramm eine „öko-soziale Steuerreform“ vor. Angekündigt sind hier: Eine etwas höhere Flugticketabgabe für Kurz- und Mittelstreckenflüge, eine Anhebung der Normverbrauchsabgabe für die Zulassung von Kraftfahrzeugen (NoVA), die Ökologisierung von Pendlerpauschale und LKW-Maut sowie als Herzstück die Bepreisung von CO2. Die Details hierzu sind jedoch noch völlig offen und sollen erst bis 2022 erarbeitet werden. Als Möglichkeit wird ein nationales Emissionshandelssystem genannt (Bewertung siehe unten).

Insgesamt soll die öko-soziale Steuerreform aufkommensneutral und sozial verträglich sein sowie dem Standort dienen. Das bedeutet einerseits, dass Unternehmensinteressen berücksichtigt werden sollen – was einer tatsächlich wirksamen Gestaltung zuwiderlaufen kann. Andererseits steht die soziale Verträglichkeit auf wackeligen Beinen, denn wenn gleichzeitig Steuergeschenke für Konzerne und hohe Einkommen kommen sollen, besteht das Risiko, dass letztlich die Haushalte mit niedrigen Einkommen das Budget über unsoziale Ökosteuern oder Sozialkürzungen wieder auffüllen müssen.

Öffi-Anreize und Megaprojekte

Beim Verkehr, der rund ein Drittel der gesamten Emissionen verursacht, setzt das Programm auf die Stärkung von Bahn und öffentlichem Nahverkehr. Zusätzliche Investitionen und das 1-2-3-Ticket sind wichtige Schritte in die richtige Richtung. Gleichzeitig fehlen Maßnahmen zur Reduktion des Flug- und Autoverkehrs, etwa ein Stopp für die Neuzulassung von Benzin- und Dieselautos (wie es z. B. in Norwegen ab 2025 gilt) sowie für Autobahnprojekte. Klimaschädlichen Megaprojekten wie der dritten Piste am Flughafen Wien, dem Lobautunnel und der Waldviertelautobahn wird keine Absage erteilt. Damit wird teure Infrastruktur geschaffen, die klimaschädliche Mobilität auf Jahrzehnte einzementiert.

Die Erhöhung der NoVA und die geänderte Flugticketabgabe erhöhen die Preise nur marginal und haben somit keinen Lenkungseffekt. Um die notwendige Reduktion von Emissionen zu erreichen, müssen jedoch Auto- und Flugverkehr stark reduziert werden.

Wirtschaftsweise Entwicklungsmodell wird nicht in Frage gestellt

Wir können die Klimakrise nur bewältigen, wenn wir unser Wirtschaftssystem umbauen. Das Regierungsprogramm enthält hier zwar einige gute Schlagworte (wie Kreislaufwirtschaft oder die Dekarbonisierung der Industrie), pflegt aber die Illusion, dies wäre möglich indem man an kleinen Stellschrauben dreht. Das ist gefährlich, denn es verstellt den Blick darauf, wie umfassend sich die Art und Weise wie wir leben, produzieren und konsumieren schon in den nächsten zehn Jahren ändern muss. Dazu braucht es massive öffentliche Investitionen in Transport- und Versorgungsinfrastruktur, weitgehende Beschränkungen für schmutzige Sektoren, neue Formen der Vergesellschaftung und eine radikale Arbeitszeitverkürzung.

Was nötig ist: Klimagerechtigkeit

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Banken und Finanzmärkte: Die Bankenlobby hat das Sagen

Die Bereiche für Banken und Finanzmärkte zeigen eindeutig die Handschrift der Bankenlobbys und gefährden die Finanzmarktstabilität. Dies wird deutlich im Versuch Eigenkapitalregeln oder Regulierungen abzuschwächen oder – besonders besorgniserregend – die Pläne für eine europäische Einlagensicherung zu torpedieren. 

Mit „grünem Geld“ in die nächste Finanzkrise?

