Nobody is safe until everyone is safe
Die Pandemie zeigt, wie instabil der neoliberale Kapitalismus ist
Schon jetzt zeichnet sich ab, dass sich die Corona-Pandemie nicht nur zur schwersten Gesundheits-, sondern auch zur schwersten Wirtschaftskrise der letzten Jahrzehnte entwickeln könnte. Große Bereiche der Wirtschaft stehen still, gleichzeitig sinken die Einkommen vieler Menschen. All das trifft auf einen immens aufgeblähten und krisenanfälligen Finanzsektor.
Die Corona-Pandemie führt uns vor Augen, wie instabil der neoliberale Kapitalismus ist. Die Art, wie die Weltwirtschaft, wie Welthandel, Finanzmärkte, Landwirtschaft, Lohn- und Sorgearbeit heute organisiert sind, verwandelt die Corona-Pandemie in eine schwere wirtschaftliche und soziale Krise.
Eine neue Finanzkrise zeichnet sich ab
Fallende Kurse, panische Investor*innen – eine neue Finanzkrise zeichnet sich ab. Doch die Pandemie ist nur die auslösende Erschütterung, nicht die Ursache. Attac hat stets kritisiert, dass die Regierungen keine Lehren aus der Finanzkrise 2008/09 gezogen haben. Statt das Finanzcasino zu schließen wurden immer größere Bereiche der Wirtschaft der Logik des Finanzsystems unterworfen – genau das fällt uns jetzt auf den Kopf.
Die Regierungen haben es verabsäumt „systemrelevante“ Banken zu zerteilen und strenger zu regulieren sowie spekulative Finanzprodukte zu verbieten. Auch die Finanztransaktionsteuer wurde erfolgreich torpediert. Gleichzeitig wuchs der unregulierte Sektor der Schattenbanken, wie Hedgefonds und digitale Finanzunternehmen. Das billige Geld, das Zentralbanken den Banken seit der Finanzkrise zur Verfügung stellten, bläht Aktienmärkte und andere Vermögenswerte auf und stützt fossile Industrien. Wie schon in vergangenen Krisen bedroht jetzt der völlig unregulierte Zu- und plötzliche Abfluss von Kapitalströmen ganze Volkswirtschaften.
Das neoliberale Welthandelsregime – kein krisenfestes Modell
Die Attac-Kritik am aktuellen Welthandelssystem wird durch die Corona-Pandemie bestätigt. Dieses System verschärft Ungleichheit und die Klimakrise und schränkt den Handlungsspielraum von Regierungen ein. Die Liberalisierung des weltweiten Güter- und Agrarhandels und der Finanzmärkte hat zur Folge, dass die Produktion lebenswichtiger Güter in bestimmte Weltregionen und in die Hände von immer weniger Konzernen verlagert wurde. Globale Lieferketten führen nun zu Versorgungsengpässen bei der Erzeugung und Lieferung von lebenswichtigen Gütern wie etwa Atemgeräten, Schutzbekleidung und Medikamenten.
Kritischer als bisher sind auch der Massentourismus und die Hypermobilität der globalen Mittel- und Oberklassen zu hinterfragen. Diese Phänomene sind für die rasche Ausbreitung der Pandemie mitverantwortlich und sozial und ökologisch untragbar.
Solidarische Krisenbewältigung muss alle im Blick haben
Die Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie bedrohen nun den Lebensunterhalt vieler Menschen und zeigen, wie prekär ein großer Teil der Bevölkerung lebt und arbeitet. Die Krise führt uns aber auch vor Augen, wie schlecht die wichtigsten Tätigkeiten in unserer Gesellschaft abgesichert sind. Es sind Pfleger*innen, Regalarbeiter*innen und Kassier*innen, Kindergärtner*innen, Reinigungskräfte, Erntenhelfer*innen und viele andere mehr, auf die es jetzt ankommt. Diese Arbeiten werden vor allem von Frauen und Migrant*innen in Leiharbeit oder neuer Selbständigkeit erbracht, sind oft schlecht bezahlt und wenig anerkannt.
Besonders dramatisch ist die Lage bei der Pflege, die überlastet und finanziell ausgehungert wurde. In den Spitälern fehlt Pflegepersonal. Die Grenzschließungen zeigen, wie prekär die 24-Stunden-Pflege organisiert ist – auf dem Rücken von Pflegebedürftigen, Angehörigen und Pfleger*innen.
Die Corona-Pandemie zeigt auch, wie verwundbar unser gesamtes Gesundheitssystem infolge neoliberaler Politik heute ist. In den letzten Jahrzehnten wurden quer durch Europa Gesundheitsausgaben gekürzt, private Krankenversicherungen gefördert und Spitäler geschlossen; Kosteneffizienz erhielt vielerorts Vorrang vor Versorgungssicherheit, Qualität und Menschlichkeit. Besonders drastisch ist die Lage in Südeuropa, wo die Gesundheitssysteme auf Druck der EU besonders stark ausgehungert wurden.
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Was jetzt zu tun ist
Die aktuellen Maßnahmen zeigen, dass politische Gestaltung im großen Stil möglich ist. Die bisherigen Maßnahmen der österreichischen Regierung scheinen den Gefahren einer tiefen Krise grundsätzlich Rechnung zu tragen. Doch wer wird damit gerettet, wer wird dafür bezahlen? Und was kommt danach? Verschärft sich die ungleiche Verteilung zwischen Arm und Reich oder gelingt es in Richtung einer sozial-ökologischen Wirtschaft umzusteuern?
Klar ist: Unsere Wirtschaft und Gesellschaft werden nach der Coronakrise anders aussehen als vorher. Lassen wir nicht zu, dass der neoliberale Kapitalismus sich danach weiter vertieft. Engagieren wir uns jetzt für eine Politik, die das gute Leben für alle Menschen ermöglicht.
Attac wird in den nächsten Wochen weitere Analysen vorlegen und sich für konkrete Lösungen starkmachen. Dabei gilt es
- die gesundheitliche und wirtschaftliche Krise solidarisch zu bewältigen.
- autoritären und nationalistischen Kräften entgegenzutreten und das humanitäre Drama an den EU-Außengrenzen zu beenden.
- neoliberale Dogmen aufzubrechen und die Transformation unserer Wirtschaft voranzutreiben, so dass sie ein gutes Leben für alle Menschen ermöglicht.
Achten wir auf uns. Sorgen wir für unsere Mitmenschen. Handeln wir solidarisch.
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