Das globalisierungskritische Netzwerk Attac fordert zur Finanzierung der enormen Kosten der Corona-Krise einen einmaligen Lastenausgleich von den Reichsten. Konkret sollen Vermögen ab 5 Millionen Euro mit 10 Prozent, Vermögen ab 100 Millionen Euro mit 30 Prozent und Vermögen ab einer Milliarde Euro je einmalig mit 60 Prozent einen Beitrag leisten. Insgesamt könnten damit in Österreich - konservativ gerechnet - rund 70 bis 80 Milliarden Euro eingenommen werden; mehr als ein Drittel davon allein von Milliardär*innen. (1) Unterstützt wird der Attac-Vorschlag von prominenten Ökonom*innen.
Der Corona-Lastenausgleich soll in Raten von fünf Jahren geleistet werden. Um Ausweichreaktionen zu vermeiden, wird das Nettovermögen mit Stichtag Mitte März 2020 ermittelt. Um Arbeitsplätze zu fördern, gibt es eine Sonderregelung für Betriebsvermögen. Weitere Details zur Bewertung verschiedener Vermögensarten, Aufkommen und Begleitmaßnahmen finden Sie im Langkonzept:
“Die beste Option für den Lastenausgleich ist natürlich eine internationale oder EU-weite Einführung. Bis es soweit ist, soll Österreich als Vorbild vorangehen. Mit unserem Modell können wir solidarisch aus der Krise kommen”, erklärt Mario Taschwer von Attac Österreich.
Krisenlasten gerecht auf alle Schultern verteilen
„Die außergewöhnlichen Kosten zur Bewältigung der Corona-Krise müssen gerecht verteilt werden. Auch jene Menschen, die überbordenden Reichtum besitzen, müssen ihren Beitrag leisten”, erklärt Lisa Mittendrein von Attac Österreich. Geschieht das nicht, besteht die Gefahr, dass nach der Krise tiefe Einschnitte im Sozialsystem folgen und wichtige öffentliche Investitionen ausbleiben. Dann würden Arme und Arbeitslose draufzahlen, ebenso wie jene, deren unverzichtbare Arbeit jetzt so gepriesen wird - Supermarktkassierer*innen, Pflegekräfte, Putzpersonal, Erntehelfer*innen und Ärzt*innen.
Der Corona-Lastenausgleich weist zudem einen Weg in die Zukunft: Er ermöglicht Investitionen in Bildung, Pflege, Gesundheit und eine nachhaltige Klimapolitik sowie eine demokratische sozial-ökologische Umgestaltung der Wirtschaft. Er reduziert die krasse und jahrzehntelang gestiegene Ungleichheit, die die Gesellschaft spaltet. Und er stabilisiert das Finanzsystem, indem er dem aufgeblähten und krisenanfälligen Finanzsektor Mittel entzieht.
Erfolgreiche Vorbilder: Deutschland und Japan
Der Attac-Vorschlag mag auf den ersten Blick radikal erscheinen. Es gibt jedoch erfolgreiche Vorbilder. Dazu zählt unter anderem der deutsche Lastenausgleich von 1949 - eine 50-prozentige Abgabe auf den Vermögensbestand des Jahres 1948. Japan führte 1946-47 eine Sonderabgabe von 90 Prozent für die größten Vermögen ein. (2)
Lastenausgleich ist kein Ersatz für Wandel im Steuersystem
Der Lastenausgleich ist für Attac kein Ersatz für einen grundlegenden Wandel im Steuersystem für eine gerechtere und nachhaltigere Gesellschaft. Dazu zählen eine dauerhafte Besteuerung von Vermögen und Erbschaften, eine höhere und progressive Besteuerung von Kapitaleinkommen und Unternehmensgewinnen, eine effektive Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuervermeidung sowie Ökosteuern.