Eine wichtige Lehre der letzten Finanzkrise war, dass Banken mehr Eigenkapital benötigen, sprich besser für Risiken vorsorgen müssen. Obwohl die Eigenkapitalvorschriften in Europa nach wie vor zu niedrig sind, will die Regierung diese nun noch weiter abschwächen. Banken, die „grüne Kredite“ vergeben, sollen dafür mittels eines „green supporting factors“ weniger Eigenkapital halten müssen. Dies erhöht die Risiken und die Instabilität im Finanzsektor weiter. Da nützt es auch wenig, dass ein „Green Washing“ von Krediten durch strenge Kriterien verhindert werden soll.

Spareinlagen: Statt Banken soll der Staat haften

Die Regierung hinterfragt im Regierungsproramm offen die Pläne für eine europäische Einlagensicherung (EDIS) beziehungsweise will sie nur unter gewissen Bedingungen zustimmen. Die seit Jahren vorliegenden EU-Pläne würden dafür sorgen, dass Banken europaweit mittels eines von ihnen finanzierten Fonds Spareinlagen bis 100.000 Euro absichern müssen. Bleibt der Fonds national beschränkt, ist das Risiko im Falle einer Bankenpleite für die Sparer*innen viel höher. Vor allem aber müsste der Staat im Falle von Pleiten viel eher einspringen, wenn kleinere nationale Fonds nicht ausreichen.

Weitere Deregulierung der Kapitalmärkte

Ein weiterer kritischer Punkt: Die Regierung will auch am Kapitalmarkt die wenigen vorhandenen Regulierungen abbauen. Sie verwendet dafür den neoliberalen Kampfbegriff „Gold Plating“, der sinnvolle Regulierungen und Schutznormen, die über die EU-Mindestnormen hinausgehen, als „Luxus“ brandmarken soll. Erstaunlich ist dies vor allem deswegen, weil Österreich kaum Kapitalmarktregelungen hat, die strenger als EU-Vorgaben sind. Es besteht daher die Gefahr, dass unter diesem Vorwand Vorschriften für Banken abgeschwächt werden, die der Autonomie der nationalen Bankenaufsicht unterliegen.

Riskante private Pensionsvorsorge ohne Garantie

Die Regierung stellt das bestehende Pensionssystem nicht grundsätzlich in Frage. Doch statt das öffentliche Pensionssystem (etwa über die die Einbeziehung von Kapitaleinkommen) besser abzusichern, soll die private Pensionsvorsorge weiter gefördert werden. Die Kapitalgarantie (die vor Verlusten schützt) soll abgeschafft werden, wodurch das Risiko für die Menschen steigt. Außerdem fördert dies riskantere Anlagestrategien der Fonds – was insgesamt zu mehr Instabilität am Finanzmarkt führt. Die staatliche Förderung der Pensionsvorsorge bläht den ohnehin überdimensionierten Finanzsektor weiter auf. Und es könnte gleichzeitig ein Schritt sein, in Zukunft das staatliche Pensionssystem weiter zu schwächen.

Green Bonds

Die Regierung plant die Ausgabe von „Green Bonds“ (grüne Staatsanleihen) für private Anleger*innen. Damit sollen zusätzliche Mittel für ökologische Investitionen lukriert werden. Falls diese Anleihen von den Schuldenregeln ausgenommen werden, würde dies den Spielraum für ökologische Investitionen zwar etwas erhöhen. Sollte die Regierung bei der Förderung der Green Bonds jedoch auf die Kapitalertragsteuer verzichten (siehe Kapitel Steuern), würde sich der Staat nicht nur um wichtige Einnahmen für ökologische Investitionen bringen, sondern vor allem Wohlhabenden ein weiteres Steuergeschenk machen. Sinnvoller wäre es, die nötigen Mittel durch eine gerechtere Steuerpolitik zu erzielen.

Zudem kann die Regierung bereits jetzt normale Staatsanleihen ausgeben (die aufgrund höherer Liquidität günstiger als zweckgebundene grüne Anleihen sind) und sie für sinnvoll erachtete Investitionen einsetzen.

Was nötig ist: Ein alternatives Finanzsystem

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Handels- und Investitionspolitik: Kurswechsel bleibt aus

Ein schwaches Nein zu EU-Mercosur und einige Kriterien für zukünftige Handelsabkommen – sonst findet sich wenig Neues zu Handelspolitik im Regierungsprogramm. Handel soll weiter verstärkt, „protektionistische Tendenzen“ aufgehalten werden. In Summe wird der bisherige Kurs in der Handelspolitik im Interesse der Exportwirtschaft beibehalten – mit allen negativen Folgen für Mensch und Umwelt. 

„Nein, aber“ zu EU-Mercosur

Die Regierung bekennt sich zum Nein gegen das EU-Mercosur-Abkommen, allerdings nur „in dieser Form“. Damit ist die Tür offen, dass es unter gewissen Bedingungen ein Ja geben kann. Zur Erinnerung: Das Parlament hat 2019 eine Ministerbindung beschlossen, die die österreichische Regierung ohne Wenn und Aber dazu verpflichtet das Abkommen abzulehnen.

Sonderklagerechte für Konzerne sollen ausgeweitet werden

Die Position zu den Sonderklagerechten für Konzerne ist im Regierungsprogramm eindeutig: Die Regierung will ein weltweites Investitionsschiedsgericht unterstützen, das die EU derzeit im Rahmen der UN-Organisation UNCITRAL verhandelt. Konzerne sollen damit weiterhin die Möglichkeit bekommen, Staaten auf Schadenersatz zu klagen, wenn Gesetze ihre Profitmöglichkeiten einschränken. Auch die Schaffung eines ähnlichen Instruments auf EU-Ebene wird gefordert.

Kein Bekenntnis hingegen findet man im Regierungsprogramm zu dem von der internationalen Zivilgesellschaft geforderten verbindlichen UN-Abkommen zu Menschenrechten und Wirtschaft.

Positive Ansätze ohne konkrete Umsetzung

Grundsätzlich positiv ist die Absicht, dass Handelsverträge durchsetzbare Standards für konkrete soziale, demokratische und ökologische Ziele garantieren sollen. Unklar bleibt dabei, ob diese Standards effektiv – also mit Sanktionen einklagbar – verankert werden. Bisherige Abkommen wie CETA oder EU-Singapur tun dies nicht. Auch das Bekenntnis zu Transparenz und demokratischer Kontrolle bei Verhandlungen ist grundsätzlich positiv – doch die Umsetzung bleibt offen.

Die Regierung will sich weiters auf internationaler Ebene für Klimazölle einsetzen – also eine Importabgabe, die sich am CO2-Ausstoß bei der Herstellung und beim Transport bemisst. Allerdings sollen diese nur im Einklang mit der Welthandelsorganisation WTO entwickelt werden, in der seit 20 Jahren Stillstand herrscht. Eine positive Umsetzung ist daher in absehbarer Zeit kaum zu erwarten.

Was nötig ist: Gerechter Welthandel

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Arbeit und soziale Sicherheit: Wenige Verbesserungen, keine Vision

Im Bereich Arbeit werden die Verschlechterungen der vergangen Regierung beibehalten – darunter der 12-Stunden-Tag/die 60-Stunden-Woche und die Kontrolle der Unternehmen über die Sozialversicherung. Neue Arbeitszeitmodelle oder gar die dringend nötige Arbeitszeitverkürzung fehlen. Konkrete arbeitsrechtliche Verbesserungen finden sich kaum, allerdings sollen geringe Löhne unter Mitwirkung der Sozialpartner angehoben werden.

Das AMS unter Kontrolle der Arbeitgeber

Problematisch ist, dass die Arbeitsagenden nun nicht mehr im Sozialministerium angesiedelt sind. Das Arbeitsmarkservice AMS – bisher zu je einem Drittel von Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer und Ministerium kontrolliert – ist damit de facto in Hand der arbeitgeberfreundlichen ÖVP. Zumutbarkeitsbestimmungen und Anreize für Arbeitslose sollen „reformiert“ werden – in der Vergangenheit immer ein Code für Verschärfungen. Dass die Regierung den Dialog mit Sozialpartnern und Zivilgesellschaft wieder verbessern will und sie nicht vorrangig als Gegner sieht, ist im Vergleich zur Vorgängerregierung ein Fortschritt.