Unterstützer*innen des Corona-Lastenausgleichs
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Kurt Bayer, ehem. Gruppenleiter für österreichische und internationale Wirtschaftspolitik im öst. Finanzministerium, ehem. Exekutivdirektor der Weltbank und Board Director in der Europäischen Bank für Wiederaufbau (EBRD) in London:
"Es kann nicht sein, dass die riesigen Kosten der Bekämpfung der Coronakrise überwiegend durch die Lohn- und Mehrwertsteuern der Masse der österreichischen Haushalte, sowie durch weitere Einsparungen bei Sozialausgaben (Austerität) getragen werden. Jene, die es sich leisten können, müssen endlich ihren gerechten Anteil an der Finanzierung der öffentlichen Haushalte leisten." -
Luise Gubitzer, Univ..Prof.in, (em.), Wirtschaftsuniversität Wien:
„Die Entstehung von Vermögen ist ein kollektiver Prozess. Die Beschäftigen tragen mit ihrer Arbeitsleistung enorm dazu bei. Gerade auch Frauen mit ihrer unter- und unbezahlten Arbeit schaffen viel Wert für die Vermögenden. Ebenso der Staat, zum Beispiel mit Subventionen, Infrastruktur und Deregulierung. Es ist daher geschlechtergerecht, gesellschafts- und demokratiepolitisch notwendig, dass ein Teil des Vermögens über eine Vermögensabgabe der Finanzierung öffentlicher Ausgaben zugeführt wird.“
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Maximilian Kasy, Associate Professor am Department of Economics, Oxford University (vormals Harvard):
“Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise treffen Menschen mit niedrigen Einkommen besonders hart. Um die Krise abzufedern sind jetzt große öffentliche Ausgaben nötig. Um diese Krisenabfederung zu finanzieren, sollten diejenigen die das am besten können ihren entsprechenden Beitrag leisten. Eine Vermögensabgabe zur Finanzierung der Krisenkosten ist ökonomisch sinnvoll und gerecht.” -
Walter Otto Ötsch, Prof. für Ökonomie und Kulturgeschichte an der Cusanus Hochschule für Gesellschaftsgestaltung, früher an der Johannes Kepler Universität Linz:
"Die Vermögen haben sich so weit auseinander entwickelt, dass es an der Zeit ist hier gegenzusteuern."
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Miriam Rehm, Juniorprofessorin für Sozioökonomie mit Schwerpunkt Empirische Ungleichheitsforschung an der Universität Duisburg/Essen:
"Eine Vermögensabgabe sollte erst nach der Krise eingeführt werden. Die Diskussion um eine ausgewogene Verteilung der Krisenkosten muss aber jetzt geführt werden, damit sie demokratisch ablaufen kann!" -
Brigitte Young, Univ.Prof.in (em.) für Internationale Politische Ökonomie am Institut für Politikwissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.
Die staatlichen finanziellen Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise dürfen nicht noch einmal, wie dies nach der Finanzkrise 2008 geschah, auf die Schultern der nationalen Steuerzahler abgewälzt werden. Deshalb ist es notwendig, dass diejenigen, die von der Globalisierung und Finanzialisierung besonders profitieren, sich an den finanziellen Lasten im Kampf gegen die wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen effektiv beteiligen."
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Ulrich Brand, Univ.Prof.in für Internationale Politik, Universität Wien:
“Die aktuelle Krise zeigt, dass der Staat bei entsprechendem politischen Willen durchaus handlungsfähig ist. Das sollte er auch im Hinblick auf eine solidarische Bearbeitung der Krisenfolgen auch bleiben und einen Lastenausgleich der sehr Vermögenden organisieren.”
(1) Diese Angaben basieren einerseits auf den Berechnungen der Universität Linz auf Basis der offiziellen Vermögensdaten der EZB. Da diese Daten Milliardär*innen nicht berücksichtigen, werden dazu Attac-Berechnungen auf Basis von Listen der Reichsten des Landes, veröffentlicht von Trend, Forbes und Vermögensmagazin, addiert. Attac fordert zudem bessere Daten zu den Vermögenden, insbesondere zu deren Eigentums- und Finanzangelegenheiten für die Wissenschaft.
(2) Bach, Stefan (2012): Vermögensabgaben – ein Beitrag zur Sanierung der Staatsfinanzen in Europa. DIW Wochenbericht Nr. 28/2012; bzw. Piketty, Thomas (2020): Kapital und Ideologie