Wenig Konkretes im Sozialbereich

Im Sozialbereich will die Regierung die Armutsgefährdung halbieren, nennt dafür aber wenig konkrete Maßnahmen. Zwar soll die Notstandshilfe nicht mehr abgeschafft werden; die reduzierte Mindestsicherung wird jedoch beibehalten beziehungsweise nach der Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof nicht repariert. Eine Umgestaltung obliegt nun den Ländern.

Die wenigen genannten Ziele zum Ausbau des Sozialstaates in den Bereichen Prävention, Psychotherapie, Gesundheitsversorgung und Kinderbetreuung sind begrüßenswert, aber zu wenig in Anbetracht des Reichtums unserer Gesellschaft. Sie stehen angesichts der unsicheren Finanzierung zudem auf wackeligen Beinen. Der nötige massive Ausbau von Infrastruktur in diesen Bereichen ist im Regierungsprogramm nicht vorgesehen. Da die Steuerreform Vorteile für mittlere und hohe Einkommen bringt, während klare Maßnahmen zur Armutsbekämpfung fehlen, wird das Regierungsprogramm die Ungleichheit in Österreich erhöhen.

Was nötig ist: Soziale Sicherheit

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Geschlechtergerechtigkeit: Rückschritte und vage Versprechen

Die große Ungleichheit zwischen Frauen und Männern hat viele Aspekte. Dazu gehören die ungerechte Verteilung von Arbeit, Einkommen und Vermögen, die unbezahlte Arbeit in Familie und Pflege sowie Gewalt an Frauen. Das Regierungsprogramm zementiert viele dieser Ungerechtigkeiten weiter ein.

Mehr Steuerungerechtigkeit und unbezahlte Arbeit

Von den Steuergeschenken für Unternehmen und Besserverdienende profitieren vor allem Männer – das Gleiche gilt für die Erhöhung des Familienbonus. Kinder von Wohlhabenden bekommen fünfmal so viel wie Kinder von Erwerbstätigen mit niedrigem Einkommen. Kinder, deren Eltern nicht arbeiten können, gehen leer aus. Durch die Steuersenkungen fehlt Geld für öffentliche Leistungen, die wichtig für mehr Gleichstellung und Geschlechtergerechtigkeit wären.

Die Bekenntnisse zum Ausbau von Gewaltschutz und Kinderbetreuungsplätzen oder zur Anhebung des Frauenbudgets sind zwar positiv, es bleibt jedoch abzuwarten, ob und wie die oft vagen Vereinbarungen ohne konkrete Finanzierung umgesetzt werden sollen.

Mit dem im Regierungsprogramm festgelegten „Pflege-Daheim-Bonus“ wird vor allem Frauen der Platz in dieser schweren, unbezahlten Arbeit zugewiesen. Was hingegen im Bereich Pflege fehlt, ist eine bessere Bezahlung und ein Ende der Ausbeutung der 24-Stunden Pfleger*innen, die aktuell fehlende öffentliche Investitionen ausgleichen müssen.

Programm bleibt hinter existierenden Rechtstandards zurück

Bemerkenswert ist, dass das Regierungsprogramm in zentralen Bereichen auch weit hinter den geltenden (Recht-)Standards zurückbleibt: So ist das Bekenntnis zu gleichem Lohn bei gleicher Arbeit ein Rückschritt, da es schon lange das Recht auf gleichen Lohn bei gleichwertiger Arbeit gibt. Österreich hat noch immer einen der höchsten Gender Pay Gaps in der EU. Dennoch bekennt sich die Regierung nur im Bereich Kunst und Kultur dazu, diesen „Schritt für Schritt“ zu reduzieren. Statt „Chancengleichheit“, den zentralen Begriff im Kapitel Frauen, bräuchte es die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern. Auch mit der „Berücksichtigung der Gleichstellungsziele der Ressorts bei großen Regierungsvorhaben“ bleibt die Regierung hinter diesem verfassungsrechtlichen Ziel zurück.

Eine Frauenquote von 40 Prozent für Unternehmen mit öffentlicher Beteiligung sollte mittlerweile eine Selbstverständlichkeit sein. Diese soll jedoch nur für Unternehmen gelten, die mehrheitlich in Staatsbesitz sind – und zum Beispiel nicht für OMV, A1 oder Casinos Austria.

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Landwirtschaft – Verbesserungen ohne Systemwechsel

Im Bereich Landwirtschaft beschreibt das Programm im Wesentlichen den Status quo und ignoriert den enormen Veränderungsbedarf. An wesentlichen Steuerungsmechanismen wird nicht gerüttelt. Dazu zählt etwa die Verteilung der Förderungen im Gießkannenprinzip, wodurch Großbetriebe in Talgebieten am meisten profitieren. Ein Wachsen und Weichen in der Landwirtschaft mit all seinen negativen Auswirkungen für Mensch, Tier und Umwelt wird dadurch fortgeschrieben.

Keine Aussagen macht das Regierungsprogramm zu den heiß diskutierten Fragen Glyphosat-Verbot und Bio-Weidehaltung. Positiv ist jedoch die Trennung der Agenden für Landwirtschaft und Umwelt. Dies ermöglicht produktive Konflikte (wie z. B. rund um Glyphosat), die bisher regierungsintern nicht möglich waren.

Einige Stellen enzhalten sinnvolle Pläne, wie etwa die Zurückdrängung von GVO-Futtermitteln, der Fokus auf Eiweißfuttermittel aus Österreich und Europa sowie die Reduktion von Pestiziden oder palmölhaltigen Produkten. Alle Maßnahmen sind jedoch nur Willensbekundungen und werden durch die Bekenntnisse zu Wettbewerbsfähigkeit und marktbasierten Lösungen konterkariert.

Positiv zu bemerken sind geplante Verbesserungen in den Bereichen Direktvermarktung, stressfreie Schlachtung und Tiertransporte; ein starkes Bekenntnis zum biologischen Landbau und Erleichterungen im Bereich der bäuerlichen Sozialversicherung. Dies sind jedoch kleine Schritte, die das Wachsen und Weichen in der Landwirtschaft bestenfalls einbremsen können.

Was nötig ist: Ernährungssouveränität

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Staat, Grundrechte und Migration

Eines der groß angekündigten Projekte im türkis-grünen Regierungsprogramm ist die Transparenzinitiative. Das Ziel ist der „gläserne Staat“. Gleichzeitig gibt es zahlreiche autoritäre Elemente, die auf eine Fortsetzung des Kurses der letzten Jahre schließen lassen.

Transparenzgesetz, begleitet von Militarisierung und Überwachung

Positiv ist der Plan, endlich das undemokratische Amtsgeheimnis abzuschaffen und ein Informationsfreiheitsgesetz zu beschließen. Der bessere Zugang zu Dokumenten ist zentral für die politische Arbeit – damit würde eine langjährige Forderung der Zivilgesellschaft erfüllt. Jedoch dürfen wir noch nicht locker lassen, denn ähnliche Pläne früherer Regierungen haben sich als leere Versprechen herausgestellt.

In anderen Bereichen führt das Regierungsprogramm den autoritären Kurs der letzten Jahre fort. Neben mehr Geld für Militär und Polizei enthält es das Bekenntnis zum Einsatz des Heeres im Inland sowie zu PESCO, dem EU-Militärbündnis, das Österreich zu Aufrüstung und Teilnahme an Kampfeinsätzen verpflichtet. Massenüberwachung soll durch den verfassungswidrigen Bundestrojaner ausgebaut werden.

Das Grenzregime und Fluchtursachen bleiben unangetastet

Anstatt die desaströsen Auswirkungen des Wirtschaftssystems auf Menschen und Klima zum Thema zu machen, lautet der Regierungs-Slogan von Kanzler Kurz: „Klima und Grenzen schützen“. Damit setzt er die Klimakatastrophe mit der angeblichen Bedrohung durch Flucht und Migration gleich. Er verharmlost das Ausmaß der Klimakrise und legitimiert gleichzeitig die weitere Einschränkung der Rechte von Geflüchteten und Muslim*innen. Rassismus und Ausgrenzung werden somit weiter normalisiert. Das tödliche Grenzregime bleibt unangetastet – und mit ihm der Zusammenhang zwischen Fluchtursachen, der Klimakrise und dem aktuellen Wirtschaftssystem.

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